"Mach dir einen Knoten ins Taschentuch" - eine Weisheit, die uns vor dem Vergessen schützen soll. Nur müssen wir von Zeit zu Zeit auch in die Hosentasche greifen, sonst vergessen wir das Taschentuch. Es gibt besondere Tage im Jahr, die uns erinnern. Der Tag der deutschen Einheit, der Ewigkeitssonntag, der Welt-Nichtrauchertag oder der Buß- und Bettag.

Kann aber die stete Erinnerung nicht auch dazu führen, dass alte Wunden nicht verheilen? "Lass gut sein!" "Fang nicht wieder damit an!" "Vergiss es!" All das sind Ratschläge, die wir oft zu hören bekommen. Es gibt Taten, die würde ich gern ungeschehen machen. Doch es gibt Ereignisse, mit denen man genötigt ist, sich zu beschäftigen, Erfahrungen, mit denen man sich auseinandersetzen muss - sonst geht man kaputt daran. Verdrängen macht krank. Vergessen ist nicht Reue, ist nicht Buße. Ungeschehen machen ist nicht daraus lernen. Ohne Umkehr und Abkehr kein Neubeginn.

Ein Psalmwort erinnert uns daran, nicht zu vergessen, worauf es in unserem Leben ankommt: "Lobe den Herrn, meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat" (Psalm 103,2). Gegen den Verlust, gegen das Vergessen hilft das Danken. Das Bibelwort macht uns den Zusammenhang deutlich: "... vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat." Heute ist Buß- und Bettag. Heute gehen evangelische Christen in sich und betrachten sich freundschaftlich-kritisch. Fragen sich: Was bin ich leid, wo bereite ich Leid - mir und anderen? Wenn es heute büßen heißt, meint büßen eben nicht sich selbst bestrafen. Büßen bedeutet besinnen und ändern-was-anders-werden-muss. Wir brauchen keine Angst zu haben, uns mit unseren Fehlern und Vergehen zu beschäftigen. Wir brauchen nicht davor wegzulaufen.

Wir dürfen Gott um Vergebung bitten, und das können wir nicht, wenn wir unsere Sünden verdrängen und vergessen wollen. Gott will uns befreien von unserer Schuld. Er vergibt uns unsere Schuld, wenn wir sie vor ihn bringen und im Gebet bekennen. Gott will uns Gutes tun. Mit diesem Geschenk Gottes bin ich frei, auch meinen Mitmenschen gegenüber Schuld einzugestehen, mich für böse Worte oder üble Taten zu entschuldigen. Keine Ausrede zu suchen, sondern zu bekennen: Es tut mir leid. "Mach dir einen Knoten ins Taschentuch!" Aus Erfahrung und Erinnerung können wir lernen. Der kritische Blick zurück lohnt sich, wenn wir darüber nachdenken, wo etwas verkehrt läuft. Und das nicht nur an diesem Tag.