Bank-Geheimnisse: Wir treffen Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Hans-Heinrich Dyballa, langjähriger Leiter der Ahrensburger Förderschule.

Reinfeld. Lehrer geworden ist Hans-Heinrich Dyballa, weil er es besser machen wollte. Besser als sein alter Deutschlehrer, mit dem den Lübecker Schüler einst eine Hassliebe verband. "Eigentlich hatte ich gehofft, nach drei Jahren einen anderen Lehrer zu bekommen. Doch blieb ausgerechnet dieser mir erhalten", erinnert sich Dyballa und lacht. Und so beschloss er nach seinem Abitur 1970, sich an der Hamburger Universität zum Grund- und Realschullehrer ausbilden zulassen. "Ohne diesen Lehrer hätte ich vielleicht etwas ganz anderes gemacht", sagt Dyballa. Und dann wäre der Sonderpädagoge wohl nie zu seinem Lebensthema gekommen: der Inklusion.

"Sie bedeutet eine Chance der Vielfältigkeit für alle", sagt Dyballa. Idealvorstellung sei dabei, dass sich ein Hochbegabter und ein Schüler mit Lernschwierigkeiten zusammensetzten. "Der eine erklärt, der andere kapiert", so Dyballa. Inklusive Bildung soll Ausgrenzung vermeiden. Förderschüler werden gemeinsam mit anderen Schülern an Regelschulen unterrichtet. Dyballa hebt die Stimme und sagt: "Schüler können viel mehr voneinander lernen als von einem Lehrer." Seinen weiteren beruflichen Werdegang könnte man als Versuch der Annäherung an dieses Idealbild beschreiben.

Seine erste Station war ab 1974 die Schule Am Kurpark in Bad Oldesloe. "Damals wurden dort lernbehinderte Schüler unterrichtet", sagt Dyballa. Zunächst, so gibt er heute zu, habe er Bedenken gehabt. "Ich habe damals das Angebot bekommen und dachte: Das wird eine harte Nummer." Dennoch sagte er zu. Bis zu seinem zweiten Staatsexamen 1978 habe er "Blut geleckt". Dyballa: "Ich habe gemerkt, was für eine Bereicherung die Arbeit für mich ist." Er hängte zwischen 1980 und 1985 ein Fernstudium an, um sich als Sonderpädagoge ausbilden zu lassen.

Schon damals wollte Dyballa neue Wege gehen. Der übliche war damals Exklusion statt Inklusion oder Integration. Der Reinfelder erinnert sich: "Auffällige Kinder mussten einen Test machen, ob sie sonderpädagogisch betreut werden müssen. Fiel der Test entsprechend aus, wurden sie aus den Regelschulen herausgenommen." Die Folgen dieser Politik kritisiert Dyballa vehement: "Die Kinder wurden somit an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Überall haben die Kinder das gespürt." Das habe sich allein an dem Wort Sonderschule gezeigt. "Es wurde abwertend benutzt. So konnten die Schüler natürlich kein Selbstbewusstsein entwickeln", sagt der Pädagoge. Bereits Anfang der 80er-Jahre begann Dyballa an der Oldesloer Schule damit, Kinder von der Sonderschule wieder in die Regelschule zu integrieren und begleitete sie dabei.

Spätestens seit dem 1. August 1987, als Dyballa Direktor der Ahrensburger Fritz-Reuter-Schule wurde, beschritt er dann noch konsequenter den Weg der Inklusion. Bestes Zeichen für seinen Erfolg dabei ist die Auflösung der Schule in diesem Jahr. Ab dem kommenden Schuljahr werden alle Förderschüler in Regelschulen unterrichtet, ihre alten Lehrer begleiten sie und betreuen sie in ihrem neuen Umfeld weiter.

Dass es trotz dieses Teilerfolgs noch viel zu tun gibt, liegt für Dyballa nicht so sehr am Geld, sondern vielmehr an der Gesellschaft. "Die misst den Schulabschlüssen eine zu hohe Bedeutung bei", sagt der 60-Jährige. Das liegt für ihn an der Überbetonung von theoretischen Anforderungen an Schulabgänger und Lehrlinge in der Berufswelt. Dabei zeige seine Erfahrung, dass die Schüler des Fritz-Reuter-Förderzentrums trotz theoretischer Schwächen in der Praxis versiert seien. "Wenn wir den Schülern des Förderzentrums Betriebspraktika vermittelten, haben wir stets positive Signale bekommen", sagt der ehemalige Schulleiter. Groß sei dabei auch die Bereitschaft der Unternehmen in Ahrensburg und Umgebung gewesen, Praktika anzubieten.

Ein Umdenken wünscht sich der Reinfelder bei der Bewertung der Schüler. Die Dominanz der Zahlen will Dyballa brechen. Er sagt: "Ein Bericht über die Fähigkeiten ist viel aussagekräftiger als eine Zahl." Die verbale Beschreibung könnten auch die Fertigkeiten und Fähigkeiten des betreffenden Schülers herausarbeiten. "Zahlen sind doch keine vergleichbare Bewertung", meint der Pädagoge. Berichtszeugnisse seien für alle aussagekräftiger.

Nach der Auflösung der Fritz-Reuter-Schule wird der Reinfelder eine neue Herausforderung annehmen. Er wechselt ins Schulamt des Kreises Herzogtum Lauenburg. "Das ist für mich noch einmal die Chance, etwas Neues anzugehen", sagt der 60-Jährige. Seine Rolle sieht er als Vermittler. "Ich werde Netzwerkarbeit zwischen den Kreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg und der Stadt Lübeck machen", sagt er. Er unterstütze die Schulrätin in sonderpädagogischen Fragen. Sie ist eine alte Bekannte. Denn auch Katrin Thomas hat bislang in Stormarn gearbeitet. "Meine Aufgabe ist es, die Schulen weiter zu öffnen für die inklusive Bildung", beschreibt Dyballa seine Position, die im Schulamt neu eingerichtet wird.

Natürlich sei die Fortentwicklung der inklusiven Bildung auch eine Frage der Ressourcen. "Aber Geld ist auch nicht immer das Allheilmittel. Genauso wichtig ist die Einstellung der Entscheider", sagt der Pädagoge. Wirklich Sorgen macht er sich nicht, dass er sich nach all den Jahren im neuen Job wohlfühlen wird. Dyballa: "Ich könnte bestimmt zurück in den Lehrerberuf. Aber ich werde hartnäckig dranbleiben." Und so vermutet er, dass Ratzeburg seine letzte Station vor der Pensionierung sein werde.

Die fürchtet der Reinfelder bei allem Engagement für die Schüler jedoch nicht. "Dann widme ich mich ausgiebig meinen Hobbys: dem Reisen, dem Motorradfahren sowie dem Golfen", sagt er. Und auch für die beiden Enkelkinder wird dann noch mehr Zeit sein. Der enge Kontakt zu ihnen ist ihm wichtig. "Wir sehen uns oft. Für diese intakte Familie bin ich sehr dankbar", sagt er. Das sei keine Selbstverständlichkeit. Dyballas Tochter Ann-Christin und die beiden Enkelkinder wohnen ebenfalls in Reinfeld, Sohn Jan-Christoph lebt in Lübeck. Dyballas Erfolgsrezept bei der Erziehung der eigenen Kinder lautet: "Wir sind füreinander da, haben den Kindern aber auch Freiraum gelassen."