Die Barsbütteler AG will Konzepte für den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern voranbringen.

Barsbüttel. Die Barsbütteler Erich Kästner Gemeinschaftsschule (EKG) geht die neuen Anforderungen der Inklusion mit professioneller Hilfe an. Bei der ersten Südstormarner Fachtagung ging es um Konzepte für die Zukunft. Inklusion heißt, dass alle Kinder - unabhängig von körperlichen oder geistigen Behinderungen - gemeinsam unterrichtet werden. Das geht deutlich weiter als die bisherige Integration, denn die inklusive Schule will ein Miteinander von Mehr- und Minderheiten.

Die Barsbütteler Elternrätin Maren Rademacher bringt es auf den Punkt: "Wenn morgen ein gehörloses Kind an eine weiterführende Schule kommt, muss sie es aufnehmen." Schulleitung und Elternrat der EKG planen nun eine Arbeitsgemeinschaft zur Inklusion und wollen sich weiter mit anderen Schulen im Kreis austauschen. "Wir wollten eine Initialzündung geben", sagt die Elternratsvorsitzende Angela Tsagkalidis.

Wie Maren Rademacher hat sie eine Tochter, die als Integrationskind an die EKG kam und heute die neunte Klasse besucht. Ihr hochbegabter, jüngerer Sohn geht ebenfalls auf die Gemeinschaftsschule, denn Angela Tsagkalidis ist von der Idee des gemeinsamen Lernens überzeugt. "Er wird hier super gefördert. Und ich finde es toll, wenn die Kinder sich mit der Vielfalt an Schülern auseinandersetzen müssen - so ist ja auch die Welt."

Torsten Schöß-Marquardt, stellvertretender Leiter der EKG, sagt: "Inklusion wird in Deutschland oft damit verbunden, dass schulisch leistungsstärkere Kinder mit leistungsschwächeren zusammen lernen müssen und dass dies ein Nachteil sei. Alle Ergebnisse der Pisa-Studien zeigen aber, dass Länder, die inklusiv beschulen, oft bei Weitem erfolgreicher sind als wir."

Laut Stormarns Schulrat Michael Rebling werden von fast 900 Kindern und Jugendlichen mit anerkanntem Förderbedarf 600 integrativ oder inklusiv beschult. Trotzdem stehen Land und Kreis erst am Anfang der Diskussion. Schulen und Schulträger sind aufgefordert, eigene Lösungen zu entwickeln. Eine wichtige Rolle kommt dabei den acht Stormarner Förderzentren zu: Sie sollen die Schulen unterstützen.

Die Landesregierung hofft auf eine Art Eigendynamik: Je mehr Kinder mit Förderbedarf aufgenommen würden, desto stärker seien die Schulen gefordert, ihre Kompetenzen zu erhöhen. Die Fritz-Reuter-Schule in Ahrensburg hat nur noch neun Schüler, die Schule am Kurpark in Bad Oldesloe zwei Klassen mit 32 Schülern. Es werden aber keine Lehrerstellen gestrichen, so Schulrat Rebling. Freie Ressourcen könnten in den Ausbau der Inklusion gesteckt werden. Die 16 Lehrer der Wilhelm-Busch-Schule in Glinde (38 Schüler) verbringen bereits zwei Drittel ihrer Zeit in Grund- und Regelschulen in Barsbüttel, Glinde und Oststeinbek.

Doch Kai Krause-Rosbach, Leiter der Wilhelm-Busch-Schule, hält den Erfolg eines selbst lernenden Systems für mehr Inklusion in Regelschulen für fraglich. "Es ist vermessen anzunehmen, dass die Sonderpädagogen das Allheilmittel sind", sagt er. Nur auf Fortbildung zu setzen, reiche nicht aus. Die laufe oft nebenbei, und nur wenige Lehrer seien bereit, sich der Herausforderung zu stellen. Seiner Ansicht nach muss sich die Ausbildung verändern, weg vom Frontalunterricht und hin zu neuen Unterrichtsmodellen. "Das Vorlesungsverzeichnis der Uni in Flensburg ist aber immer noch deckungsgleich mit dem von vor 30 Jahren", sagt er. Bei den Grundschulen habe sich allerdings schon viel getan.

Zwei Referentinnen der Beratungsstelle Inklusive Schule (BIS) am Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein (IQSH), Salomé Eschenmann und Gabi Harz, entwickelten mit den Seminarteilnehmern in Barsbüttel erste Ziele. Allerdings überwog bei vielen noch die Skepsis. Kai Rickertsen, Lehrer an der Glinder Gemeinschaftsschule Wiesenfeld: "Ich weiß immer noch nicht, wie Inklusion konkret gestaltet werden soll." Bei der Umsetzung drohe der gleiche Fehler wie bei der Reform der gymnasialen Oberstufe: Die Lehrpläne würden nicht vorher angepasst. Und Elternrätin Angela Tsagkalidis ergänzt: "Das Problem ist, dass es den Schulen übergestülpt wird."

Das Bildungsministerium möchte zum Jahr 2012/13 Schwerpunktschulen für Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf benennen. Interessierte Schulträger können teilnehmen, wenn die betreffende Schule bereits ein inklusives Konzept entwickelt hat.