Sonnabend-Serie: Das Abendblatt stellt Stormarner und ihre Berufe vor. Heute mit Matthias Wruck, er ist Förster der Fohlenkoppel bei Reinfeld

Reinfeld. "Als Förster lebe ich so ähnlich wie ein Pastor", sagt Matthias Wruck, seines Zeichens Leiter der Försterei Fohlenkoppel bei Reinfeld. Und erklärt, worin die ungeahnte Ähnlichkeit der beiden Berufe besteht: "Es gibt kaum eine Trennung von Arbeit und Privatem. Ich bin immer im Dienst und die Leute sprechen mich zu jeder Tageszeit mit ihren Sorgen an. Und wenn irgendwo ein vergifteter Vogel oder ein totes Rehkitz liegt, dann muss ich eben los, auch wenn ich gerade auf einer Geburtstagsfeier bin".

Wruck, seit fast 30 Jahren Förster und seit zwei Jahren in Reinfeld tätig, will es aber auch nicht anders. Denn sein Job ist sein Traumjob. "Ich wollte als Kind schon Förster werden. Die Entscheidung habe ich noch keinen Moment lang bereut. Auch, wenn man sich natürlich manchmal ärgert", sagt der 56-Jährige, und lacht diebisch – ein bisschen wie ein Pastor, der sich gerade einen Scherz über seinen Boss dort oben erlaubt hat.

6.30 Uhr: Frühstück in der Försterei Fohlenkoppel

Der Tag beginnt früh, in der Försterei Fohlenkoppel – einem gemütlichen Holzhaus im Wald bei Reinfeld, das die Familie von den schleswig-holsteinischen Landesforsten gemietet hat. Matthias Wruck, der seit einer halben Stunde wach ist, sitzt mit seiner Frau Annette am Frühstückstisch. Gegen 7 Uhr verlässt Annette Wruck das Haus Richtung Neumünster. Dort arbeitet sie in der Zentrale der Landesforsten. Sohn Nils schickt sich an, in die Fußstapfen der Eltern zu treten. Der 18- Jährige macht gerade seinen Abschluss an einer Fachoberschule mit der Fachrichtung Forstwirtschaft. Danach will er das Fach studieren. An diesem Tag jedoch schläft er noch, weil er seine Prüfungen schon bestanden hat.

Einzig Tochter Lisa, 21, hat sich für einen anderen Beruf entschieden, sie arbeitet als Immobilienkauffrau auf Sylt. Wruck nimmt sich gerne Zeit, mit ihr zu telefonieren – einer der Vorteile seines Jobs, in dem er sich die Arbeitszeit selbst einteilen kann, wie er sagt. An diesem Morgen allerdings ist es Zeit für den Computer. Wruck geht in das mit Hirschgeweihen geschmückte, holzgetäfelte Arbeitszimmer und wird sich die nächsten beiden Stunden mit einem Programm auseinandersetzen, mit dem schützenswerte Bäume kartografiert werden können. Dabei hilft ihm ein Administrator, der in Neumünster sitzt, per Telefon.

10.30 Uhr: Bäume markieren, zur Sicherheit der Autofahrer

Manchmal muss ein Förster auch an den Straßen für Sicherheit sorgen. Heute ist so ein Tag. In der Nähe der Siedlung Voßkaten, die zu Rehhorst gehört, überprüft er die Eschen, die am Rande der Kreisstraße 75 stehen. Der Grund dafür ist ein Pilz, der derzeit in der Region das "Eschensterben" auslöst. Wruck fürchtet, dass morsche Stämme bei starkem Wind auf die Straße fallen könnten. Also prüft er die Stabilität – mit dem Auge und mit einer Axt, mit der er gegen die Stämme klopft. Bekleidet mit einer orangefarbenen Weste, stapft er im Straßengraben und unterhalb der Böschung umher. Manchmal ist der Fall schnell klar: "Diese Esche werden wir entnehmen", sagt er und markiert den Baum mit roter Sprühfarbe. Eine sogenannte "MFG" wird den Baum in nächster Zeit absägen. Hinter der Abkürzung verbirgt sich das Wort "Mobile Forstwirtgruppe". Ein Team aus drei bis vier Forstwirten. Im 1800 Hektar großen Gebiet der Revierförsterei sind vier solcher Gruppen im Einsatz. Wruck wird später per E-Mail einen Arbeitsauftrag formulieren, der dann an einen Koordinator geht, der in Fahrenkrug bei Bad Segeberg sitzt. Dieser entscheidet, welche MFG den Auftrag bekommt. "Früher hatte jede Försterei noch Angestellte, die jeden Morgen angetreten sind", sagt Matthias Wruck. Doch seit einer Neuordnung der Reviere im Jahr 2008 ist vieles anders.

