Neues Meldegesetz verunsichert Bürger. Die geplante Novellierung führt zu zahlreichen Anrufen besorgter Menschen in Stormarner Rathäusern.

Reinbek/Bargteheide. Im Reinbeker Bürgeramt klingeln seit Tagen ununterbrochen die Telefone. Grund dafür ist die kontrovers geführte Debatte über eine Änderung des Meldegesetzes, die 2014 in Kraft treten soll. Demnach wird es Unternehmen, die mit Adressen handeln, künftig erleichtert, an die Daten der Bürger zu kommen. "Wir haben etliche Anfragen von besorgten Bürgern, die wissen möchten, was sie tun müssen, um künftig ihre Daten zu schützen", sagt Reinbeks Bürgermeister Axel Bärendorf. Allein in der vergangenen Woche hätten sich 40 bis 50 Bürger wegen der Gesetzesänderung erkundigt, sagt Gabriele Lange, Leiterin des Bürgeramts.

+++ Kommentar: Ein paar Minuten für Datenschutz +++

Langes Kollegin, die Sachbearbeiterin Annette Mrozek, ergänzt: "Teilweise hören wir Vorwürfe wie 'Warum verkauft ihr jetzt meine Daten?'" Grund für die Aufregung ist ein Passus im neuen Meldegesetz, der sich auf das Widerspruchsrecht gegen Datenweitergabe bezieht. Bisher können Bürger mit einem einfachen Formular von diesem Recht Gebrauch machen. So kann etwa untersagt werden, dass Daten wie Anschrift und Telefonnummer an Adressbuchverlage weitergegeben werden. Tritt jedoch die bundesweit einheitliche Neuregelung in Kraft, können sich Firmen, die schon über Daten eines Bürgers verfügen, beim Meldeamt informieren, ob diese noch aktuell sind. Sie können gegebenenfalls ausgetauscht werden. Auch dann, wenn der Bürger zuvor beim Einwohnermeldeamt einer Weitergabe widersprochen hat. Dagegen wehren können sich Einwohner nur noch direkt bei der Firma und nicht mehr bei der Behörde.

+++ Jeder Einwohner kann eine Übermittlungssperre beantragen +++

Wie bisher wird der Staat an solchen Auskünften verdienen, weil jeweils Gebühren fällig werden. Die Gesetzesänderung sorgt auch in Bargteheide für Beunruhigung, wie die Mitarbeiter des Bürgeramts feststellen. "Wir haben Anfragen von Einwohnern, die wissen wollen, wie es aussieht mit ihrem Widerspruchsrecht", sagt Amtsleiter Detlef Müller, der in solchen Fällen zunächst über die bisherigen Möglichkeiten des Widerspruchs aufklärt. "Die Formulare haben wir auf dem Amt. Sie auszufüllen, dauert zwei Minuten."

+++ Wie ist Ihre Meinung? +++

"Antrag auf Einrichtung einer Übermittlungssperre" nennt sich das Formular, mit dem die Bürger auch unterbinden können, dass Ehe- oder Altersjubiläen weitergegeben werden. In einigen Kommunen ist es üblich, dass zu hohen, runden Geburtstagen oder Ehejubiläen der Bürgervorsteher oder der Bürgermeister gratulieren. Außerdem kann mit dem Widerspruch verhindert werden, dass die Daten an Parteien weitergegeben werden. Müller: "Vor Wahlen ist es üblich, dass Parteien potenzielle Wähler anschreiben und sich beim Meldeamt die Anschriften besorgen." Die sich jetzt häufenden Anfragen zeigen für Müller, dass die Menschen sensibler geworden seien in Bezug auf ihre persönlichen Daten. Dennoch habe der Bürgeramtsleiter mit noch mehr Anrufen nach Bekanntwerden der geplanten Neuregelung gerechnet. "Schließlich haben die Leute allen Anspruch darauf, dass der Umgang mit ihren Daten sensibel gehandhabt wird."

Ähnlich denkt Gabriele Jähnig vom Oldesloer Bürgeramt: "Wir hatten einen Ansturm von besorgten Bürgern erwartet, aber der blieb aus." Auch Kornelia Bruszies, Büroleitende Beamtin in Großhansdorf, sagt: "Wir spüren keinen erhöhten Andrang." Dem Ahrensburger Justiziar Thomas Reich sei sogar nur ein einziger Fall einer Anfrage bekannt. Dass kaum Bürger im Meldeamt nachhaken, überrasche ihn jedoch nicht. "Die meisten haben wohl schon verstanden, dass es sich bisweilen noch um ein laufendes Verfahren handelt." Thomas Reich berichtet von einer Stadtverordneten, "die wissen wollte, ob wir im Ahrensburger Rathaus schon im Sinne des neuen Gesetzes arbeiten". Dem sei natürlich nicht so.

Reinbeks Bürgermeister Axel Bärendorf geht davon aus, dass es dazu auch nicht kommen wird. "Die Änderung kam in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Bundestag durch, aber das wird so wohl kaum ein zweites Mal im Bundesrat passieren." Auch Anke Wauker, Leiterin des Glinder Bürgeramts, rechnet nicht mit einer Novellierung. "Das halte ich für unwahrscheinlich." Für die Reinbeker Bürgeramtsleiterin Gabriele Lange hat die Debatte auch einen positiven Effekt. Sie habe dazu geführt, dass sich die Menschen mit ihren Rechten zum Datenschutz beschäftigen. Sie betont aber auch, dass die Bürger das immer tun sollten - und nicht nur dann, wenn es um Gesetze und Behörden geht. "Viele sollten zuerst einmal ihre Accounts bei Netzwerken wie Facebook überprüfen. Da sind teilweise sehr viel mehr Daten einsehbar als in Behörden vorliegen."

Lesen Sie morgen zu diesem Thema einen Gastbeitrag des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert