Deutsche Invest Immobilien will Reinbeker aus Wohnungen im Berliner Viertel werfen. Gericht weist ersten Fall zurück

Reinbek. Astrid Frank kann es kaum glauben, als sie Anfang August einen Brief öffnet und das Wort "Räumungsklage" liest. Auch Wochen später zittern ihr beim Reden darüber die Hände. "Das ist Wut", sagt die Reinbekerin. Der Vorwurf ihres Vermieters: Sie habe monatelang keine Miete gezahlt, auf Mahnschreiben nicht reagiert. Der Streitwert belaufe sich auf rund 8000 Euro. "Ich wohne seit mehr als zehn Jahren hier und ich habe immer meine Miete bezahlt", sagt Astrid Frank aufgelöst und blättert in einem dicken Aktenordner mit Kopien von Überweisungen und Mahnschreiben.

Die Frau lebt mit ihrer Tochter in einer gemütlichen Drei-Zimmer-Wohnung im Berliner Viertel. Vermieter ist die Deutsche Invest Immobilien, die im Sommer vergangenen Jahres 15 Gebäude mit 174 Wohnungen gekauft hat. Seitdem beschweren sich immer wieder Mieter über schlechte Erreichbarkeit der Verwaltung, nicht behobene Mängel, Schimmel oder doppelte Mietabbuchungen (wir berichteten).

Die Deutsche Invest Immobilien (d.i.i.) gelobte vor einigen Wochen Besserung, versprach umfangreiche Renovierungen und kürzere Kommunikationswege. Doch gerade mit der Erreichbarkeit hapert es offenbar nach wie vor. Nicht nur Astrid Frank versuchte über Wochen hinweg, die Deutsche Immobilien Invest und die von ihr beauftragte Wohnungsverwaltung Gebau GmbH zu erreichen, um über die Räumungsklage und die angeblich nicht bezahlten Mieten zu sprechen. Auch Aysche Akgün (Name geändert) wollte wissen, weshalb sie - sogar ohne Mahnschreiben - plötzlich eine Räumungsklage vom Amtsgericht in der Post hatte. Die Deutsche Invest Immobilien bestätigt auf Anfrage: "Mit Stand 1. September hatten wir elf Räumungsklagen ausgesprochen. Davon wurden vier Mieten mittlerweile bezahlt, und ein Mieter ist zwischenzeitlich verstorben. Die übrigen sechs Klagen sind derzeit noch anhänglich. Drei Räumungsklagen sollen nicht weiter verfolgt werden, wenn die Mieter den Zahlungsausgleich innerhalb der nächsten 14 Tage vornehmen."

Auslöser der Probleme scheint eine falsche Kontonummer zu sein, die die Firma den Mietern im August 2011 nach dem Kauf der Wohnungen im Berliner Viertel angegeben hatte. "Da stehen wir auch zu. Wir haben die Mieter aber zwei Wochen später über die richtige Kontonummer informiert", sagt Immobilienmanager Thomas Settelmayer.

Astrid Frank beteuert, einen solchen Brief nie erhalten zu haben. Sie überwies weiter auf das zuerst angegebene Konto. "Dieses Konto wurde von der d.i.i allerdings Ende 2011 gekündigt, sodass wir darauf keinen Zugriff haben", erklärt die Gesellschaft schriftlich. Wo das eingezahlte Geld geblieben ist, darauf hat die d.i.i. gegenüber dem Abendblatt keine schlüssige Antwort.

Aysche Akgüns Räumungsklage wurde nun vor dem Amtsgericht Reinbek verhandelt - und nach Aktenlage abgewiesen. Die Beklagte konnte beweisen, dass Mieten regelmäßig von ihrem Konto per Dauerauftrag abgebucht wurden. Weder ein Vertreter der Deutschen Invest Immobilien noch deren Rechtsanwalt waren zur Verhandlung erschienen. Zuvor hatte auch Richter Ulrich Fieber vergebens versucht, die Klägerin zu kontaktieren.

Der Hamburger Rechtsanwalt Rasul Özpek, der Aysche Akgün vertreten hat, geht von einer Masche der Deutschen Invest Immobilien aus. "Ich denke, die Räumungsklagen haben System. Das ist alles nur ein Bluff", sagte Özpek nach der Verhandlung. Gerade ältere und ausländische Mieter seien leichte Opfer und könnten leicht mit unbegründeten Mahnschreiben oder Räumungsklagen eingeschüchtert werden. "Wer weiß, wie viele Mieter einfach gezahlt haben oder aus Wohnungen ausgezogen sind, nachdem sie so massiv unter Druck gesetzt worden sind", sagte Özpek. Er könne nur jedem Betroffenen raten, sich an einen Anwalt oder eine Mieterorganisation zu wenden.

Der Geschäftsführer des Lübecker Mietervereins, Thomas Klempau, vermutet jedoch, dass hinter den Klagen, der schlechten Erreichbarkeit und den Problemen mit Kontonummern eher eine Servicewüste als eine ausgeklügelte Masche steckt. "Die Vorgehensweise ist absolut nicht nachvollziehbar. Räumungsklagen sind für die Vermieter auch sehr kostenintensiv", sagt Klempau, "dahinter verbirgt sich vermutlich eher ein riesiges Organisationsproblem." Aus Erfahrung könne er sagen, dass ähnliche Unternehmen am Personal sparen. "Oft sind Buchhaltung und Inkassoabteilung an verschiedenen Standorten, die eine Seite weiß nicht, was die andere tut. Ziel ist einzig eine hohe Rendite, und das zum Ärgernis der Mieter."

Die Deutsche Invest Immobilien erklärte dem Abendblatt auf Anfrage, dass man sich mit Aysche Akgün bereits vor der Verhandlung geeinigt habe und sie die Mietrückstände begleichen wolle. Die Räumungsklage sollte deswegen zurückgenommen worden sein. "Von einer Einigung höre ich zum ersten Mal. Es stimmt nicht. Auch nicht, dass ich die angeblichen Rückstände begleichen will", sagt Akgün.

Während der Abendblatt-Recherchen haben sowohl Aysche Akgün als auch Astrid Frank jeweils einen Blumenstrauß und eine mündliche Entschuldigung erhalten. "Eine Dame von der Verwaltung stand plötzlich vor der Tür und erklärte, dass es der d.i.i. leid tue und es Fehler mit einer Kontonummer gegeben hätte", sagt Frank. Aber die Räumungsklage ist nach wie vor nicht zurückgenommen worden. Morgen soll es vor dem Amtsgericht Reinbek zur Verhandlung kommen. Frank: "Ich bin gespannt, ob jemand von der Klägerseite erscheint."