Antonia Thiele und Alexandra Schulz paddelten in sechs Stunden 17 Kilometer auf der Trave von der Herrenmühle bis nach Bad Oldesloe.

Wer auf der Mittleren Trave Kanu fährt, begibt sich drei Mal in Lebensgefahr. Das steht auf den Warnschildern am Flussufer. Aber so ist das, wenn man ein Abenteuer erleben möchte, und deshalb lassen wir uns davon nicht einschüchtern. Die Tour, die wir uns vorgenommen haben, ist etwa 17 Kilometer lang und führt von der Herrenmühle bei Schwissel bis zur Jugendherberge nach Bad Oldesloe.

Ein Shuttle bringt uns von Bad Oldesloe zur Herrenmühle, hier treffen wir uns mit Lothar Krebs, dem Besitzer des Kanuverleihs. Er bringt uns Schwimmwesten, das Kanu und einen Schwamm mit. "Ein Mehrzweckwerkzeug", sagt er. Zum Kanu reinigen nach der Tour. "Und falls Wasser ins Kanu kommt." Außerdem hilft uns Lothar Krebs beim Einsetzen des Kanus in die Trave. Es wiegt 38 Kilo. Zu diesem Zeitpunkt kommt uns das noch gar nicht so schwer vor. Danke, Lothar Krebs. Beim Einstieg weist er uns auf den Rot-Grün-Pegel hin. Fällt der Wasserspiegel so tief, dass die rote Markierung zu sehen ist, sollte man auf diesem Stück nicht fahren. Sonst könnten Tiere und Pflanzen gefährdet werden. Unserer Tour steht aber nichts im Wege.

"Nur für geübte Kanuten" steht in der Tourenbeschreibung. Kein Problem, denken wir, denn schließlich blicken wir beide auf Erfahrung zurück. Immerhin haben wir vor etwa 15 Jahren bei einer Klassenreise die Wakenitz beziehungsweise die Mecklenburgische Seenplatte befahren. Warum Lothar Krebs gelacht hat, als er beim Abschied "das schaffen Sie schon" sagt, verstehen wir nicht. Er hat uns ja ausführlich eingewiesen. Das wichtigste: Das längere Paddel steuert hinten - Stechen, Drehen, Drücken korrigiert den Kurs. Beim Ein- und Aussteigen eine Hand am Ufer behalten, bis man sitzt. Und: keine hektischen Bewegungen. Vorsichtshalber verstauen wir alles, was nicht untergehen darf, in wasserdichten Tonnen. Los geht's.

Kaum kommt die erste Kurve, steuern wir ins Gebüsch. Drehen, Drücken, Steuern - Moment. Stechen, Drehen, Drücken. So war das. Die Klassenreisen sind vielleicht doch schon zu lange her. Kaum fährt das Kanu planmäßig geradeaus, fällt uns auf, wie schön es hier eigentlich ist. Die Trave fließt zwischen Wiesen hindurch, die Sonne scheint, außer läutenden Kuhglocken und zirpenden Grillen ist nichts zu hören. Über dem Wasser flattern Schmetterlinge und blaue Prachtlibellen. Dass wir ganz in der Nähe der Autobahn 21 sind, ist nicht zu merken. Die Strecke sei abwechslungsreich, hatte Lothar Krebs gesagt. Und tatsächlich: Nachdem wir einige Zeit an Feuchtwiesen vorbei gepaddelt sind, kommen wir in einen Erlenbruchwald. Bruchwälder sind, falls Sie das auch nicht wussten, sumpfige Wälder. Für diesen speziellen sind wir dankbar. Denn wir sind an einem der wenigen Tage dieses Sommers unterwegs, an dem man sich über Schatten freut. Weniger hingegen über herunterhängende Äste. Die steuern wir zielstrebig an - trotz Stechen, Drehen, Drücken. Wir kentern trotzdem nicht, denn wir folgen dem Rat, das Boot nicht durch Ausweichen nach rechts oder links aus dem Gleichgewicht zu bringen. Stattdessen legen wir den Oberkörper auf die Knie. Geübte Kanuten eben. Das Paddel verlieren wir trotzdem. "Keine hektischen Bewegungen", hatte Lothar Krebs gesagt. Deshalb sehen wir ruhig zu, wie das Paddel hinter uns zurück bleibt. Wir vertrauen auf die Strömung und warten, bis es uns einholt.

Nach gut einer Stunde erreichen wir die Sühlener Mühle. Lebensgefahr! Weil das Wehr an der Mühle zerfallen ist, kann es nicht befahren werden. Deshalb müssen wir das Kanu ein Stück durch den Wald tragen. Erstmal muss es dafür ans Ufer. Dieses ist hier relativ steil und matschig. Aber richtig anstrengend ist der nun folgende Weg durch den Wald. Lothar Krebs hatte empfohlen, an dieser Stelle Badelatschen zu tragen. Wir empfehlen: tragen Sie gar nichts an den Füßen, sie versinken ohnehin bis zu den Knöcheln im Matsch. Und 38 Kilo Kanu sind ohne Lothar Krebs' Hilfe doch ganz schön schwer.

An der Stelle, an der wir das Kanu wieder einsetzen, hat die Trave laut der Tourenbeschreibung "beinahe Wildwassercharakter". Wir fahren gegen einen Stein. Trotzdem: Es macht Spaß, zur Abwechslung schneller unterwegs zu sein. Kurz darauf: Lebensgefahr, die Zweite. An der Sohlschwelle, eine Art Treppe im Wasser, steht wieder ein Schild. Wir beschließen, erst einmal auszusteigen und uns die Stelle anzu-gucken. Sieht gar nicht so gefährlich aus, und tragen wollen wir das Kanu nicht noch einmal. Wegen des hohen Wasserspiegels ist die Sohlschwelle gut zu befahren. Bis hier sind uns begegnet: drei Traktoren am Flussufer, sechs Menschen, viele Mücken.

