Der Alte Bahnhof hat sich zum Treffpunkt international bekannter Musiker gemausert. Kanadier und US-Amerikaner bewerben sich um Auftritte.

Trittau. Der Anruf kam kurz vor Mitternacht. Er sorgte dafür, dass der ansonsten schwer aus der Ruhe zu bringenden Inhaber der Trittauer Kultkneipe Alter Bahnhof doch ein wenig nervös wurde. "Hi, this is Kevin Kennedy from Hollywood", meldete sich ein amerikanischer Musikagent. Er wolle Auftritte für Melanie Dekker und Thomas Ian Nicholas buchen. Dekker, eine nationale Größe in der Singer-Songwriter-Szene Kanadas, und Nicholas, ein amerikanischer Musiker und Schauspieler ("American Pie", "Halloween") - Bernd Koppe wollte anfangs nicht wirklich glauben, was er da durch den Hörer vernahm. Erst nach einigen Minuten realisierte der 54-Jährige, dass der Gesprächspartner aus Übersee die richtige Nummer eingegeben hatte, wirklich Kontakt zur kleinen Kneipe am Buskreisel im Südosten Stormarns suchte.

Mittlerweile hat sich der Alte Bahnhof in Trittau zu einem echten Geheimtipp innerhalb der Musikerszene in den USA und Kanada entwickelt. "Allein in Austin/Texas gibt es viele hervorragende Musiker, anscheinend sitzen schon mal ein paar nationale Größen bei einem Bier zusammen und unterhalten sich über meine kleine Location", sagt der Gastwirt, nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme.

+++ Erstes Open-Air-Festival im Herzen Trittaus +++

Zur Livemusik sei er gekommen wie die Jungfrau zum Kinde, sagt Koppe. Als Jugendlicher habe er sich für alles interessiert, "was mit Schrift und Papier zu tun hatte". Er begann eine Lehre als Buchdrucker beim Stormarner Tageblatt und arbeitete anschließend lange Zeit in der verlagseigenen Druckerei. Die einen nennen es Midlife-Crisis, die anderen wünschen sich insgeheim, diesen Mut jemals selbst aufgebracht zu haben: Mit Mitte 40 beschloss Koppe, sein Leben radikal zu ändern.

Er kehrte dem Zeitungswesen den Rücken und übernahm das Trittauer Tanzlokal New Pardon. "Nach drei mehr oder weniger erfolgreichen Jahren mussten wir den Laden dichtmachen. Durch Zufall bin ich später an den Alten Bahnhof geraten, damals eine gutbürgerliche Kneipe mit angeschlossenem Billardcafé", sagt Koppe.

Schnell habe er feststellen müssen, dass sich das klassische Kneipenleben doch stark verändert habe. Als das Geschäft mit den Billardtischen nicht mehr lief, kam dem Gastwirt die vermeintlich rettende Idee: Er organisierte Pokerturniere. Aber auch dies verlief nach anfänglich großer Nachfragte im Sande. Nie um einen neuen Versuch verlegen, setzte er auf Bewährtes. Auf etwas, das sich letztlich für ihn auszahlen sollte - die Livemusik. Mit den Lokalgrößen Bin's Friend aus Büchsen und Die Adle Hären aus Rahnsdorf waren die ersten Auftritte schnell gebucht, die beiden Konzerte schon ordentlich besucht.

Es war an einem Sonntagnachmittag, daran erinnert sich Koppe ganz genau. Eine große, dunkelhaarige Frau stand vor seiner Tür, eine Gitarre unter den Arm geklemmt. Elisabeth Lee, eine etablierte Größe in der Clubszene von Austin/Texas. Sie wolle wegen eines kurzen Gigs vorbeischauen, nichts Großes, nur akustisch. Koppe zögerte: "Zuerst wollte ich keine internationalen Musiker, dafür hatte ich das technische Equipment gar nicht." Er ließ sich überreden. Aber er müsse ihr etwas bieten, schoss es ihm durch den Kopf. Er grillte im Garten hinter dem Bahnhof Würstchen und selbst eingelegte Nackensteaks. Das gefiel der Lady. "Mit ihr kam alles ins Rollen, danach ging es Schlag auf Schlag", sagt Koppe.

