Hunderte Schüler müssen zusehen, wie sie zum Unterricht kommen. Eltern springen ein. Beschäftigte fordern einheitlichen Tarifvertrag.

Bad Oldesloe/Bargteheide. Vor der Johannes-Gutenberg-Schule in Bargteheide herrschte gestern Morgen große Hektik. Mütter und Väter brachten ihre Kinder mit dem Auto zur Schule, da zahlreiche Buslinien in Stormarn ihren Verkehr eingestellt hatten. Die Gewerkschaft Ver.di hatte vor den heute anstehenden Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern der privaten Omnibusunternehmen landesweit zu Warnstreiks aufgerufen. Mehrere Hundert Busse standen in Schleswig-Holstein still. In Stormarn legten alle 63 Busfahrer der Autokraft in Bad Oldesloe sowie des Subunternehmens Thies Bustouristik ihre Arbeit nieder. Zwischen 3 und 11 Uhr verließ keiner der rund 50 Busse der beiden Firmen das Depot an der Hermann-Bössow-Straße.

Sabine Niemeier zeigte sich genervt von dem Streik. "Mein Sohn war schon an der Bushaltestelle, als eine Nachbarin bei uns anrief und mich über den Streik informierte", sagte die Mutter aus Delingsdorf. Bevor sie zur Arbeit nach Hamburg-Poppelbüttel fahren konnte, musste sie ihren Sohn selbst zur Schule bringen. "Dafür hätte ich mindestens eine halbe Stunde mehr einplanen müssen", sagte sie. "Jetzt komme ich zu spät zur Arbeit." Bei einem früheren Streik der Busfahrer hatte sich Sabine Niemeier extra einen Urlaubstag genommen, um ihren Sohn mittags wieder von der Schule abzuholen. "Und dann war das ganz umsonst, denn die Busse fuhren mittags doch wieder", sagte sie.

Auch Tanja Stricker aus Elmenhorst findet einen Streik im Schulbusverkehr problematisch. "Viele Eltern setzen ihre Kinder auf dem Weg zur Arbeit an der Haltestelle ab", sagt sie. "Wenn dann kein Bus fährt, kommen die Kinder gar nicht mehr zu Hause rein." Tanja Stricker begleitet ihre Kinder deshalb häufig zur Haltestelle, damit sie im Fall eines Streiks nicht allein sind. "Die Streiks verursachen unnötigen Stress für die ganze Familie", sagt die Mutter. "Morgens ist so viel zu erledigen, da möchte ich nicht gezwungen sein, dauerhaft die Nachrichten zu hören." Stricker selbst arbeitet von zu Hause aus, konnte deshalb gestern problemlos für ihre beiden Söhne als Fahrerin einspringen. "In anderen Familien ist es natürlich viel schwieriger", sagt sie. "Die Eltern können ja nicht ständig früher Feierabend machen, um die Kinder wieder aus der Schule abzuholen."

Im Transporteinsatz war gestern auch Patricia Maehl aus Delingsdorf: Sie hatte Spätschicht. Nachdem sie über das Radio vom Streik erfahren hatte, sprach sie sich mit einer Freundin ab und nahm auch deren Kinder mit zur Schule. "Vor einigen Wochen hatten wir das gleiche Problem schon einmal. Damals kam meine Tochter weinend nach Hause, weil kein Bus fuhr", sagte Maehl. Und auch bei Schnee und Eis hätten die Grundschulkinder schon vergeblich an der Haltestelle gewartet.

Und wie gehen die Schulleitungen mit der Situation um? "Die Streiks bedeuten einen ziemlichen Einschnitt für die Kleinen", sagt Susanne Arndt von der Grundschule am Masurenweg in Bad Oldesloe. "Vor allem bei diesem Wetter finde ich es unmöglich, dass die Kinder an einsamen Haltestellen warten müssen. Sie können schließlich nichts für die Umstände und sind auf den Bus angewiesen", sagt Arndt, die selbst Mutter ist. Sie könne es daher verstehen, dass Eltern ihre Kinder aus organisatorischen Gründen sogar zu Hause behalten. Arndt: "Die Schule drückt dann ein Auge zu und trägt die Fehlenden als entschuldigt ein."

In Bad Oldesloe haben sich die Busfahrer während des Streiks vor dem Depotgebäude versammelt. Einige stehen bereits seit 3 Uhr nachts draußen. An einer kleinen Feuerstelle können sie sich aufwärmen. Zudem gibt es Kaffee, Würstchen und belegte Brötchen. Es ist das dritte Mal, dass sie innerhalb weniger Wochen ihre Arbeit niederlegen. "Wir hoffen, dass es bei der heutigen, fünften Verhandlungsrunde mit den privaten Omnibusunternehmen zu einer Einigung kommt. Aber ich bin sehr skeptisch", sagt Thomas Grunewald von Ver.di, der die Leitung des Streiks in Bad Oldesloe übernommen hat.

Die Gewerkschaft fordert für alle Busfahrer in Schleswig-Holstein einen einheitlichen Tarifvertrag. Es geht um rund 300 Euro, die die Angestellten vieler städtischer Verkehrsbetriebe im Vergleich zu den Beschäftigten der meisten privaten Busunternehmen mehr pro Monat bekommen. "Dabei haben wir alle den gleichen Beruf und leisten die gleiche Arbeit", sagt Sven Schreiber. Der 44-Jährige arbeitet seit zehn Jahren als Busfahrer in Bad Oldesloe. Sein Kollege Kai Schläger berichtet von einer gestiegenen Arbeitsbelastung. "Es wird immer mehr von uns verlangt", sagt der 53-Jährige, der seit 25 Jahren für die Autokraft im Dienst ist. "Wir haben längere Schichten, das Verkehrsaufkommen auf den Straßen steigt, und auch das Verhalten der Fahrgäste hat sich negativ entwickelt." Früher seien die Fahrgäste und der Busfahrer wie eine große Familie gewesen. Schläger: "Heute ist das leider nicht mehr so. Viele Fahrgäste sind unfreundlich und fangen schnell an, zu pöbeln und sich zu beschweren."

Busfahrerin Sylke Witten geht es vor allem darum, sich mit den jüngeren Kollegen zu solidarisieren. Sie sagt: "Sie bekommen noch weniger Geld, dabei leisten sie doch die gleiche Arbeit."