Zeugen sprechen im Prozess über hohes Aggressionspotenzial

Lübeck/Ahrensburg. Er hat seinen 70 Jahre alten Vermieter mehrere Stunden lang in dessen Wohnung in Ahrensburg festgehalten und ihn immer wieder geschlagen. Und er hat sein Opfer gezwungen, mit ihm zu einer Bank zu fahren, 1000 Euro abzuheben und ihm zu geben. Doch der 42 Jahre alte Mann, der wegen schweren Raubes, räuberischer Erpressung und Körperverletzung vor dem Lübecker Landgericht steht (wir berichteten), bezeichnet sich auch als Christ, nahm an Bibelkreisen teil und suchte regelmäßigen Kontakt zu einem Pastor an der Hamburger St. Petri-Kirche. Der Seelsorger sagte jetzt als Zeuge aus. Von ihm erhoffte sich die III. Große Strafkammer weitere Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Angeklagten.

Das Gericht will klären, ob der Angeklagte zum Tatzeitpunkt im Oktober 2011 schuldunfähig war und ob er dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht werden muss. Zu Beginn des Prozesses hatte er gesagt, dass er die Tat bereue. Ihm seien die Nerven durchgegangen, er habe sich von seinem Vermieter kontrolliert gefühlt.

Der Pastor bestätigte die Einschätzung eines psychiatrischen Gutachters. Dieser hatte dem Angeklagten eine "Persönlichkeitsstörung mit Aggressionspotenzial" bescheinigt. Er sei aufgrund von Enttäuschungen im Berufs- und Privatleben von tiefem Hass zerfressen, sein Groll richte sich vor allem gegen Einwanderer und Ausländer. Auch der Pastor sprach davon, beim Angeklagten tief sitzende innere Aggressionen festgestellt zu haben.

Der 42-Jährige hatte von sich aus schon lange vor der Tat beim Seelsorgezentrum an der Petri-Kirche um Hilfe gebeten. Später ließ er sich von dem Pastor taufen. "Einmal hat er gesagt, wir müssten reden, sonst ticke er aus", berichtete der Zeuge. Auslöser für die Aggressionen seien eine große Traurigkeit und existenzielle Angst beim Angeklagten. "Er trauert sehr um seine verstorbene Mutter und ist geprägt durch Gewalt, die er als Kind durch seinen Vater erlebt hat." Der Pastor erzählte auch, dass der Mann an der Kirche einmal einen Bettler geschlagen habe. Er sprach vor der Verhandlung länger mit dem Angeklagten, der ihn von der Schweigepflicht als Seelsorger entband.

Der 42-Jährige ist derzeit in der psychiatrischen Klinik in Neustadt/Holstein in Behandlung. Das Gericht hatte ihn nach einem emotionalen Ausbruch am ersten Verhandlungstag vorläufig eingewiesen. Unter anderem hatte er gedroht, die Nachbarn seiner verstorbenen Mutter umzubringen. Das Gericht sah von ihm eine "Gefahr für die Allgemeinheit" ausgehen.

Die Ärztin, die den Angeklagten in Neustadt behandelt, sagte aus, dass sie den Verdacht auf eine wahnhafte Störung diagnostiziert habe. Er bekomme Medikamente, danach bezeichne er seine Gedanken als "geordneter". Der Prozess wird am 26. November fortgesetzt. Dann soll noch mal der psychiatrische Gutachter gehört werden.