Eine 62 Jahre alte Frau und ihr 68 Jahre alter Mann liegen im Krankenhaus. Die Mordkommission ermittelt wegen versuchten Totschlags.

Bargteheide. Auf den ersten Blick scheint alles friedlich und ruhig zu sein in der Neubausiedlung im Norden Bargteheides. Eine Frau geht mit ihrem Hund spazieren, ein Postbote trägt Briefe aus. Doch hinter den Fenstern einer Wohnung im ersten Stock des gepflegten Mehrfamilienhauses, hinter weißen Gardinen, muss Schlimmes passiert sein - ein Drama, das mit einem schwer verletzten Menschen endete.

Als Nachbarn des dort lebenden Ehepaars gestern Morgen Hilferufe aus der Wohnung hören, klopfen sie zunächst an der Wohnungstür. Nach einiger Zeit öffnet der Mann die Tür und versichert, dass alles in Ordnung sei. Da die Frau jedoch auch danach laut um Hilfe ruft, alarmieren die Nachbarn dann doch die Polizei. Die rückt um 8.30 Uhr mit vier Streifenwagen an, auch die Feuerwehr und der Notarzt kommen zum Tatort. "Ich saß gerade beim Frühstück", erinnert sich eine Bewohnerin aus dem Nachbarhaus. "Da wusste ich, dass etwas passiert sein musste", berichtet die Frau.

Was sich jedoch genau in der Wohnung des Ehepaars abgespielt hat, ist derzeit noch unklar. Vermutlich kam es zwischen den beiden zu einem Streit, der dann eskalierte. Sicher ist: Sowohl die 62-Jährige als auch ihr 68 Jahre alter Mann mussten verletzt ins Krankenhaus geliefert werden. "Die Frau wird derzeit notoperiert. Sie ist lebensgefährlich verletzt. Ihr Mann hat leichte Verletzungen erlitten", sagt Stefan Muhtz, Sprecher der Kriminalpolizei Lübeck, nachdem er sich gestern Mittag selbst einen Eindruck vom Tatort gemacht hat.

Näheres über das, was sich am Morgen in der Wohnung ereignet hat, könne er nicht sagen. Muhtz: "Beide sind derzeit nicht vernehmungsfähig." Er könne nicht einmal sagen, ob nicht auch noch weitere Personen in der Wohnung gewesen seien. Berichte, die beiden hätten Stichwunden erlitten, will Muhtz auch am Nachmittag nicht bestätigen. "Wir machen dazu keine Angaben", sagte er. Auch zu einer möglichen Tatwaffe wird nichts bekannt.

Die Staatsanwaltschaft und die Mordkommission der Bezirkskriminalinspektion Lübeck ermitteln wegen des Verdachts des versuchten Totschlags. Bereits am späten Vormittag beginnen sie damit, Spuren am Tatort zu sichern. Die Bewohner des Mehrfamilienhauses werden vernommen. Eine Nachbarin will bemerkt haben, dass es schon seit einiger Zeit in der Beziehung kriselte. So sei bereits am Freitag heftiger Streit aus der Wohnung zu hören gewesen. "Der Mann hat eine laute Stimme", sagte die Anwohnerin. Normalerweise sei er immer freundlich und kontaktfreudig gewesen. "Doch konnte er teils auch aufbrausend sein", beschreibt sie den 68-Jährigen. Er stamme aus dem Rheinland.

Beide seien verwitwet oder geschieden gewesen und hätten einander vor einigen Jahren kennengelernt. Vor drei Jahren sind beide gemeinsam in das Neubaugebiet gezogen und hätten kurz danach geheiratet. Nach Angaben von Nachbarn gab es in der Ehe zuletzt offenbar Probleme. "Es war schon auffällig, dass sie nicht gemeinsam aus dem Sommerurlaub zurückgekehrt sind", erläuterte eine Nachbarin. Sie hätten in Spanien eine Ferienwohnung gehabt, in der sie sich im Sommer sehr lange aufgehalten hätten. "Wenn man sie fragte, warum sie nicht gemeinsam aus dem Urlaub zurückgekommen sind, ist sie ausgewichen", sagt sie. Sie vermute, dass der Streit nun eskaliert sei.

Eine Bewohnerin des Nachbarhauses sagte: "Ich habe ihn immer draußen auf dem Balkon stehen und rauchen sehen." Er habe von dort immer herübergewinkt. "Das Ehepaar war immer freundlich", sagt die Frau. "Ich habe ansonsten aber auch wenig Kontakt zu den beiden gehabt", sagte sie. Sie sei völlig überrascht darüber, was passiert ist. Eine andere Anwohnerin beschreibt den 68-Jährigen so: "Er war eigentlich sehr freundlich, aber wohl auch ein bisschen cholerisch." In der Nachbarschaft sei man überrascht und geschockt von der Tat. "Eine Freundin von mir wohnt in dem Haus und steht immer noch unter Schock." Eine weitere Anwohnerin, die einmal bei dem Ehepaar eingeladen war, sagte über das Ehepaar: "Eigentlich wirkten sie ganz harmonisch zusammen."