Die Landespolitik setzt neue Schwerpunkte bei der Verkehrsprojekten. Dadurch gerät nun auch die Bahnlinie durch den Landkreis in Gefahr.

Ahrensburg. Sie soll Hamburg und die Metropolregion noch enger verbinden, Pendler von der Straße auf die Schiene locken und den Wirtschaftsstandort Stormarn stärken. Aus Sicht des Kreises spricht viel für den geplanten Ausbau der S-Bahn-Linie 4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe. Erst kürzlich haben Hamburg und Schleswig-Holstein die Vorentwurfsplanungen für den Bau des rund 350-Millionen-Euro-Projektes angeschoben.

Doch offenbar werden in Kiel nun andere Schwerpunkte gesetzt. In der Landeshauptstadt wünscht man sich eine Stadt-Regional-Bahn (SRB). Wegen knapper Kassen ist wohl für die Umsetzung beider Vorhaben nicht genügend Geld vorhanden. Daher wird es laut Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) einen Wettbewerb zwischen den Projekten geben (wir berichteten).

Stormarner Politiker sowie Wirtschaftsvertreter reagieren mit Unverständnis. "Ich habe den Eindruck, die Grünen sind verkehrspolitisch von ihren guten Geistern verlassen", sagt Landrat Klaus Plöger (SPD). "Herr Tietze scheint mir auf der falschen Spur zu sein mit seiner Bimmelbahn in Kiel", so Plöger zu Äußerungen von Andreas Tietze, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. Tietze hatte gegenüber dem Abendblatt von einer höheren Priorität für die SRB gesprochen.

"Von einer solchen Priorisierung wurde bisher in der Koalition nicht gesprochen", widerspricht Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter der SPD für Stormarn-Süd. "Die Planungen laufen so weiter wie bisher. Die S 4 kommt", sagt der Sozialdemokrat. Auch die SPD-Kreisvorsitzende Susanne Danhier sieht das Vorhaben nicht in Gefahr. "Ob die S 4 gebaut wird, ist Entscheidung des Bundes und nicht der Landesregierung", sagt sie. Sie halte es für "unwahrscheinlich", dass sich die verschiedenen Projekte gegenseitig beeinflussten.

Nicht nur vom Koalitionspartner, sondern auch aus den eigenen Reihen kommt Gegenwind. "Wir Stormarner Grünen werden in Kiel Dampf für den Ausbau machen", sagt Stefan Kehl, Fraktionschef der Grünen im Kreistag. Es handle sich um ein Projekt, dass die Grünen einst mit angeschoben hätten. "Ich habe mich ziemlich geärgert, als ich die Äußerungen aus Kiel in der Zeitung gelesen habe", so Kehl.

Harsche Kritik kommt von Stormarner Oppositionspolitikern. "Das ist eines der wenigen Projekte, für die ein parteiübergreifender Konsens bestanden hatte. Den scheint man nun aufzukündigen", sagt Tobias Koch (CDU), Landtagsabgeordneter für Stormarn-Mitte. "Wenn man in solchen Dingen undeutliche Signale aussendet, dann wird eine Umsetzung sehr schwierig", so Koch. Dann flössen Bundesmittel eben eher nach Süddeutschland. Noch deutlicher wird der ehemalige schleswig-holsteinische Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) aus Bargteheide: "Die Regierung steht bei der Entwicklungspolitik mit beiden Füßen voll auf der Bremse." Auch die Oldesloerin Anita Klahn, für die FDP im Landtag, versteht das neuerliche Infragestellen der S 4 nicht: "Ich bin entsetzt. Mein erster Kommentar war: Albigs Lieblingsland endet an der Kieler Stadtgrenze." Für Stormarn sei das ein Desaster.

Vertreter der Städte Ahrensburg und Bargteheide streichen die Bedeutung des Vorhabens für sie und die Region heraus. "Unsere Straßenverbindungen stoßen hier langsam an ihre Grenzen", sagt Henning Görtz, Bürgermeister von Bargteheide. Dringend müsse der öffentliche Nahverkehr gestärkt werden. Aus Bargteheide pendelten täglich rund 4000 Menschen zu ihrer Arbeit vorwiegend nach Hamburg, so der Bürgermeister.

Angelika Andres, Bauamtsleiterin in Ahrensburg, betont, das Projekt S 4 sei für die Metropolregion "äußerst wichtig". "Wir werden die Planungen auf jeden Fall weiter verfolgen, denn es dauerte schließlich schon Jahre, bis das Projekt überhaupt angeschoben wurde." Weniger Sorgen macht sich offenbar Bad Oldesloes Bürgermeister Tassilo von Bary. Das liege daran, dass er sowieso nicht daran glaubt, dass der Bau der S 4 Vorteile für seine Stadt mit sich bringen würde. "Die S 4 könnte höchstens den Regionalexpress ersetzen, nicht aber einen zusätzlichen Anschluss bieten." Dennoch sagt er auch: "Den Teil der Strecke bis Bargteheide würde eine Entscheidung gegen die S 4 stark treffen. Für die Region wäre das eine sehr schlechte Entscheidung."

Norbert Leinius, Geschäftsführer der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS), sieht die aufkommende Diskussion als Weckruf. "Wir müssen gegenüber Kiel offenbar noch einmal deutlich machen, welche Bedeutung der Kreis für das Land hat", sagt er. Er plane ein Gespräch mit dem schleswig-holsteinischen Wirtschafts- und Verkehrsminister im Herbst. Leinius: "In Kiel herrscht wohl immer noch der Irrglaube vor, man müsse sich nicht um den Kreis Stormarn kümmern."