Margarete Twenhöven war für drei Wochen in der Wüste. Dort hat die 25-Jährige libysche Flüchtlinge auf ihre neue Heimat vorbereitet.

Bad Oldesloe. Mindestens 45 Grad im Schatten, immer wieder Sandstürme, das nächste Dorf kilometerweit entfernt: In dieser lebensfeindlichen Umgebung mitten in der Sahara liegt das Flüchtlingslager Shousha an der tunesisch-libyschen Grenze. Statt nach Gran Canaria oder in die Türkei zu fahren, hat Margarete Twenhöven, 25, hier den Sommer verbracht. Die junge Frau aus Bad Oldesloe hat drei Wochen in dem Camp als Deutschlehrerin gearbeitet, um die Menschen auf ihre Flucht nach Deutschland vorzubereiten.

"Das Lager ist eine notdürftig errichtete Zeltstadt auf einer tunesischen Militärbasis, direkt an einer Straße, die die Grenze zu Libyen markiert und Hauptroute für den Schmuggel zwischen den beiden Staaten ist", erzählt sie. "Ideale Bedingungen für ein Flüchtlingslager sind das nicht." Dennoch leben genau hier Tausende libysche Flüchtlinge in Notunterkünften - auch noch fast ein Jahr nach dem Sturz des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi. "Die Menschen, die im Camp Shousha Schutz gefunden haben, können trotz der einsetzenden Demokratisierung nicht in ihre Heimat zurückkehren", sagt Twenhöven und erklärt: "Sie alle sind Drittstaatler, hauptsächlich aus sub-saharischen Ländern, sie haben auch schon in Libyen als Ausländer gelebt. Nach dem Sturz des Regimes werden dort alle Fremden pauschal verdächtigt, als Miliz für Gaddafi gearbeitet zu haben und müssen damit rechnen, jederzeit gefangen genommen oder getötet zu werden."

+++ 54 Flüchtlinge im Mittelmeer verdurstet +++

Jetzt nehmen im Rahmen des Resettlement Programms des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) mehrere europäische Staaten einige der Flüchtlinge aus Camp Shousha auf. Deutschland wird zunächst die neue Heimat von 200 Flüchtlingen aus dem Camp werden. Am Montag treffen sie in Hannover ein. Viele der Ankömmlinge hat Twenhöven im Camp unterrichtet. Sie studiert seit September vergangenen Jahres Arabisch in der tunesischen Hauptstadt Tunis. Bekannte haben sie das erste Mal mit in das Lager Shousha genommen.

"Diese Menschen sitzen dort schon ewig fest, zum Teil über ein Jahr. Viele haben Schlimmes erlebt und sind frustriert, da sie nicht wissen, wo sie hingehen sollen", sagt sie. Dass die Menschen momentan wirklich keine Perspektive haben, sehe man daran, dass sie das Camp nicht verlassen haben, obwohl die Zustände zum Teil katastrophal seien. "Wer irgendeine Möglichkeit sieht, woanders unterzukommen, verlässt das Camp. Freiwillig ist hier niemand", beschreibt Twenhöven die Situation.

Das Camp untersteht der UNHCR, die auch die Anreise der Flüchtlinge nach Deutschland organisierte. Trotzdem können sich die Menschen hier nicht sicher fühlen. "Die UN ist zwar präsent, aber nicht, wenn es Probleme gibt," sagt Twenhöven. Ein gutes Drittel des Lagers wurde im vergangenen Jahr abgebrannt. Auch hat es mehrfach Übergriffe des Militärs, das eigentlich für die Sicherheit der Flüchtlinge sorgen soll, auf die Camp-Bewohner gegeben. "Dabei wurde auch auf die Flüchtlinge geschossen", sagt sie. "So human geht es hier trotz der Aufsicht der humanitären Organisationen nicht zu."

Margarete Twenhöven erklärt, warum sie trotzdem bleiben und helfen wollte: "Die Aussicht auf ein neues Leben in Europa war das Einzige, was den Menschen dort ein bisschen Hoffung gegeben hat. Die neue Sprache zu lernen war für die Flüchtlinge nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine psychologische Stütze, die ich in der Lage war ihnen zu geben", erzählt sie. "Also wollte ich das auch tun."

Während die 25-Jährige in Shousha unterrichtete, lebte sie bei verschiedenen Menschen im Camp oder im Nachbardorf. Sie teilte sich die Zelte und das Essen mit den Flüchtlingen. "Einige Familien haben mich aufgenommen wie ihre eigenes Kind", erzählt sie. Während dieser Zeit kam sie auch näher mit den Menschen ins Gespräch und erfuhr ihre bewegenden Geschichten. "Ein Mann erzählte mir von seiner Flucht aus Libyen mit dem Schiff." Als es auf Grund lief, seien wahllos Menschen von Bord ins Meer gestoßen worden, um es leichter zu machen. Auf dem Schiff sei Panik ausgebrochen, da es zu wenig Wasservorräte gab. Trotzdem hätten sich internationale Behörden tagelang darüber gestritten, wer für die Flüchtlinge zuständig sei. "Dass die gesamte Familie von dem Mann die Flucht überlebte ist ein Wunder. Er wird am Montag auch nach Deutschland kommen."

Viele Flüchtlinge mussten in dem Camp zurück bleiben

Aber nicht alle der Flüchtlinge, die sie in Tunesien unterrichtet hat, werden am Montag dabei sein. Es hat vor Ort ein kompliziertes Auswahlverfahren mit Interviews und medizinischen Tests gegeben. Dabei sei es nicht immer fair zugegangen sei, findet Twenhöven. "Zu sehen, dass einige, die sich so viel Hoffnung gemacht haben, in Shousha zurückbleiben müssen, war für mich der größte Schmerz", sagt sie. "An dem Tag als bekannt gegeben wurde, wer nach Deutschland kommen darf, konnte ich keinem, der dableiben muss, in die Augen sehen", ergänzt sie.

Aber auch für die anderen hat das Bangen um die eigene Zukunft noch kein Ende. Die Flüchtlinge werden nach einem bestimmten Schlüssel auf verschiedene Regionen in Deutschland verteilt und hauptsächlich in Gemeinschaftsunterkünften und Asylbewerberheimen untergebracht. Die Aufenthaltsgenehmigung wird zunächst für maximal drei Jahre erteilt. Danach wird neu entschieden. Zwar ist das Resettlement Programm darauf ausgelegt, dass die Flüchtlinge dauerhaft in Deutschland bleiben können. "Sicher sein kann sich aber niemand", sagt Margarete Twenhöven. Im September fährt sie wieder nach Tunesien um ihr Studium fortzusetzen. Bei den Zurückgebliebenen im Camp Shousha will sie auf jeden Fall vorbeischauen.