Advent - Zeit des Wartens und der Erwartung. Wie ein roter Faden zieht sich durch die vorweihnachtliche Zeit der Ruf: "Komm, Herr Jesus!" In den Adventsliedern klingt er immer wieder auf - kunstvoll gestaltet in Musik und Sprache. Ich stelle mir vor, er käme wirklich. In einer Kirche tauchte er auf, in einem Kaufhaus, in dem in bester Tonqualität der Ruf über den CD-Player erschallt. Oder er klingelte an der Wohnungstür einer Familie, die sich zum Adventskaffe am Sonntagnachmittag versammelt hat und die entsprechende Musik dabei hört: "Komm, Herr Jesus!" "Hier bin ich", sagte er ganz einfach, "ihr habt mich doch gerufen!" Ich stelle mir die Gesichter vor und vielleicht das betretene Schweigen, wenn er plötzlich dastünde und uns die Erinnerung käme, dass er ja schon längst da war, um uns zu sagen, worauf es ankommt, wenn er wiederkommt.

Dann würde seine gute Botschaft in Kontrast treten zu der Welt, wie sie immer noch ist mit Krieg, mit Hass und Gewalt, mit Intrigen und Neid, mit einer gefährdeten Umwelt, die wir den kommenden Generationen hinterlassen und mit all dem, womit wir uns in unserer kleinen Umgebung das Leben schwer machen. Und ich höre, wie mancher von uns dann beschämt stammelte: "Herr, du kommst zu früh. Wir sind noch nicht so weit, Komm, Herr Jesus, komm ja nicht wieder, lass uns doch in Ruhe, du störst unsere Kreise, ohne dich können wir Weihnachten romantischer feiern, nach unseren Vorstellungen und ohne deine Ansprüche. Geh, Herr, komm ja nicht wieder!"

Aber dann denke ich auch an die Schreie derer, die darunter leiden, dass unsere Welt so ist, wie sie ist. Ich höre das Stöhnen der Ohnmächtigen, die sich nicht wehren können, die Sehnsüchte all derer, die auf der Schattenseite des Lebens stehen, ohne Chance, das zu verändern.

Dann wird mir klar, dass der Mensch aus eigener Kraft die Welt nicht erlösen kann. Allmählich beginne ich dann zu begreifen, was es heißt, wenn Gott wirklich Mensch wird und sich damit unserem Leben stellt. Dann ist der Ruf: "Komm, Herr Jesus!" nicht nur folgenloses Lippenbekenntnis, sondern die Sehnsucht nach dem Erlöser, ohne den der Mensch allein mit seiner Welt zugrunde geht. Dann ist jeder Advent alle Jahre wieder ein Hoffnungszeichen, dass Gott es noch nicht aufgegeben hat mit uns und unserer Welt. Darum rufe ich weiter: "Komm, Herr Jesus, komm!"