Die jüdische Gemeinde Ahrensburg begeht in diesen Tagen die Chanukkah-Feier - so etwas wie das Gegenstück zu Weihnachten.

Ahrensburg. Es ist eine einfache Wohnung mitten in Ahrensburg, es ist ein kleiner Leuchter, an dem sieben Kerzen brennen. Und es ist ein mit acht Personen überschaubarer Kreis, der sich hier versammelt hat. Doch die Wohnung ist eine Synagoge, der Leuchter ist eine "Chanukia" - ein wichtiger traditioneller Gegenstand - und die acht Menschen sind Mitglieder der jüdischen Gemeinde Ahrensburg, der einzigen in Stormarn.

Der Kantor, ein Mann um die 40, der einen Gebetsmantel trägt, singt nun einen hebräischen Vers vor - und die Gemeindemitglieder, Männer und Frauen im vorgerückten Alter, singen mit. Lauter diejenigen, die die Verse und die schöne, wiewohl nicht einfache Melodie können, leiser und verhaltener jene, die nicht ganz so sicher sind. Streng geht es nicht zu bei Kantor Elija Schwarz, der seinen Gottesdienst mit viel Wärme und Humor gestaltet. Aber ein paar Details sind schon wichtig - zum Beispiel, dass sich die Gemeindemitglieder jetzt erheben und nach Süd-Osten wenden - in jene Richtung, in der sich Jerusalem befindet.

Ahrensburg hat, fast 70 Jahre nach der Zeit des Nationalsozialismus, nach der Ermordung und Vertreibung seiner Juden, deren Vorfahren sich vor Jahrhunderten in der Stadt angesiedelt hatten, wieder eine jüdische Gemeinde. Eine, die "wie eine Familie" ist, wie die Vorsitzende Antje Rudolph sagt. Die sich schon 2003 gründete, die aber erst seit Kurzem über einen eigenen Platz für Feiern und Gottesdienste verfügt. Jene Wohnung, die der Landesverband der jüdischen Gemeinden zu diesem Zweck gemietet hat.

Während sich die meisten Stormarner auf Weihnachten vorbereiten und auf der Suche nach Geschenken durch die Kaufhäuser schieben, gibt es in der jüdischen Gemeinde schon etwas zu feiern - und zwar Chanukkah, das jüdische Lichterfest. Es dauert acht Tage lang und beginnt jeweils am 25. Tag des Monats Kislew, der im November und Dezember liegt. Jüdische Gemeinden in aller Welt erinnern mit dem Fest an die Wiedereinweihung des zweiten jüdische Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor Christus. Die Juden hatten sich im sogenannten Makkabäeraufstand gegen die Fremdherrschaft durchgesetzt, konnten den jüdischen Tempeldienst wieder einführen. Die Chanukia war ein Leuchter im Tempel, der niemals erlöschen solle. Nach der Überlieferung war nur noch ein Krug geweihtes Öl zu finden. Es reichte gerade einmal für einen Tag - doch durch ein Wunder habe das Öl acht Tage lang gebrannt, bis neues geweihtes Öl hergestellt war.

"Eigentlich war es ursprünglich kein so wichtiges Fest. Aber es ist durch Weihnachten mit der Zeit intensiviert worden. Manche nennen es deshalb scherzhaft Weinukah", sagt Elija Schwarz. Der Grund: "Jüdische Kinder möchten natürlich auch beschenkt werden, und da mussten die Eltern gegenhalten", so der Kantor. An den acht Abenden des Festes, an denen jeweils eine Kerze an der Chanukia entzündet wird, erhalten Kinder ein Geschenk. "Mit so was kann man in der Grundschule schon ein bisschen angeben", sagt Elija Schwarz, der aus der Umgebung von Halle stammt, in Berlin aufgewachsen und als Kantor für Hannover und Schleswig-Holstein zuständig ist. Ein Job, bei dem er viel mit der Bahn unterwegs ist.

Einmal im Monat leitet er den Gottesdienst in der Ahrensburger Gemeinde, die mit etwa 20 Mitgliedern die kleinste Schleswig-Holsteins ist. Die Mitglieder stammen überwiegend aus Russland und der Ukraine, sind zwischen 60 und 75 Jahre alt. Am heutigen Abend sind einige von ihnen zu Hause geblieben, denn es ist kalt und glatt draußen. Antje Rudolph hofft aber, dass sie am letzten Tag des Festes alle da sein werden. Indes: Die Gemeinde kann auch zu acht einen fröhlichen Abend verbringen.

"Er sah ganz gut aus, dieser Knabe Josef", erzählt Elija Schwarz. "Und Potifars Frau war nicht so ganz ausgelastet..." Ein Gemeindemitglied übersetzt die Worte ins Russische, dann kichern die Frauen und Männer am Tisch. Der Kantor erzählt die Geschichte Josefs

aus dem zweiten Buch Mose. Die alttestamentarische Geschichte ist auch Teil der Thora - an diesem Abend wird sie erzählt, weil mit dem siebten Abend des Chanukkah-Festes gleichzeitig der Sabbat beginnt. Die Moses-Bücher werden, über das Jahr verteilt, immer am Sabbat gelesen.

Nach der Predigt waschen sich die Mitglieder die Hände. Aus einem speziellen Krug wird jede Hand dreimal mit Wasser benetzt. "Damit danken wir Gott dafür, dass wir uns selbst waschen können", sagt ein Gemeindemitglied.

Dann ist ein sehr wichtiger Teil des Abends dran - nämlich das Essen. Jeder hat etwas mitgebracht, bald ist der Tisch reich gedeckt mit bunten, duftenden Speisen. "Russisch-jüdische Gerichte", wie Antje Rudolph sagt. Kleine, frittierte Kartoffelpuffer, Latkes, sind dabei, außerdem Burekas - das ist ein Blätterteig-Gebäck, gefüllt mit Käse. Dazu wird Wein getrunken, die Unterhaltungen sind lebhaft. Gesprochen wird Russisch und Deutsch - die Gemeindemitglieder lernen es an anderen Tagen im selben Raum bei Julia Bock.

Antje Rudolph unterrichtet Religion - denn die Mitglieder ihrer Gemeinde müssen die jüdische Kultur teilweise erst lernen, weil sie sie in ihren Heimatländern nicht praktizieren durften. Sie wünscht sich, dass die Gemeinde noch weiter wächst: "Es leben viele Juden in Ahrensburg. Aber sie praktizieren den Glauben nicht. Es wäre schön, wenn sie zu uns finden würden."

Immerhin komme jeder, der einmal dabei war, auch wieder. Wer einmal als Gast bei der jüdischen Gemeinde war, kann es verstehen.