Wer nach der Schwangerschaft fit werden will, muss sich bewegen. Wer zum Buggy Workout geht, amüsiert auch seinen Nachwuchs.

Großhansdorf. Gruppensport im Wald hat viele Vorteile und einen Nachteil: Nach der Hälfte erschöpft aufhören geht nicht, denn wer sich nicht auskennt, findet allein kaum zurück aus dem Wald. Aber an diese Problematik denkt am Anfang noch keiner.

Es ist 10 Uhr. Sechs Mütter haben sich in Großhansdorf am Eingang zum Wald getroffen, jede mit Kind und Kinderwagen. Wer modern ist, nennt sein Gefährt "Buggy" und rechtfertigt dadurch den Namen des Kurses: "Buggy Workout". Das klingt besser als "Gymnastik mit Kinderwagen."

Mirjam Raeder, die Kursleiterin, kommt ebenfalls mit Wagen. Darin liegen Hanteln und eine Teilnehmerliste. Ihre eigenen Kinder, zwei Jungs, sind sieben und fünf. In dem Alter haben Kinder vermutlich anderes zu tun, als Mami beim Sport zu beobachten. Die anderen sind zwischen acht Monate und zwei Jahre alt und gucken ganz belustigt - das ist frei interpretiert, ausgesprochen hat das keiner.

Zu Beginn wärmen sich die Mütter auf, atmen, strecken, dehnen. Wer je in einem Fitnessstudio einen Bauch-Beine-Po-Kursus besucht hat, wird das kennen. Auf dem Waldboden die Balance zu halten, ist schwerer als auf Turnhallenplastik, das ist die erste Erfahrung. Die zweite ist, dass im Wald keiner Musik abspielt, damit die Teilnehmerinnen die Arme gleichzeitig schwenken. Ab und zu machen ein paar Vögel Geräusche.

"Hier geben die Kinder den Takt an", sagt eine der Mütter. Stimmt, wenn jemand quengelt, darf die betreffende Mutter Pause machen. Noch ist die Stimmung aber gut. "Jetzt fassen wir den Griff des Kinderwagens, nicht vergessen: Die Handflächen zeigen nach oben", sagt Raeder. Die Sporthaltung.

Wer also Mütter mit Kinderwagen sieht, erkennt den Unterschied zwischen Sport und Spaziergang künftig an der Handhaltung. Oder an den Ausfallschritten, mit denen sie den Kinderwagen nach vorne bewegen. Wann welches Knie tief gehen soll, sagt Kursleiterin Mirjam Raeder an.

Seit April leitet Raeder Buggy Workouts und "Fitness im Wald"-Kurse für die Familienbildungsstätte Großhansdorf, einer Einrichtung des dortigen Ortsverbandes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Zudem arbeitet sie als Polizistin in Teilzeit in Hamburg.

Auf die Idee, Sport mit Kind anzubieten, ist sie durch ihre Söhne gekommen. "Nach meiner zweiten Schwangerschaft hatte ich die Möglichkeit, zur Mama Fitness zu gehen, also Sport zu machen, und meinen Sohn mitzunehmen", sagt sie. "Bei den Übungen am Boden hat er mit mir gekuschelt, das war eine ganz innige Zeit." Während sie in Elternzeit war, habe sie dann ihren Trainerschein gemacht, Lizenzstufe C. "Über Buggy Workouts habe ich mich dann selbst informiert, es gibt zu dem Thema viel zu lesen." Wichtig ist ihr, dass alle Teilnehmerinnen die Rückbildungsgymnastik abgeschlossen haben. "Nach der Geburt muss der Beckenboden erst wieder stabilisiert werden, die Rückbildung dauert etwa drei bis vier Monate." Für alle, die noch nie schwanger waren, folgt ein kleiner Exkurs: Durch Rückbildungsgymnastik soll die Beckenbodenmuskulatur gestärkt werden. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, möglichst schnell wieder in den alten Bikini zu passen. Rückbildungsgymnastik kann Inkontinenz vorbeugen. Und warum das eine gute Sache ist, muss hier nicht erklärt werden.

Bei allem müssen die Mütter vorsichtig sein, denn: "Sie wollen sich ja etwas Gutes tun, und sich nicht verletzen", sagt Mirjam Raeder. Auch bis wieder mit dem Joggen angefangen werden kann, dauere es schließlich. "Man muss Heidi Klum nicht alles nachmachen."