12 Uhr: Besuch bei den Jungbäumen und beim Hochsitz

Nach einem Kontrollbesuch in einem Gebiet, in dem junge Bäume angepflanzt werden, setzt sich Matthias Wruck wieder in seinen Dienst-Skoda. Es geht zu einem der Hochsitze, die in der Gegend zur Jagd genutzt werden. "Bald kommt eine Jägergruppe aus Dänemark, die das Gebiet nutzen will", sagt Wruck. Den Besuch lässt sich die Försterei bezahlen: So müssen für den Abschuss eines jungen Rehbocks 100 Euro gezahlt werden. Für das Fleisch werden noch einmal Kosten fällig. Es ist, neben dem Holzverkauf, eine der Einnahmequellen, mit der die Forstverwaltung des Landes ihre Kasse aufbessern will. Der Hochsitz, zumindest, wird dem nicht im Wege stehen: "Wenn er mein Gewicht aushält, dann ist er stabil genug. Die dänischen Kollegen können kommen!", sagt Matthias Wruck.

15 Uhr: Schneisen markieren für die Fälltrupps

Nach einem Mittagessen mit Sohn Nils und einem Blick auf die E-Mails ist Matthias Wruck wieder unterwegs. Diesmal geht es zu einem Gebiet, in dem ab September Bäume gefällt werden sollen. Matthias Wruck parkt den Wagen auf einem Waldparkplatz. Jetzt ist die weiße Sprühdose wichtig, die der Förster aus dem Kofferraum holt. Mit ihr werden die sogenannten "Schneisen" im Wald markiert, in dem sich die Fälltrupps und die sogenannten Rückefahrzeuge bewegen dürfen. Es handelt sich um Forstspezialschlepper mit Anhänger, die dann die Stämme abtransportieren werden. Damit die Fahrer dieser Schlepper die weißen Streifen gut sehen können, sprüht Matthias Wruck sie in etwa 2,50 Metern Höhe an. Er benutzt dazu eine spezielle Metallvorrichtung. Und damit die Fahrzeuge nicht stecken bleiben, etwa in einem Graben, achtet Matthias Wruck genau darauf, wo eine Schneise verlaufen darf und wo nicht. Wruck läuft mit schnellem Schritt durch den Wald, taxiert die Bäume kurz, mit geübtem Blick. "Das ist zum Beispiel ein Festmeter Ahorn. Daraus wird Parkett gemacht", sagt der Förster. Auch den geschätzten Preis für das Holz kann er wie nebenher sagen: "80 Euro. Dazu kommen noch ungefähr 50 Euro, für Brennholz, das wir aus der Krone machen".

Die Holzpreise sind derzeit hoch, die Tendenz ist steigend. Ein Hauptgrund dafür, dass Holzdiebstahl "durchaus ein Problem" ist, wie Matthias Wruck sagt. Besonders die Privatleute, die im Wald sägen und lagern dürfen, würden bestohlen. "Ich halte deshalb jedes Auto im Wald an, wenn ich das Gesicht des Fahrers nicht kenne", sagt Wruck. In diesem Revier konnte er aber noch keinen Dieb stellen.

17.30 Uhr: Zeit für die Modellflugzeuge, das Abendbrot und die Ehefrau

Ein zweistündiger Gang durch den Wald liegt hinter Matthias Wruck, sowie ein weiterer Besuch bei einer Erstaufforstung. Jetzt kann sich Matthias Wruck eine Weile seinen Modellflugzeugen widmen – seiner zweiten großen Leidenschaft, neben den Themen des Waldes. Gegen 19 Uhr ist die Bastelei beendet, denn dann kommt Ehefrau Annette nach Hause. Zum Abendessen gibt es Brot. Wild, das durchaus häufiger auf den Tellern der Familie liegt, steht diesmal nicht auf dem Speiseplan.

20.30 Uhr: Matthias Wruck geht noch mal raus. Mit dem Gewehr

Es ist ein gewöhnlicher Holzschrank, der in einem der Räume in der Försterei steht. Matthias Wruck öffnet die Tür – und dahinter kommt noch eine zum Vorschein, diesmal aus massivem Stahl. Die Sicherungsmaßnahme hat einen Grund, denn hinter dem Metall verbergen sich fünf Gewehre. Matthias Wruck nimmt eines heraus, außerdem spezielle Ohrenschützer, die seine Ohren vor dem Schussgeräusch schützen sollen. Denn Matthias Wruck will das Gewehr heute noch benutzen, auf einem etwa zwei Kilometer entfernten Hochsitz. Die Jagd gehört zu seinen Dienstpflichten, denn ein Förster muss auch dafür sorgen, dass es im Wald nicht zu viele Rehe, Damwild, Hasen oder Wildschweine gibt. "Wir übernehmen quasi die Rolle, die der Wolf früher eingenommen hat", sagt Wruck. Im Durchschnitt geht er zwei- bis dreimal pro Woche Jagen. Im Sommer seltener, im Winter und Herbst häufiger. "Es entspannt, auf dem Hochsitz zu sein", sagt Matthias Wruck. Nur, wenn er ein Wild erlegen kann, werde es natürlich spannend. Zur Jagd geht er heute Abend allein – Emma, eine deutsche Langhaar- Hündin, wird erst Ende September wieder zum Einsatz kommen, wenn es zur Treibjagd geht.

Etwa in zwei Stunden wird Matthias Wruck zurückkehren. Dann wird er mit Ehefrau Annette vielleicht noch etwas fernsehen, die Tagesthemen oder eine Sendung, in der der Wald oder das Meer im Vordergrund stehen. Die Natur fasziniert ihn immer – auch dann, wenn sie über den Bildschirm flimmert.