Der Delingsdorfer startet bei den Tractor Pulling-Meisterschaften im schwedischen Ekeröd für Deutschland mit seiner Landmaschine.

Delingsdorf. Lyrik, Theater und Ballett - sie sind seine Sache nicht. Romane, Ausstellungen und Opern - damit kann man ihn jagen, gibt er zu. Dramatik schätzt Jörg Zeranski dennoch - allerdings in Verbindung mit PS, sehr vielen PS. Das Hobby, in das der 38-jährige Delingsdorfer seine gesamte Freizeit und viel Geld investiert, ist das Tractor Pulling. Eine Motorsportart, bei der es darum geht, mit einer aufgemotzten Landmaschine einen Bremswagen möglichst weit über eine Piste zu ziehen. 2010 wurde Zeranksi Deutscher Vizemeister. Am Sonnabend geht es um die Qualifikation zur Europameisterschaft, in der südschwedischen Ortschaft Ekeröd. "Wir fahren mit einem Lastwagen nach Travemünde und steigen heute Abend auf ein Schiff, mit dem es nach Trelleborg geht."

Mit an Bord ist Zeranskis Rennteam, bestehend aus Christian Felsch, Anja Jäger und Anke Strusch. Sowie natürlich er: Der "Red Fuchs", Jörg Zeranskis dreieinhalb Tonnen schwerer, 550 PS starker Spezialtraktor. Der schluckt 10 Liter - auf 100 Metern. Derzeit wartet er noch friedlich in einer Garage in Delingsdorf auf seinen Auftritt, am Sonnabend wird er furchterregende Geräusche machen, Flammen und Dieselruß ausstoßen und seinem Fahrer vielleicht einen Startplatz bei der EM 2013 verschaffen.

Zeranski, der erst vor drei Jahren das erste Mal bei einem Wettkampf startete und dabei gleich den Titel des Deutschen Vizemeisters holte, kam eher durch Zufall zu der Sportart. "Ein Freund hat mich zu einer Tractor-Pulling-Veranstaltung mitgenommen. Und dann dachte ich nur: boah, das ist geil. Das will ich auch machen."

Den Gedanken setzte Zeranski, im beruflichen Leben Leiter einer Autowerkstatt, bald in die Tat um. Ein passendes Gerät war schnell gefunden: Ein Traktor der Marke IHC Neuss, Baujahr 1979. In seinem früheren Dasein pflügte "Red Fuchs" friedlich einen Acker in der Nähe von Scharbeutz. Jörg Zeranski kaufte ihn und machte ihn in vielen Stunden Arbeit nach Feierabend zum Hochleistungssportler. Die 125 PS des Sechszylinder-Dieselmotors vervierfachte er, mit ein paar Tricks: "Je mehr Diesel du einspritzt und je mehr Luft du in den Motor kriegst, desto mehr Leistung bekommst du", erläutert er das Prinzip. Für die jetzige Leistung sorgen ein Turbolader, eine spezielle Benzinpumpe und vieles mehr - Dinge, die ihn eine Menge Geld gekostet haben, die Summe mag er nicht verraten.

Schon eher spricht er darüber, wie viel Freizeit ihn das besondere Hobby kostet. Nämlich die ganze. Er ist an vielen Wochenenden auf Wettkämpfen, an Orten, die Namen wie Füchtorf, Volkmarst und Haßtorf tragen. Nicht gerade Plätze, die jedem auf Anhieb etwas sagen. In der Szene hingegen sind Orte wie Füchtorf, 40 Kilometer westlich von Bielefeld gelegen, wohlbekannt: In der kleinen Gemeinde, genauer auf einem dortigen Bauernhof, findet alljährlich ein europäischer Wettkampf statt. Bis zu 25 000 Zuschauer kommen, zahlen Eintrittspreise zwischen 15 und 20 Euro. Die Stimmung auf den Wettkämpfen, bei denen es Live-Musik gibt und schon mal das ein oder andere Bier getrunken wird, ist ein Hauptgrund für Jörg Zeranski, dem Sport einen Großteil seines Lebens zu widmen. "Bei so 'nem Wettbewerb sind Wahnsinnige unter sich. Da ist kein Normaler dabei. Soviel ist mal sicher". Und dann ist da natürlich die Anerkennung der Fans, nach einem gelungenen Auftritt: "Man fährt immer an den Zuschauern vorbei, nach den Rennen. Das ist schon 'n geiles Gefühl, wenn die jubeln. Kann man nicht anders sagen."

Hat er bei so einem besonderen Hobby überhaupt noch Zeit für ein Privatleben? Hat er - denn glücklicherweise hat Freundin Anja Jäger, seit Kurzem ebenfalls beim "Tractor Pulling Team Fuchs" dabei, selbst Benzin im Blut. In ihrem ehemaligen Rennteam fuhr sie gar selbst einen Traktor - jetzt besteht ihre Rolle erst einmal darin, bei den Wettkämpfen "für das leibliche Wohl und für Stimmung" zu sorgen. Bleibt die Frage, wie er denn seine Chancen sieht, am großen Tag in Schweden. Jörg Zeranski baut nicht auf einen Sieg, sieht sich selbst "eher im Mittelfeld". Hinter der Einschätzung verbergen sich keine Taktik oder Bescheidenheit, sondern technische Fakten. Denn Jörg Zeranski geht, wie alle deutschen Fahrer, mit einem gewichtigen Nachteil ins Rennen.

Der Nachteil nennt sich "Air Restrictor". Es handelt sich um eine technische Vorrichtung, die die Luftzufuhr zum Motor beschränkt. Die Leistung der Fahrzeuge wird damit gedrosselt - aus Sicherheitsgründen, wie Jörg Zeranski sagt. In Deutschland sind die Teile vorgeschrieben, in Dänemark und den Niederlanden hingegen nicht. Ein Grund dafür, weshalb die beiden Nachbarstaaten führend beim Tractor Pulling sind - zumindest in der Gewichtsklasse bis 3,5 Tonnen, in der Jörg Zeranski und sein "Red Fuchs" starten.

Hoffnung auf Erfolge hat er dennoch. Denn im Unterschied zur Konkurrenz wähnt er sich im Besitz der besseren Reifen. Außerdem kann bei den Wettkämpfen immer Außerordentliches geschehen - einmal zum Beispiel, erzählt Jörg Zeranski, hat er die Konkurrenz mit den dreimal so starken Maschinen hinter sich gelassen. Der Jubel im Publikum war groß. Am Sonnabend um 11 Uhr kann man ihm die Daumen drücken, dass es wieder so kommt.