Landrat und Verkehrsaufsicht lehnen Geschwindigkeitsbegrenzung in der Neuhöfer Straße ab. Stadt will sich wehren

Reinfeld. Sie soll mal der Stolz Reinfelds werden: die neu gestaltete Paul-von-Schoenaich-Straße im Herzen der Stadt. Doch obwohl bisher erst ein Bauabschnitt fertiggestellt ist, gibt es bereits zahlreiche Bürger, die sich über die Verschönerung gar nicht mehr freuen. Denn mit dem Umbau wird die angrenzende Neuhöfer Straße zur neuen Durchgangsstraße. Während die Paul-von-Schoenaich-Straße in einen verkehrsberuhigten Geschäftsbereich mit einem Tempolimit von 20 Kilometer pro Stunde umgewandelt werden soll, gilt in der Neuhöfer Straße statt der bisherigen Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Kilometer pro Stunde nun Tempo 50.

Die Anwohner sind verärgert. "Ich sehe nicht ein, dass die Paul-von-Schoenaich-Straße Vorrang vor der Neuhöfer Straße hat", sagt Jürgen Peemöller. Gemeinsam mit rund 20 weiteren Anliegern hat er sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. "Wir wurden hinters Licht geführt. Die Stadt hat mit dem Umbau der Paul-von-Schoenaich-Straße Fakten geschaffen und wir haben keine Chance mehr, etwas zu ändern."

Die Mitglieder sorgen sich um ihre Sicherheit und auch die der vielen Kinder, die die Neuhöfer Straße als Schulweg nutzen. "Ich schaffe es nicht mehr, die Fahrbahn zu überqueren, weil die Autos so schnell um die Ecke gerast kommen", sagt Peemöller. Zudem habe der Verkehrslärm deutlich zugenommen. "Wir können nicht mehr draußen im Garten sitzen, weil es so laut ist", sagt Anwohner Klaus Jaeger. Der Reinfelder befürchtet auch, dass die Häuser Schaden nehmen und an Wert verlieren. "Der Schwerlastverkehr hat bereits Schäden an unseren Häusern angerichtet. Es gibt Risse und die Fundamente sacken nach", sagt er. "Durch die höhere Geschwindigkeit wird das noch zunehmen. Dagegen werde ich mich wehren."

Auch den Reinfelder Stadtverordneten gefällt die neue Wendung nicht. Sie beschlossen auf ihrer jüngsten Sitzung einstimmig, dass alle Straßen der Stadt gleich stark belastet werden sollten und sprachen sich deshalb dafür aus, in der Neuhöfer Straße wieder ein Tempolimit von 30 Kilometer pro Stunde einzuführen. Die Stormarner Verkehrsaufsicht lehnt dieses jedoch ab. Ihre Begründung: Es muss in der Reinfelder Innenstadt eine Hauptverkehrsstraße geben, die die Bundesstraße 75 und die Landesstraße 71 verbindet. In dieser Straße müssen die Fahrzeuge vorfahrtsberechtigt sein und 50 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. Früher sei diese Aufgabe von der Paul-von-Schoenaich-Straße übernommen worden, nun bleibe dafür nur noch die Neuhöfer Straße.

Die Reinfelder wollen sich damit nicht zufrieden geben. Bürgermeister Gerhard Horn lud deshalb Landrat Klaus Plöger und Dirk Willhöft, den Leiter der Stormarner Verkehrsaufsicht, zu einem Ortstermin ein. Mit dabei waren auch Bürgervorsteher Hans-Peter Lippardt sowie zahlreiche Kommunalpolitiker und Anwohner. "Wir brauchen eine Lösung, wie wir das, was wir bei der Stadtverordnetenversammlung beschlossen haben, umsetzen können", sagte Hans-Peter Lippardt. Doch die konnte Klaus Plöger nicht liefern.

"Ich habe mit Rechtsexperten über verschiedene Möglichkeiten gesprochen. Aber sie kommen immer zu dem Ergebnis, dass dort Tempo 50 bleiben muss", sagt der Landrat. "Wenn wir in der Neuhöfer Straße Tempo 30 anordnen, begehen wir einen Rechtsbruch." Es gebe verschiedene Fälle, bei denen Autofahrer in ähnlichen Straßen auf das Recht, 50 Kilometer pro Stunde fahren zu dürfen, geklagt und gewonnen hätten. Seiner Auffassung nach gebe es für die Reinfelder nun nur noch zwei Möglichkeiten: Sie könnten beim Land um Rat fragen und sie könnten gegen die Anordnung der Verkehrsaufsicht klagen. Generell seien aber beide Wege nicht besonders vielversprechend. "Die Verkehrsleitung in Reinfeld ist momentan nicht besonders gut", sagt Plöger. "Ideal wäre es, wenn es eine Umgehungsstraße gäbe. Dann könnten wir problemlos im gesamten Innenstadtbereich Tempo 30 anordnen." Eine Umgehungsstraße wünschen sich auch die Anwohner, an eine Realisierung glauben sie jedoch nicht mehr. Jürgen Peemöller sagt: "Die Stadt hat vor einiger Zeit die Grundstücke verkauft, auf der die Trasse verlaufen sollte."

Klaus Plöger empfiehlt der Stadt zudem, eine professionelle Verkehrszählung an der Neuhöfer Straße in Auftrag zu geben. Denn weder Stadt noch Kreis wissen, wie viele Fahrzeuge täglich durch die Straße fahren. Einige gehen von rund 14 000 Autos und Lastwagen aus, andere von deutlich weniger. Plöger: "Wenn es zum Beispiel nur 1900 Fahrzeuge wären, dann stünden die Chancen vielleicht besser, eine Temporeduzierung durchzusetzen."

Die Stadt Reinfeld erwägt nun, gegen die Anordnung der Verkehrsaufsicht zu klagen. "Wir werden alle Rechtsmöglichkeiten prüfen", sagt Bürgervorsteher Hans-Peter Lippardt. Prüfen will Bürgermeister Gerhard Horn zudem, ob es sinnvoll ist, den Schwerlastverkehr in der Neuhöfer Straße zu verbieten und die Lastwagen stattdessen über den Kalkgraben zu leiten. Dirk Willhöft von der Stormarner Verkehrsaufsicht hält das nicht für Erfolg versprechend. Denn die Neuhöfer Straße müsse für Anliegerverkehr freigegeben werden. In den Navigationsgeräten würde sie deshalb weiterhin als kürzeste Strecke von der Autobahn 1 zur L 71 angegeben werden. Dirk Willhöft sagt: "Die Lastwagenfahrer würden deshalb trotz Verbots weiter durch die Neuhöfer Straße fahren."

Die Anwohner wollen dennoch nicht aufgeben. Sie haben entlang des Straßenverlaufs in ihren Gärten insgesamt zwölf rote Warnschilder aufgestellt. "Mit 50 mach ich alles platt" steht zum Beispiel über dem Bild eines Lastwagens. "Tempo 30 für alle", "Wohnstraße statt Durchgangsstraße" und "Sicherer Schulweg" ist auf anderen Schildern zu lesen. "Wir werden weiter kämpfen", sagt Jürgen Peemöller. "So einfach lassen wir uns nicht abspeisen." Ähnlich sieht das auch Manfred Weier. Er sagt: "Wir müssen einen Weg finden, mit dem alle Reinfelder leben können."