Wir fühlen uns gar nicht mehr wie mitten in Stormarn. Um uns herum wachsen Seerosen, Enten schwimmen an uns vorbei und ein Fisch springt aus dem Wasser. Wir sind jetzt etwa dreieinhalb Stunden unterwegs und könnten gut eine Pause gebrauchen. Da wir aber nicht überall anlegen dürfen, um die hier lebenden Vögel nicht zu stören, essen wir im Boot Kekse. Und freuen uns auf den Rastplatz, der bei Nütschau sein soll.

In der Broschüre, die wir vom Kanuverleih bekommen haben, steht, man solle sich zweckmäßig kleiden und an Sonnenschutz denken. Beides haben wir getan, wir haben sogar eine Creme gegen Mücken dabei. Trotzdem werden wir am nächsten Tag einige Stiche entdecken. Und gegen die Spinnen, die sich ab und zu von herabhängenden Ästen ins Boot abseilen, hilft sie leider auch nicht. Was wir vergessen haben, ist eine kleine Kühlbox. So trinken wir also warmes Mineralwasser. Wir fahren weiter. Vor der Stelle, an die wir nun kommen, hatte Lothar Krebs uns gewarnt. An der Sohlschwelle hatte uns der hohe Wasserstand geholfen, hier ist er eher hinderlich. Unter der kleinen Brücke ist nur knapp ein Meter Platz für unser Kanu. Wir haben die Wahl: tragen oder drunter durch. Die Entscheidung fällt leicht, wir ziehen die Köpfe ein - und beugen uns natürlich vorschriftsmäßig nach vorn.

Wir nähern uns der Brücke beim Kloster Nütschau. Hier soll es irgendwo einen Rastplatz geben. Doch wir halten vergeblich nach Schildern Ausschau. Und denken, dass wir uns wohl geirrt haben müssen, vielleicht sollte er nach der Brücke kommen. Erst einmal aber kommt das Brenner Moor und wir denken nicht mehr an den Rastplatz. Das Brenner Moor ist das größte binnenländische Salzmoor in Schleswig-Holstein. Es steht unter Naturschutz und darf abseits der Wege nicht betreten werden. Am Ufer informiert eine Tafel über die Besonderheiten. Jedoch gibt es einen Weg aus Holzbohlen, auf dem Besucher spazieren gehen können. Im Moor wachsen Pflanzen, die wir sonst nur von der Nord- und Ostsee kennen. Grund dafür sind mehrere Salzquellen. Das Moor gehört zum Gebiet der Stadt Bad Oldesloe, wenig später sehen wir die ersten Häuser. Noch immer haben wir keinen Rastplatz gesehen. Lothar Krebs wird uns später erzählen, dass der Rastplatz nicht ausgeschildert ist. Er setze sich seit 1997 dafür ein, dass Schilder entlang der Trave aufgestellt werden, damit das Gebiet für Touristen attraktiver wird. Ein erster Schritt ist bereits gemacht: Seit diesem Sommer gibt es in Hamberge einen Rastplatz, der von der Trave aus zugänglich ist. Leider liegt Hamberge am unteren Teil der Trave und somit nicht auf unserem Weg.

Inzwischen vermuten wir, dass wir an dem Rastplatz vorbei gefahren sind. Denn am Ufer sehen wir Schrebergärten und Menschen. Wir beschließen, trotzdem eine Pause zu machen und legen an einem Steg an, der zu einem Bootsverein gehört. Auf der Wiese packen wir Brot, Äpfel und Käse aus. Und fragen uns, wie weit wir wohl vom Ziel entfernt sind. Plötzlich kommt ein Mann auf uns zu. Bevor er fragen kann, was wir hier machen, fragen wir ihn, wie spät es ist: 18.30 Uhr. Fünfeinhalb Stunden haben wir gepaddelt, sechs sollten wir brauchen. Um 19 Uhr treffen wir Lothar Krebs an der Jugendherberge in Bad Oldesloe, hier holt er sein Kanu ab.

Auch wenn wir froh sind, dass wir den größten Teil der Strecke geschafft haben: richtig erschöpft sind wir nicht. Der Mann sagt, dass wir nur noch eine Viertelstunde bis zur Jugendherberge brauchen. Doch ein Mal Lebensgefahr steht uns bis dahin noch bevor: die Krautsperre. Diese besteht aus quer im Wasser liegenden Baumstämmen, die das im Fluss geschnittene Kraut auffangen sollen. Gut, dass wir sechs Stunden geübt haben, wie man steuert. Denn an der Sperre kommen wir nur am Rand vorbei. Betreten ist lebensgefährlich.

Kurz dahinter liegt die Jugendherberge. Wir sind am Ziel. Nach dem Tag im Kanu fühlen wir uns erholt und zugleich müde, wie nach einem Urlaubstag am Strand. Wir sind überrascht, dass sich so eine fast naturbelassene Umgebung mitten im Kreis Stormarn verbirgt. Die abwechslungsreiche Strecke und die Natur machen das wenig komfortable Umtragen des Kanus wett. Wer mit Kindern fahren möchte, sollte aber vielleicht lieber ab Nütschau starten. Und beachten, dass es auf dieser Strecke weder etwas zu essen oder trinken zu kaufen noch eine öffentliche Toilette gibt.

Doch wir haben es geschafft: Wir fahren unter der Brücke hinter der Jugendherberge durch, links ist der Anlegeplatz. Dort wartet Lothar Krebs bereits auf uns. Er hilft uns, das Kanu über die Brücke zu tragen und auf seinen Transporter zu heben. Plötzlich kommt es uns gar nicht mehr so schwer vor.