Ehemaliger Leiter der Thoraxchirurgie in Großhansdorf soll rechten und linken Lungenflügel eines Patienten verwechselt haben.

Großhansdorf. 18 Jahre lang hat er die Thoraxchirurgie des Krankenhauses Großhansdorf geleitet. Nun wird ihm wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung der Prozess gemacht: Chefarzt Dr. Detlev B., 63. Ab Montag hat er sich vor der VII. Strafkammer des Landgerichts Lübeck zu verantworten. B. soll im April 2008 bei einer Lungenoperation die linke statt der rechten Hauptbronchie durchtrennt haben. Der Patient, ein damals 69-Jähriger aus dem Bundesland Niedersachsen, starb noch während der Operation. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Tod durch diesen Kunstfehler hervorgerufen wurde.

B. hat einen Ruf zu verlieren. Der aus dem Oberbergischen Land stammende Arzt ist einer der bekanntesten Brustkorb-Chirurgen in Deutschland. Er hat die Europäische Gesellschaft für Thoraxchirurgie (ESTS) mitbegründet. Sechs Jahre lang, von 1992 bis 1998, war er ihr Generalsekretär. Die ESTS ist heute die weltweit größte thoraxchirurgische Gesellschaft. Sie hat B. im Juni dieses Jahres zum Ehrenmitglied ernannt. In einer Pressemitteilung des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld (EvKB), dessen Klinik für Thoraxchirurgie der Arzt mittlerweile leitet, heißt es dazu: "Den Leistungen des Chefarztes der thoraxchirurgischen Klinik am EvKB wird auf diese Weise internationales Spitzenniveau bescheinigt."

Wie dieses Spitzenniveau mit dem nun schon mehr als vier Jahre zurückliegenden Geschehen im Großhansdorfer Operationssaal zusammenpasst, wird ab Montag im Landgericht Lübeck zu beobachten sein. Die lange Ermittlungsdauer lässt vermuten, dass die Sachlage nicht ganz einfach ist. Günter Möller, der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, erläutert: "Die Ermittlungen haben sich unter anderem deshalb hingezogen, weil Gutachten eingeholt werden mussten." Zu Jahresbeginn sei dann die Entscheidung gefallen, Anklage zu erheben. "Neun Zeugen werden gehört, dazu ein Sachverständiger", sagt Möller. "Wir gehen von vier Verhandlungstagen aus."

Bei der Operation, die bei dem 69-Jährigen damals vorgenommen werden sollte, handelt es sich um einen "durchaus anspruchsvolleren Eingriff", sagt Professor Klaus Rabe, der ärztliche Direktor der LungenClinic, wie das Großhansdorfer Krankenhaus heute heißt. Es ging darum, einen vom Krebs befallenen Teil des rechten Lungenflügels zu entfernen. Warum dabei offenbar statt der rechten die linke Hauptbronchie durchtrennt wurde, ist unklar. Angeblich hatte es vor dem verhängnisvollen Schnitt eine unerwartete Blutung gegeben. Die könnte dazu beigetragen haben, den erfahrenen Operateur zu verwirren. Tatsache ist jedenfalls, dass die beiden Bronchien gut zu unterscheiden sind - abgesehen davon, dass im Operationssaal eigentlich klar sein sollte, ob es um den linken oder den rechten Lungenflügel geht. Die Luftröhre teilt sich an ihrem Ende in zwei Röhren, die zu den Flügeln führen. Diese Röhren, Hauptbronchien genannt, sind unterschiedlich geformt. Die eine ist dick und kurz, die andere dünn und lang.

Das Krankenhaus hat damals sehr rasch auf den Tod im Operationssaal reagiert. "Der Arzt wurde entlassen", erläutert Klaus Rabe, der erst seit Juni 2010 ärztlicher Direktor in Großhansdorf ist und den Fall deshalb nur aus den Akten kennt. Die Sache sei vors Arbeitsgericht gegangen, am Ende habe man sich auf einen Vergleich geeinigt. "Es ist eine ausgesprochen bedauerliche und schreckliche Geschichte, wenn ein Chirurg Fehler macht", sagt Rabe. "Da ist richtig was schiefgelaufen." Nicht nur während der Operation, sondern auch danach. "Die Art und Weise der Kommunikation um das Ereignis herum war suboptimal", so Rabe. Es sei da einiges zusammengekommen, deshalb habe man sich zur Kündigung entschlossen. Mehr will der Krankenhausdirektor zu dem konkreten Fall nicht sagen.

Man habe aber Konsequenzen gezogen. "Wir haben ein Meldemanagement eingeführt, und wir haben jetzt eine Qualitätsmanagerin", sagt er. Ihm sei klar, dass Ärzte nicht unfehlbar seien. "Wichtig ist aber, dass Fehler offen und ehrlich angesprochen werden", findet er. "Sonst setzen wir das Vertrauen unserer Patienten aufs Spiel." In seinem Krankenhaus werden Jahr für Jahr rund 1000 Operationen durchgeführt. "Unsere Fehlerquote ist extrem niedrig", sagt Klaus Rabe.

Der Prozess vor dem Landgericht Lübeck beginnt am kommenden Montag um 9 Uhr im Saal 163.