Mediziner wollen ihre Praxen schließen, um im Honorarstreit mit den Krankenkassen ein Zeichen zu setzen. So auch in Stormarn.

Ahrensburg. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat die Verhandlungen im Honorarstreit mit den Krankenkassen gestern abgebrochen. Nun drohen bundesweite Streiks der niedergelassenen Ärzte. Auch in Stormarn könnten Patienten bald vor verschlossenen Praxistüren stehen. Bis gestern Nachmittag gab es zwar noch keinen offiziellen Aufruf der ärztlichen Berufsverbände zu einer Arbeitsniederlegung. Dr. Hans Irmer, Allgemeinmediziner aus Ahrensburg und Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Stormarn, geht aber davon aus, dass es demnächst dazu kommen wird. "Es muss etwas passieren, und es wird etwas passieren", sagt der Mediziner. "Wir möchten unsere Patienten nicht vor den Kopf stoßen, aber wir müssen einfach ein Zeichen setzen."

Laut Honorarbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verdienen niedergelassene Ärzte in Deutschland im Monat durchschnittlich 5500 Euro netto. Der bisherige Verhandlungsstand sieht eine Erhöhung der Honorare um 0,9 Prozent vor. Das würde bedeuten, dass die Praxen ab 2013 durchschnittlich 1800 Euro pro Jahr mehr Geld bekämen. Den Ärzten ist das zu wenig. "Das können wir uns nicht gefallen lassen", sagt Dr. Irmer. "Die Inflation ist deutlich höher als 0,9 Prozent." Hinzu kämen steigende Kosten bei Personal, Energie, Mietzins und medizinischen Produkten.

Dr. Marcus Jünemann, Facharzt für Innere Medizin, Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, würde sich an einem Streik beteiligen - gemeinsam mit seinen beiden Kollegen aus der Gemeinschaftspraxis im Großhansdorfer Ortsteil Schmalenbeck. "Wenn der Aufruf kommt, werden wir unsere Praxis schließen", sagt der Mediziner. "Eine Notfallversorgung werden wir aber aufrechterhalten." Es gehe ihm vor allem darum, sich solidarisch mit den Kollegen zu zeigen, die ihre sinkenden Einnahmen nicht über Privatpatienten ausgleichen könnten. "In Dithmarschen und Flensburg wandern die Ärzte zum Beispiel in Regionen ab, in denen es mehr Privatpatienten gibt. Dadurch ist eine flächendeckende medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet", sagt der 45-Jährige. Die Menschen müssten weite Wege zum Arzt zurücklegen. Dr. Jünemann: "Diese Entwicklung gilt es aufzuhalten. Eigentlich müssten die Patienten auf die Straße gehen und nicht nur die Ärzte."

Was seine Praxis in Großhansdorf betreffe, gebe es bisher aber noch keinen Grund zur Sorge. "Wir haben einen sehr hohen Anteil an Privatpatienten", sagt der Arzt. "Deshalb werden wir so schnell nicht in finanzielle Schwierigkeiten kommen."

Negative Auswirkungen könnte die Entwicklung jedoch für Kassenpatienten haben - und das auch in Großhansdorf. "Zurzeit behandelt jeder Arzt in Schleswig-Holstein im Durchschnitt 800 Kassenpatienten pro Quartal", sagt Dr. Marcus Jünemann. "Einige Mediziner kümmern sich aber bereits um 2000 Patienten, um auf den gleichen Gewinn wie früher zu kommen." Die Folge sei, dass die Ärzte weniger Zeit für ihre Patienten hätten - und das habe Auswirkungen auf die medizinische Qualität und auch auf das persönliche Verhältnis zwischen den Medizinern und ihren Patienten.

Auch Dr. Christiane Siefert ist zu einem Streik bereit. "Wir haben seit 2007 sinkende Einnahmen bei kontinuierlich steigenden Personalkosten", sagt die Allgemeinmedizinerin, die mit zwei Kollegen eine Gemeinschaftspraxis in Glinde betreibt. So seien die Ausgaben für das Personal seit 2007 um 12,5 Prozent gestiegen. Grund dafür sei die größer werdende Zahl an Patienten. Sie ist von 2007 bis 2011 um 15 Prozent gestiegen. "Die Menschen werden älter und damit auch häufiger krank", sagt sie. Zudem ist die Bevölkerungszahl in Glinde in den vergangenen drei Jahren um rund 1500 gestiegen. "Das muss kompensiert werden", sagt Dr. Siefert. "Wir mussten deshalb unser Personal aufstocken." Bisher gingen höhere Ausgaben zu Lasten der Ärztehonorare. Sie sagt: "Wenn die Kosten weiter zunehmen, führt kein Weg daran vorbei, dass wir auch beim Personal einsparen."

Der Reinbeker Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Wolfgang Walter will die Arbeit dagegen nicht niederlegen. "Einen Streik halte ich für übertrieben", sagt er. "Wenn wir weniger Geld bekommen würden, dann würde ich das verstehen. Aber es gibt 1800 Euro mehr. Andere müssen den Gürtel schließlich auch enger schnallen." Generell ist aber auch er der Auffassung, dass eine Erhöhung der Ärztehonorare um 0,9 Prozent zu wenig ist. "Das reicht nicht aus, um die gestiegenen Kosten auszugleichen", sagt Dr. Wolfgang Walter. "Deshalb wäre es auch gut, wenn die Verhandlungen weitergeführt werden würden. Aber es bringt nichts, die Praxen zu schließen und den Arbeitskampf auf dem Rücken der Patienten auszutragen."