Der Ammersbeker erzählt in seinem Buch “Alles haarsträubend“ von der Arbeit in London, New York und als Chefmaskenbildner bei Musicaltourneen

Ammersbek . Wer sich in Ammersbek langweilt, könnte mal wieder zum Friseur gehen: Rocco Cantorelli ist wie Theater. Weil er viel erlebt hat, gibt es sogar verschiedene Stücke. Und anders als im Theater bekommt der Besucher bei ihm zu der Unterhaltung noch einen neuen Haarschnitt, gegen Bezahlung natürlich. Wer nett fragt, könnte etwa aus folgendem Programm wählen: Cantorelli hat den Salon in Ammersbek seit 2007, aber er arbeitete vorher schon in London, am Broadway in New York und als Chefmaskenbildner mobil auf Musicaltourneen, bei "Evita" und "Jesus Christ Superstar" zum Beispiel. Er war in Stuttgart, in Offenbach, in Hamburg. Und er erzählt gern, wie es hinter der Bühne zuging.

Gewidmet hat er das 222 Seiten starke Werk seinen Nerven

Immer wieder habe jemand gesagt, er solle die Geschichten aufschreiben, sagt er. Und das hat er getan. 222 Seiten in siebeneinhalb Monaten. "Ich hatte Glück und habe direkt einen Verlag gefunden." Gewidmet ist das Buch "Alles haarsträubend" seinen Nerven, wirklich, das steht auf Seite zwei. Und so ist schon vor dem Vorwort zu ahnen, welche Geschichten Cantorelli zu erzählen hat: die zickiger Künstler und noch zickigerer Kundschaft. "Ich bin in meinem Buch geradeheraus", sagt Cantorelli. "Ich bin sarkastisch, ich bin witzig, manche denken, kurz vor der Grenze zur Boshaftigkeit. Das mag nicht jedem gefallen, ich polarisiere eben."

Das scheint auch während seiner Zeit hinter der Bühne so gewesen zu sein. Im Buch erzählt er, wie gut er sich mit einigen Kollegen verstanden hat, aber er berichtet auch von Konstellationen, in denen er sich gemobbt fühlte. Der Leser des Buches mag sich fragen, ob Cantorelli hin und wieder nicht selbst zur Verschärfung der Unstimmigkeiten beigetragen hat. Aber Schuld haben, das als halbphilosophischen Einwurf, ohnehin immer beide Seiten - das ist schon aus dem Kindergarten bekannt. Ein ehemaliger Chef habe gesagt, dass er jemand so exzentrischen wie Cantorelli nicht noch einmal einstellen werde. Er habe darüber gelacht, schreibt Cantorelli.

Sessel mit Leopardenfellbezug schmücken den Salon

Ob Rocco Cantorelli exzentrisch ist, kann jeder für sich entscheiden - ob das, wenn ja, gut ist oder nicht, auch. Sein Salon Cantorellis Art jedenfalls ist sehr viel bunter als die Ammersbeker Umgebung. Wer die Tür öffnet, ist umgeben von orangefarbenen Wänden, Spiegeln in Goldrahmen, Sesseln mit Zebra- und Leopardenstoffbezug - und derzeit weihnachtlicher Fensterdekoration. Rocco Cantorelli trägt einige Ohrringe, einen glitzernden Stein am Zahn und an diesem Tag einen auf die Wand abgestimmten orangefarbenen Pullover. Er passt gut in sein Geschäft.

Und das ist eine schöne Kulisse für skurrile Situationen. "In meinem Buch erzähle ich, was einem als Friseur alles passieren kann", sagt Cantorelli. Zum Beispiel habe sich eine Kundin mal in die Hose gemacht. Diese Situation wird im Kapitel Psycho 1 beschrieben. Unter Psycho 2 erzählt Cantorelli von Kunden, die ihm so unangenehm sind, dass er ihre Haare nicht schneiden möchte. Über eine Frau mit besonders verfilzten Haaren schreibt er: "Das war die Kundin, der ich im Traum ins Bein biss."

Es gibt aber auch ernstere Themen, die ihn beschäftigen. "Was ist zum Beispiel, wenn jemand beim Friseur stirbt?", sagt Cantorelli. Doch, das kommt vor, im Buch passiert das dem Kollegen einer Kollegin. Dort sei einer alten Dame unter der Trockenhaube etwas komisch geworden, nach einem Glas Wasser sei es ihr besser gegangen. Und auf dem Weg zur Kasse sei sie dann umgekippt. "Bum. Weg war sie", schreibt Cantorelli.

Edle Windhunde und ihre Rennen sind seine Leidenschaft

Die Frau konnte natürlich nicht mehr bezahlen - und deswegen schickte der Friseur die Rechnung an ihren Sohn. Der hielt das für pietätlos, war empört und der Meinung, der Friseur müsse auf das Geld verzichten. Und das wiederum fanden sowohl Cantorellis Kollegin als auch er selbst nicht in Ordnung. "Natürlich ist das traurig", sagt Cantorelli. "Aber wenn die Frau ihre Wohnung renoviert hätte und nach ihrem Tod käme die Rechnung des Malers, müsste das doch auch bezahlt werden." Man sei auf das Geld angewiesen. "Ich verdiene ein bescheidenes Gehalt", sagt Cantorelli. "Manchmal spüle ich Teller in einem Restaurant, um etwas dazuzuverdienen."

Seine nicht ganz günstige Leidenschaft sind Miloh, Arwen, Amlaith, Bilbo und Pippin, mit Nachnamen nicht Cantorelli, sondern Of the Shire. Alle fünf sind Windhunde, und es gibt bei den Namen einen Bezug zu Herr der Ringe, weil Cantorellis Mann Fan der Geschichte ist. Es stehen Pokale im Salon, und Schleifen hängen an der Wand. So etwas können Windhunde gewinnen, wenn sie schön sind oder schnell. Weil Hunde Geld kosten, steht auf dem Schreibtisch ein rosafarbenes Schwein. Das Trinkgeld geht an die Hunde. "Die Pokale habe ich aufgestellt, damit die Kunden sehen, dass das Geld ankommt." Cantorelli ist stolz auf seine Hunde: "Die langhaarige Variante der Whippets ist selten, Miloh war in Europa der zwölfte seiner Art. Und auch wenn er nicht so viel verdient: Er erzählt mit Stolz aus seinem Leben.

Er hat auch Barockgesang und Moderationstechnik studiert

Er hat Barockgesang studiert, er singt Sopran, das ist bei Männern selten. Später studierte er noch Moderationstechnik, mit 37 Jahren war er fertig. "Als ich nach der Zeit in Amerika wieder nach Deutschland kam, hatte ich alle möglichen Jobs und bekam dann Hartz IV. Ein Mitarbeiter des Arbeitsamtes hat zu mir gesagt: Sie haben so viel gemacht, die Vermittlungschance ist gleich null. Ich musste mir meinen Arbeitsplatz selber schaffen." Rocco Cantorelli hat viel gesehen, wovon andere nur lesen können. Oder hören, wie erwähnt, in seinem Salon.

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