Das ist der Tagessatz für Essen und Getränke für Sechs- bis 14-Jährige. Kinderschutzbund: Noch immer lebt jedes sechste Kind am Existenzminium.

Bad Oldesloe. In Stormarn lebt jedes sechste Kind in Armut. Das geht aus dem Entwurf des neuen Kinderarmutsberichts hervor. Er stammt vom Deutschen Kinderschutzbund und schreibt den ersten Bericht fort, der im Jahr 2009 veröffentlicht worden war. Fazit: In den vergangenen drei Jahren hat sich die Situation von Kindern und Jugendlichen, die in Stormarn in Armut leben, nicht verbessert.

Im reichen Kreis Stormarn sind circa 7000 Kinder von Armut betroffen

Im Vorwort zu dem Entwurf schreibt Ingo Loeding, der Geschäftsführer des Kinderschutzbundes des Kreises: "Jedes zwölfte Kind lebt von Sozialgeld, also von Zahlungen nach Hartz IV. Wir gehen davon aus, dass noch mal so viele Kinder in Haushalten leben, in denen die Eltern im Niedriglohnsektor leben. Demnach ist im reichen Kreis Stormarn jedes sechste Kind, das sind circa 7000 Kinder, von Armut betroffen." Diese Zahl hatte der Kinderschutzbund auch schon in seinem Bericht aus dem Jahr 2009 genannt. Nach Ansicht von Loeding ist die staatliche Unterstützung, die für die Kinder von arbeitslosen Eltern gezahlt wird, viel zu niedrig. Der Regelsatz für Kinder bis zu sechs Jahren beträgt 219 Euro im Monat. Für Kinder bis 14 Jahren sind es 251 Jahre, für 14- bis 17-Jährige sind es 287 Euro. Der Regelsatz wird vom Sozialministerium ermittelt. In dem Monatsbetrag für Sechs- bis 14-Jährige ist ein Tagessatz von 3,36 Euro für Essen und Getränke enthalten. Für Kleidung sollen 24,46 Euro im Monat ausreichen, Kulturveranstaltungen sind mit 3,01 Euro pro Monat eingeplant. 14- bis 17-Jährige müssen hierbei mit 2,24 Euro auskommen.

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An der regionalen Verteilung der Kinderarmut hat sich in Stormarn kaum etwas geändert. In Bad Oldesloe sind 16,97 Prozent der Kinder auf den Regelsatz angewiesen, in Glinde sind es 16,46 Prozent. Das sind die Stormarner Städte mit den höchsten Werten. Ahrensburg liegt mit 8,62 Prozent deutlich darunter, Reinbek steht mit 5,99 Prozent am besten da. Loeding macht aber darauf aufmerksam, dass es bei Kinderarmut kein Ranking im üblichen Sinne geben kann. Er sagt: "In einer wohlhabenden Stadt wie Ahrensburg ist die Prozentzahl der betroffenen Kinder zwar niedriger, aber die Unterschiede zwischen den finanziellen Möglichkeiten einerseits und den eingeschränkten Chancen andererseits werden dort viel stärker wahrgenommen." Das Bildungs- und Teilhabepaket hat nach Einschätzung von Ingo Loeding die Situation der Kinder nur unwesentlich verbessert. Nach wie vor nutzen längst nicht alle Eltern, die Geld beantragen könnten, diese Möglichkeit der finanziellen Verbesserung. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Nicht einmal die Zahl der Anspruchsberechtigten ist genau bekannt. Sie wird in Stormarn auf rund 6300 geschätzt. 2011 wurden aber nur 5200 Anträge gestellt.

Das Bildungs- und Teilhabepaket hält unter anderem Geld fürs warme Mittagessen in der Kita bereit, für Unterrichtsmaterialien, für Sportvereinsmitgliedschaften oder Nachhilfeunterricht. Weil für jede Leistung ein eigener Antrag gestellt werden muss, dürfte die Zahl der tatsächlichen Nutzer deutlich unter 5200 liegen. Nach Angaben des Kieler Sozialministeriums steigt inzwischen die Zahl der Antragsteller. Zum Stichtag 1. März seien es 60 Prozent aller Berechtigten gewesen, hieß es im April. In Schleswig-Holstein könne für rund 115 000 Kinder und Jugendliche Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragt werden. Ingo Loeding bleibt dennoch ein Kritiker des Pakets. "Die Eltern nutzen es nicht so, wie es sein sollte, und auf der anderen Seite führt es dazu, dass die Spenden in diesem Bereich zurückgehen, weil sich die Spender sagen: Dafür gibt es ja jetzt Geld vom Staat."

Seiner Ansicht nach ist Kinderarmut deshalb weiter Ursache für Probleme in den Bereichen Gesundheit, Bildung und soziale Teilhabe. "Der Gesundheitszustand von Kindern sozial benachteiligter Eltern ist deutlich schlechter als in Vergleichsgruppen", sagt er. "Es kommt signifikant häufiger zu Frühgeburten, und die Kinder leiden stärker als andere unter Lern- und Entwicklungsstörungen." Kinder armer Eltern hätten deutlich geringere Bildungschancen als Vergleichsgruppen. Und schließlich führe Armut dazu, dass Kinobesuche oder andere Freizeitaktivitäten, für die man Geld benötige, kaum möglich seien. Die endgültige Fassung des zweiten Stormarner Kinderarmutsberichts will Loeding nach den Sommerferien vorstellen.

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