Eine Glosse von Alexandra Schulz

Heute morgen hat sich meine Vorstellung von Moral etwas ins unmoralische verschoben. Das war noch vor dem Frühstück, ich habe jemand anderem etwas Schlechtes gewünscht und schäme mich nicht.

Es war in der Regionalbahn. Zum Hintergrund: Ich erkaufe mir jeden Monat für 77 Euro ein bisschen Seelenfrieden beim HVV. So teuer ist die Monatskarte und der Preis ist okay. Denn die Alternative ist, so dachte ich, dass ich ohne Karte vom Schaffner an die Polizei ausgeliefert werde, die mich zur Strafe schüttelt, in Handschellen abführt, in eine Zelle sperrt und mich die Nacht über dort behält. Soweit die Theorie.

Und nun zurück zur Moral. Ich sitze also in der Bahn, nebenan sitzt eine Frau, es kommt ein Schaffner. Sie: "Ich habe keine Fahrkarte. Und ich kann mich auch nicht ausweisen." Er: "Hm. Und was machen wir da?" Sie: "Das weiß ich nicht. Ich muss aber auch nur eine Station fahren." Er: brummt und geht weiter. Und ich finde 77 Euro plötzlich doch ganz schön viel Geld.

Nun weiß ich, dass man das, so als Mensch, auch sehr freundlich finden kann vom Schaffner. Und ich weiß, wie unsympathisch es ist, das nicht freundlich zu finden, sondern sich aus egoistischen Gründen darüber zu ärgern. Aber wissen Sie was? Mir egal. Vielleicht muss man nicht immer sympathisch sein. Man braucht ja auch nicht immer eine Fahrkarte.