Die Gästeliste ist mittlerweile lang. Aufgetreten sind der australische Liedermacher Rory Ellis, Demian Domingues, einer der weltweit 200 besten Bluesgitarristen, die New Yorker Country-Musiker Modern Earl, die deutschen Bluesrocker Alex Conti (früher Lake) und Paul Botter (Elephant) oder Hannes Bauer (Udo Lindenbergs Panik-Orchester), um nur einige zu nennen. "Ein Highlight war Patricia Vonne aus Austin, die auf Empfehlung ihrer Freundin Elisabeth Lee nach Trittau kam", sagt Koppe. Vonne ist Country-Musikerin und Schauspielerin. Ihr Bruder ist kein geringerer als Robert Rodriguez, der mit Quentin Tarantino zusammen die Blockbuster "From Dust Till Dawn" und "Kill Bill" auf die Leinwand gebracht hat. Vonne steuerte Songs zur Filmmusik bei und trat in Nebenrollen in Filmen wie "From Dust Till Dawn" oder "Sin City" auf.

Doch was macht den Alten Bahnhof so beliebt bei den Künstlern? Eine Frage, die Koppe so beantwortet: "Die sogenannten Stars werden hier wie Familienmitglieder behandelt. Meine beiden Töchter Julia und Janna bekochen die Musiker. Wir kümmern uns rund um die Uhr um ihr Wohlergehen."

Bei dem ersten Aufeinandertreffen seien viele noch recht zurückhaltend, der Abschied laufe schon freundschaftlicher ab. Bei einer Rückkehr nehme das ganze fast familiäre Züge an. "Wir reden ja nicht von irgendwelchen Nachwuchsbands, sondern von Musikern, die richtig Bock drauf haben, einmal wieder in einem kleinen Club zu spielen", sagt der 54-Jährige.

Wenn nach kurzer Zeit der Funken auf das Publikum überspringe, seien die Konzerte "unglaublich lebendig". Und die ungewohnt enge Clubatmosphäre in Trittau sei für viele Musiker mittlerweile wieder etwas Besonderes. Neil Taylor, Gitarrist von Robbie Williams, kam kurz vor seinem Auftritt an den Tresen, bestellte einen Tequila gegen seine Nervosität. "Ich fragte ihn: Hey, du spielst mit Robbie vor 100 000 Leuten und hier wirst du nervös?" Es sei die extreme Nähe zum Publikum, die ihn etwas unruhig mache, antwortete Neil Taylor auf die Frage.

Neben der Livemusik will Koppe Comedy in Trittau etablieren. "Das Kind soll einen eigenen Namen bekommen und über die Grenzen der Gemeinde hinaus an Bekanntheit gewinnen", so Koppe. Er denke an etwas Vergleichbares wie den Quatsch-Comedy-Club aus Hamburg.

Am 28. Juli geht für den Gastwirt nun ein weiterer Traum in Erfüllung - das erste Open-Air-Festival direkt vor der Kult-Kneipe am Buskreisel (siehe rechts).

Für die Veranstaltungen im Alten Bahnhof gibt es keine Tickets zu kaufen, der Eintritt ist frei. Zwischendurch geht der altbekannte Klingelbeutel herum. "In der amerikanischen Clubszene ist dies ganz normal", berichtet Bernd Koppe. Allerdings entdeckt er beim abschließenden Kassensturz ab und zu auch schon einmal ein paar Centstücke im Beutel. Koppe hofft, dass auch diese "edlen Spender" den künstlerischen Wert irgendwann einmal erkennen und honorieren werden: "Denn wir machen Kultur - und zwar Kultur auf hohem Niveau."