Jene ist beim Buggy Workout in Großhansdorf ohnehin eher nicht vorstellbar. Zumal sie sich vermutlich keine Gedanken um Kinderbetreuung machen muss. Für alle anderen Mütter dürfte das ein großer Vorteil sein: Sie können Sport machen und das Kind mitnehmen. Der Nachteil am Vorteil: So ein Kinderwagen ist mit Kind natürlich schwer. Wer nicht weiß, wie viel so ein Kind wiegt: mit 18 Monaten um die zehn Kilogramm. Das ist viel, wenn man es plus Wagen über Tannenzapfen und Stöcke und überhaupt Waldboden schieben muss.

In Mirjam Raeders Kursus kommt eine Mutter sogar mit ihren beiden Kindern, Mathilda, zwei Jahre, und Pauline, ein Jahr alt. Der Wagen ist groß, zwei Kinder sind vermutlich ziemlich schwer. Aber die Mutter ist so fit, dass sie nicht angestrengter aussieht, als alle anderen. Wer denkt "es kann ja nicht so anstrengend sein, einen Kinderwagen durch die Gegend zu schieben", ist hiermit aufgefordert, es doch mal zu versuchen. Die Übungen gehen ja nicht nur im Wald und nicht nur mit Kinderwagen. Sie können auch Ihren Rasenmäher nehmen und im Ausfallschritt durch Ihren Garten schieben. Viel Freude dabei!

Abseits des Muskeltrainings wird die Aktion richtig unangenehm nur durch neugierige Nachbarn. Auch im Wald schauen die Spaziergänger etwas verwundert. Es sieht aber sicher auch merkwürdig aus, wenn sechs Kinderwagen in Kolonne hintereinander her fahren, einer plötzlich zum Überholen ansetzt und an den anderen vorbei zieht. Oder wenn die Mütter auf einem Baumstamm den Trizeps trainieren. "Schau mal Lucky, dein Lieblingsbaum ist besetzt", sagt eine Dame zu ihrem Beagle, der etwas irritiert scheint. Irritation auch auf dem Baum: "Du willst doch eh noch ein drittes Kind, dann ist das hier doch vergebene Liebesmüh", sagt eine Mutter zur anderen.

Aber eigentlich ist die Stimmung gut. Auch bei den Kindern. Vor allem, wenn die Mutter Proviant eingepackt hat. Ein Kind isst Salzstangen, ein anderes Brötchen. Brötchen? Moment. Brotkrümel haben doch schon Hänsel und Gretel aus dem Wald geholfen. Vielleicht gibt es eine Spur nach Hause? Aber als einzige nicht durchhalten ist armselig. Also noch eine Kniebeuge.

Gut für Po und Schenkel

Die Teilnehmer des Buggy Workouts gehen nicht einfach durch den Wald. Sie gehen schnell. Und schwenken dabei immer je einen Arm. Oder machen Ausfallschritte. Diese Übung ist gut für das Gesäß und die Oberschenkel. Wichtig ist eine aufrechte Haltung. Wer mit Kinderwagen trainiert, hält den Griff fest, die Handflächen zeigen nach oben. Nun macht eines der Beine einen Schritt nach vorn. Das andere bleibt in der Ausgangsposition, das Knie senkt sich langsam und bremst kurz vor Berühren des Bodens ab.

Gut für die Bauchmuskeln

Auf einem Bein balancierend heben die Teilnehmerinnen ihr linkes Bein seitlich mit gebeugtem Knie an, bis es etwa auf Hüfthöhe ist. Gleichzeitig wird der zuvor nach oben gestreckte linke Arm neben dem Körper zum Knie geführt. Streckt sich der Arm, wird auch das Bein gestreckt, der Fuß berührt den Boden dabei nicht. Nach einigen Wiederholungen wird die Körperseite gewechselt. Diese Übung formt sowohl Oberschenkel als auch die Arme. Und die seitlichen Bauchmuskeln werden ebenfalls trainiert.

Gut für straffe Beine

Wer sein Gleichgewicht trainieren und gleichzeitig seine Beine straffen möchte, macht Folgendes: Auch hier ist die Ausgangsposition ein gerader Stand. Heben Sie langsam ein Bein angewinkelt in die Luft. Nun das Bein strecken und Beugen. Zusätzlich können noch Hanteln eingesetzt werden. Die Handflächen zeigen gen Himmel, die Hände umfassen die Hanteln. Dann werden die Unterarme Richtung Körper, die Handflächen Richtung Schulter geführt. Nach einigen Wiederholungen wird das Bein gewechselt.