1993 wurde in Ahrensburg eine Geschäftsfrau erdrosselt – 19 Jahre später muss sich nun ein 47-Jähriger in Lübeck vor Gericht verantworten.

Ahrensburg/Lübeck. 19 Jahre lang sah es so aus, als sei im Juli 1993 in Ahrensburg das perfekte Verbrechen gelungen. Damals wurde eine 49 Jahre alte Geschäftsfrau in ihrem Haus erdrosselt, die Leiche im Kleiderschrank versteckt. Vom Täter fehlte jede Spur (wir berichteten). Doch seit Freitag steht der mutmaßliche Täter nun doch in Lübeck vor Gericht. Ein Vergleich seines genetischen Fingerabdrucks mit DNA-Spuren an der Kleidung der Toten hat den heute 47-Jährigen auf die Anklagebank gebracht. Doch der Angeklagte schweigt.

Mit ausdruckslosem Gesicht hörte er zu, wie Staatsanwältin Ulla Hingst die Anklage verlas. Demnach soll er in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1993 seine Bekannte nach einer heftigen körperlichen Auseinandersetzung erdrosselt und den leblosen Körper in den Kleiderschrank in ihrem Schlafzimmer gepackt haben. Ob die 49-Jährige da schon tot war, steht nicht fest. Auf jeden Fall habe er ihren Tod billigend in Kauf genommen, heißt es in der Anklage, die dem 47-Jährigen Totschlag vorwirft.

Der Lebensgefährte der Toten hatte die Leiche entdeckt, als er am Abend des 17. Juli von einem Tauchausflug nach Ahrensburg zurückkam. "Er erschien am Abend bei uns auf der Wache und sagte, er habe seine Lebensgefährtin nicht zu Hause angetroffen und habe sie auch den ganzen Tag nicht erreicht, deshalb mache er sich Sorgen", sagte ein inzwischen pensionierter Polizeibeamter als Zeuge aus. "Ich habe ihn beruhigt und ihm gesagt, es sei ja noch kein Grund zur Sorge, wenn jemand mal nicht zu erreichen sei", sagte der Zeuge weiter. Kurz nach Mitternacht seien er und sein Kollege dann zu der Doppelhaushälfte an der Straße Vierbergen gerufen worden. Dort hatte der Lebensgefährte inzwischen die 49-Jährige tot im Kleiderschrank gefunden.

Zuvor hatte er seine Freundin, mit der er eigentlich in Kürze zusammenziehen wollte, in der Nachbarschaft gesucht. Die verwitwete Geschäftsfrau galt als gesellig und lebenslustig. "Ihr Lebensgefährte berichtete, dass sie sich trotz der festen Beziehung zu ihm auch mit anderen männlichen Bekannten getroffen habe", sagte der pensionierte Polizist im Zeugenstand. Bei seiner verzweifelten Suche fragte der Lebensgefährte auch in einer benachbarten Gaststätte nach seiner Freundin. "Die Wirtin antwortete, in der Gaststätte sei sie nicht gewesen und riet ihm, doch mal im Kleiderschrank nachzusehen", zitierte eine Polizistin aus dem Vernehmungsprotokoll von 1993. Unklar blieb am Freitag, ob das ein Scherz oder ernst gemeint war.

Bei der Untersuchung des Tatortes wurde den Ermittlern schnell klar: Die Geschäftsfrau muss den Täter freiwillig ins Haus gelassen haben. "Es gab keine Einbruchsspuren, auf dem Tisch im Wohnzimmer standen eine Bierflasche und ein halb volles Glas Sekt", sagte eine Kriminalbeamtin, die den Tatort dokumentiert hatte, am Freitag aus. Über eine Flasche Gin in der Küche habe sich der Lebensgefährte allerdings gewundert. "Den trinkt sie nie, hat er gesagt", so die Zeugin. Im Wohnzimmer lagen Zeitungen und Zeitschriften, auf dem Wohnzimmertisch stand die Handtasche des Opfers. Im Flur stand noch eine Tüte mit Einkäufen. Die 49-Jährige hatte - das belegen Kassenzettel und Kreditkartenabrechnungen - einen Tag vor ihrem Tod noch einen ausgiebigen Einkaufsbummel in Hamburg unternommen, hatte Kosmetikartikel, vier Armbänder und neue Handtücher gekauft. Eine Nachbarin, die mit ihrem Hund spazieren ging, hatte damals ausgesagt, sie habe die Geschäftsfrau nach Hause kommen sehen.

Doch was am 17. Juli geschah, blieb auch am Freitag im Dunkeln. Ein weiterer Kripobeamter berichtete in seiner Zeugenaussage von der Beobachtung eines Nachbarn. "Der hatte am Nachmittag des 17. Juli einen dunklen Kombi mit zwei Männern vor der Doppelhaushälfte beobachtet. Der Beifahrer hatte nach Aussagen des Nachbarn an der Haustür der Frau geklingelt und war nach kurzem Gespräch eingelassen worden", sagte der Polizist aus. Ob in der Folgezeit geklärt werden konnte, wer die Männer waren, kam am Freitag jedoch nicht zur Sprache.

Auch über den Angeklagten und seine Beziehung zu der Toten erfuhren die Zuhörer im Gerichtssaal zunächst nur, dass er aus Hamburg stammt, zuletzt in Siek gelebt hat und seit dem Februar 2011 in anderer Sache in Strafhaft sitzt. Er hatte 2010 seine Freundin angegriffen und war deshalb zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt worden. Wegen dieses Verbrechens war seine DNA in der Datenbank des Landeskriminalamtes (LKA) gespeichert. Ein routinemäßiger Vergleich alter DNA-Spuren mit den im LKA-Computer gespeicherten führt Ende 2010 zu einem Treffer.

Der Prozess, in dem der Sohn der Toten als Nebenkläger auftritt, wird am 4. September fortgesetzt. Das Urteil gegen den mutmaßlichen Täter wird für Ende November erwartet.