Der frühere Bildungsforscher Lutz Reuter übernimmt den Vorsitz des Ahrensburger Marstallvereins von Eckhard Kohls, der nun nach Bremen geht.

Ahrensburg. Der Ahrensburger Verein Kulturzentrum Marstall am Schloss hat einen neuen Vorsitzenden: Lutz Reuter. Der frühere Professor für Bildungsforschung übernimmt die Geschäfte von Eckhard Kohls, der siebeneinhalb Jahre lang die Geschicke des Kulturzentrums geleitet hat, jetzt aus privaten Gründen nach Bremen geht und sich aus dem Ehrenamt zurückzieht. Kohls sagt: "Das fällt mir nicht leicht. Aber es ist eine enorme Entlastung für mich, dass wir einen solchen Nachfolger gefunden haben." Warum hat Lutz Reuter die Aufgabe übernommen? Welchen Kulturbegriff hat er? Was möchte er erreichen? Die Regionalausgabe Stormarn hat mit dem neuen Mann an der Spitze gesprochen.

Hamburger Abendblatt: Sie waren zuletzt Interimspräsident der Universität Flensburg. Jetzt übernehmen sie den Marstallverein. Da müssen Sie ihren Führungsstil sicher grundlegend ändern.

Lutz Reuter: Überhaupt nicht. In der Universität kann man längst nicht mehr wie ein Mufti von oben Wahrheiten verkünden. Das geht auch dort nur über das Gespräch, über die Kooperation und das Austauschen von Ideen.

Aber ein Professor redet gern und viel.

Reuter: Stimmt. Eine Berufskrankheit. Ich nenne das professionelle Deformation. Das hängt damit zusammen, dass wir ständig Statements abgeben müssen. Also fragen Sie lieber.

Gut. Kurze Frage, kurze Antwort bitte: Brauchen wir Kultur?

Reuter: Ja (Pause, lacht)

Das war etwas zu sparsam.

Reuter: Kultur ist ein unverzichtbarer Ausdruck menschlicher Selbstentwicklung. Das geht nicht nur zu Hause im stillen Kämmerlein, sondern im Austausch mit anderen, wie im Marstall.

In der Politik wird das oft anders gesehen. Der jüngste Ahrensburger Sparbeschluss ist noch nicht so lange her.

Reuter: Das ist leider nicht nur in Ahrensburg so. Ich erwarte von der Stadt, dass es beim Zuschuss von 80 000 Euro bleibt. Der Marstall erwirtschaftet zwei Drittel seiner Ausgaben selbst. Das muss man erst einmal schaffen.

Trotz der Subventionen ist Kultur oft nicht für alle erschwinglich.

Reuter: Im Marstall schon. Deswegen werden wir dem Vorschlag der Stadt, Eintrittspreise für alle Veranstaltungen zu nehmen, auch nicht folgen. Wir wollen nicht eine weitere Schwelle aufbauen. Mein Ziel ist es, die Mitgliederzahl von jetzt 360 auf 400 zu erhöhen und ganz viele Menschen einzubinden. Auch aktiv, mit Diskussionsveranstaltungen. Mein Kulturbegriff geht eben nicht dahin, einfach nur etwas zu konsumieren, sondern selbst zu gestalten. Diese Marstall-Angebote möchte ich ausbauen. Ein Kulturzentrum kann viel mehr machen als die schönsten Museen in New York oder Los Angeles.

Jetzt sind Sie Vorsitzender und müssen von Amts wegen in den Marstall. Waren sie vorher auch schon Gast?

Reuter: Andauernd. Ich hab' schon geflachst, dass ich hier ein Bett bräuchte. Ich gehe gern zu den Konzerten von Jazz-Lite. Und die Reihe "Literatur Live" finde ich auch Klasse. Auch weil es eine Kooperation von Marstall, der Weinhandlung 20Wines und der Buchhandlung Stojan ist. Es kommt ja nicht darauf an, dass wir alles allein machen. Wir wollen ein tolles Programm anbieten. Und das geht gemeinsam besser.

Was gefällt ihnen noch?

Reuter: Wenn Horst Schroth oder Gottfried Böttger auftreten. Es ist schön, dass wie solche Leute hier haben. Es ist überhaupt fantastisch, welche kulturellen Schätze Ahrensburg zu bieten hat - oder hatte. Ich war erschüttert, als ich beim Zuzug hörte, dass die Stadt es sich geleistet hatte, das Torhaus des Schlosses abzureißen. Und im Marstall war mal ein Teppichlager! Zum Glück hat sich das geändert. Jetzt habe ich den Vorsitz übernommen und bin Opfer des Marstalls geworden (lacht).

Mussten Sie lange überlegen?

Reuter: Nein. Herbert Woodtli vom Marstall-Vorstand ist ein alter Freund von mir. Er hat mich gefragt. Und ich habe am selben Abend schon gesagt: Ich könnte mir das gut vorstellen.

Ein solches Ehrenamt kostet viel Zeit.

Reuter: Ja. Aber ich habe Zeit. Deswegen hatte ich ja auch keine Ausrede (lacht). Im Ernst. Ich hatte einen spannenden, selbst bestimmten Beruf mit Gastprofessuren in Amerika, China und Südafrika. Es ist angemessen, der Gesellschaft jetzt etwas zurückzugeben.

Machen Sie selbst Theater oder Musik?

Reuter: Nein. Über Flöte in der Schulzeit bin ich nicht hinausgekommen. Aber ich habe gezeichnet, denn eigentlich wollte ich Architekt werden. Aber dann habe ich Jura, Politik und Erziehungswissenschaft studiert. Ein sicheres Drei-Bein. Da kommt man nicht so schnell ins Wackeln. Und die Architektur ist ein herrliches Hobby.

Meinen Sie, dass Sie als Marstall-Chef dazu noch kommen werden.

Reuter: Ganz bestimmt. Wir haben Arbeitsteilung. Ansonsten bin ich als Architektur-Liebhaber im Marstall genau richtig, mit der Verbindung von neuer und historischer Architektur. Es macht jedes Mal Freude, hier reinzukommen.