Beim dritten Reinbeker Festival-Konzert verband sich fernöstliche Lyrik mit europäischer Musik

Reinbek. Der Mond war der Held an diesem Abend. Neunmal trat er auf - besungen als Freund, als Sehnsuchtsplanet, als verliebter Träumer und als Bote einer fernen Welt. Gleich im ersten Lied zog er seine Bahn und beleuchtete fortan die Szenerie in all den zauberhaft vertonten chinesischen Gedichten, die im Festsaal des Reinbeker Schlosses erklangen - von der Sopranistin Fan LinLin durch die Lüfte geschickt. Jahrtausende alt und aus dem fernen Osten stammend, kündete diese Poesie seltsam vertraut von Dingen, die die Menschen überall auch heute noch bewegen: von Hass und Krieg, aber vor allem von der Liebe.

"Hinter dem seidenen Vorhang", so lautete die Überschrift des in dieser Saison letzten Konzerts des Schleswig-Holstein Musik Festivals in Reinbek. Ein anspruchsvolles Programm wurde geboten: mit Liedern von Walter Braunfels, Egon Wellesz, Rolf Liebermann, Fanny Mendelssohn-Henkel, Othmar Schoeck, Johannes Brahms und Fritz Reuter. Wer im Publikum hatte ihre Musik wohl schon einmal gehört? Und wer vorher die Nachdichtung chinesischer Lyrik eines Wang-Seng-Yu aus dem Jahre 600 vor Christus oder eines Schi-King, der zwischen dem zwölften und dem siebten Jahrhundert seine Gedichte mit der Feder zu Papier brachte.

Die Massen lassen sich mit einem solchen Programm nicht locken. Aber die, die gekommen waren, lauschten und applaudierten - vor Begeisterung auch da, wo Schweigen vielleicht besser gewesen wäre. Vom Publikum getragen, und einfühlsam und technisch brillant am Klavier von Sibylle Höhnk begleitet, konnte die Sängerin die ineinander verwobene Poesie von Ost und West entfalten, bereichert von Maren Eggert, die im Wechsel mit der Musik chinesische Gedichte und zwei parabelhafte Geschichten vorlas. Auch hier schrumpfte die Entfernung zwischen Abend- und Morgenland.

Wie sich "Der Schmeichler" seine Vorteile verschafft, indem er das Geräusch eines entweichten Winds als liebliches Lautenspiel bezeichnet und den Geruch mit dem von Moschus und Orchideen vergleicht, ist von der Methode her auch im Westen bekannt. Als Maren Eggert vom "Ruf der Phönixflöte" erzählte, wurde es ganz still im Saal. Die um 1600 aufgeschriebene Geschichte erzählt von einem Flötenspieler, der durch Unbedachtheit die Liebe verspielt. So artifiziell das Programm auch war, diese menschliche Botschaft verstand jeder im Saal.

Vielleicht sind sich Deutsche und Chinesen näher als man denkt? Das könnte eine Erkenntnis des Abends gewesen sein. Die chinesische Sopranistin Fan LinLin überzeugte jedenfalls, und das nicht nur musikalisch. Ihre Offenheit und Fröhlichkeit war so gar nicht zurückhaltend asiatisch und gewährte nach dem künstlerischen auch einen bezaubernden menschlichen Blick hinter den seidenen Vorhang.