40 Teams machen bei der Aktion “Stadtradeln“ in Bargteheide mit. Sie verzichten für den Weg zur Arbeit auf das Auto und wollen so CO2 sparen.

Bargteheide. Erich Kalks ist ein Schönwetter-Fahrer. Bei Regen radeln? Nur, wenn's sein muss. Momentan muss es sein. Der Bargteheider muss rauf auf den Sattel, bei jedem Wetter, um ordentlich Kilometer für sein Kollegen-Team zusammenzustrampeln. Seit zwei Wochen macht sich der 59 Jahre alte Export-Kaufmann konsequent jeden Tag mit dem Rad auf den Weg zur Arbeit. Weit ist es nicht. Von der Jersbeker Straße bis zu seiner Firma Getriebebau Nord im Gewerbegebiet sind es gerade einmal drei Kilometer. Aber jeder Kilometer zählt und landet auf dem Konto für die Klima-Kampagne "Stadtradeln".

40 Teams sind an den Start gegangen - der Gesundheit, dem Geldbeutel und vor allem der Umwelt zuliebe: Jeder Kilometer, der nicht mit dem Auto zurückgelegt wird, reduziert den CO2 -Ausstoß rechnerisch um 144 Gramm. Die Verwaltung, die Politik, die Schulen, die Klima-Initiative, alle machen mit. Ein Team mit dem kraftvollen Namen Vitamin ist auch dabei.

+++ Demonstranten fordern mehr Rechte für Radfahrer +++

Das Team von Erich Kalks heißt schlicht Nord. Das liegt angesichts des gemeinsamen Arbeitgebers nahe. "Wir sind aber auch echte Nordlichter", sagt Alrun Thal. "Wir haben die Raute im Herzen", setzt Timo Schwendel noch eins obendrauf. Wie das ausgeht, wird sich zeigen. Das HSV-Team muss kämpfen. Das Team Nord, zu dem auch Christian Eickernjäger und Martin Müller gehören, hat schon gekämpft, gegen Wind und Wetter und den berühmten inneren Schweinehund. Zur Halbzeit der Klima-Aktion hatten die radelnden Kollegen 787 Kilometer auf dem Zweirad-Tacho. "Das entspricht einer CO2-Reduzierung um 113,33 Kilogramm", sagt Alrun Thal. Die 48 Jahre alte Jersbekerin hat jede Menge dazu beigetragen. "Ich bin das Kilometerpferd", sagt sie. Sie fährt nicht nur jeden Tag mit dem Rad die sieben Kilometer zur Arbeit - und das Ganze natürlich auch wieder zurück. Alrun Thal radelt schon seit Jahren vor und nach der Arbeit eineinhalb Stunden durch die Jersbeker Landschaft, mit ihrem Hund an der Seite. "Ich stehe um fünf Uhr morgens auf. Und wenn ich abends meine Rad-Runden gedreht habe, habe ich Feierabend. Das ist so gegen halb neun", sagt die Vertriebs-Sachbearbeiterin. Sie ist früher Rennen gefahren und wird daher beim Stadtradeln von den Herrn Kollegen als Teamleiterin voll anerkannt.

Jetzt heißt es noch eine Woche durchhalten. "Das geht schon. Ich will mich ja schließlich bewegen", sagt Erich Kalks, der auch für kurze Stadtwege das Rad nimmt. Für seinen Geschmack hätten ruhig mehr Kollegen mitmachen können. Genügend Mitstreiter wären da gewesen: Der Fahrrad-Unterstand vor Getriebebau Nord ist voll. "Vor allem die Kollegen in unserem Alter kommen mit dem Rad. Viele wollen Gewicht loswerden und etwas für die Gesundheit tun", sagt Erich Kalks. "Ja, und die meisten jungen Kollegen kommen mit dem Auto", sagt Alrun Thal, "sogar die, die gleich um die Ecke wohnen."

+++ Klimaschutz und Tourismus passen selten zusammen +++

Für den 46-jährigen Timo Schwendel dagegen sind die drei Kilometer zur Arbeit und wieder zurück nach Hause Pflicht. Auch bei Regen tritt er in die Pedale. "Und sonnabends radle ich, um Brötchen zu holen oder um mit den Kindern zum Sport zu fahren", sagt der Projekt-Ingenieur, der wie gesagt die Raute im Herzen hat und auch gern mit den Nachbarn kickt. Topleistungen könnten allerdings gern andere bringen. Er brauche keine Rekorde. Auch nicht beim Stadtradeln. "Es geht mir nicht ums Gewinnen. Radfahren tut einfach gut und motiviert vor der Arbeit", sagt der 46-Jährige. "Und auf dem Weg nach Hause kriegt man den Kopf frei. Außerdem schreiben wir auf, wann wir wo wie viel geradelt sind. Das ist für mich der entscheidende Punkt", sagt Schwendel, der sich sein Verhalten bewusst machen will.

Die Bargteheider Klimaschutzbeauftragte Ulrike Lenz kann dem nur zustimmen: "Natürlich wird nicht effektiv so viel CO2 eingespart, wie jetzt auf dem Kilometer-Konto des Stadtradelns steht. Viele Teilnehmer wären die Strecken auch ohne die Aktion mit dem Rad gefahren." Das ehrlich festzustellen, ist ihr wichtig, trotz aller Begeisterung für die Kampagne. "Aber wenn das Thema dadurch ins Bewusstsein rückt", sagt sie, "dann sind wir weit vorn."

Christian Eickernjäger muss sich schon einen Ruck geben, um jetzt konsequent zu sein. Er gehört wie Kollege Erich Kalks eher zu den Schönwetter-Fahrern. Aber jetzt gilt: Der Arbeitsweg wird per Rad zurückgelegt. Für den 44-Jährigen ist das trotz der Mühe auch ein Stück Lebensqualität. "Ich arbeite seit 20 Jahren bei Getriebebau Nord und bin jeden Tag aus Hamburg mit dem Auto gekommen", sagt der Kontroller. Seit eineinhalb Jahren wohnt er nun in Bargteheide und genießt die kurze Anreise - zurzeit strampelnd.

Für den Frisörbesuch oder kleine Besorgungen nimmt Christian Eickernjäger ebenfalls das Rad. "Das ist viel bequemer." Keine Parkplatzsuche. Kein Stau. "Und keine Spritkosten", wirft Erich Kalks ein. "Ich bin neulich an zwei Tankstellen vorbeigeradelt und habe die Preise gesehen. Das hat mich echt motiviert." Auch als die Rohrbrüche den Verkehr lahmlegten, pfiff er sich eins und zog davon. "Das war schon eine große Genugtuung, mit dem Rad an den Autos vorbei zu radeln."

Martin Müller gehört auch zum Nord-Team. Dass er in den vergangenen Tagen nicht in die Pedale treten konnte, um das Team weiter nach vorn zu bringen, nimmt ihm keiner übel. "Der ist in Singapur hängen geblieben", sagt Alrun Thal, "wegen des Streiks." Ansonsten gibt auch der Elektronik-Ingenieur alles und radelt jeden Tag von Großhansdorf zur Arbeit nach Bargteheide.

Was am Schluss der Aktion herauskommt, wird sich zeigen. Am kommenden Freitag endet die Klima-Kampagne, dann wird abgerechnet. Die Nordlichter sehen das ziemlich gelassen. Rekorde brauchen sie nicht. Und 1500 Kilometer dürften drin sein. Das wäre doch schon was. Und wenn dann auch noch die Sache mit der Raute im Herzen so gut ausgeht, dürften sich die Nordlichter so richtig freuen.