Kriminelle informieren Opfer über vermeintlichen Gewinn und überreden sie zu Vorauszahlungen. Ältere Menschen stehen im Fokus der Kriminellen.

Ahrensburg. Preisfrage: Sie haben gewonnen, Geld oder Gutschein, das sagt zumindest der nette Herr am Telefon. Was tun Sie? A: Sie freuen sich. Oder B: Sie werden wütend, legen auf, rufen die Polizei und erstatten Anzeige?

Eindeutig B, vor allem, wenn sie sich nicht erinnern können, an dem fraglichen Gewinnspiel teilgenommen zu haben. Das rät die Polizei, die Verbraucherschutzzentrale und sicher auch jeder, der sich schon einmal gefreut und deshalb viel Geld verloren hat. Grund: Derzeit sind wieder vermehrt Trickbetrüger dabei, Menschen um ihr Erspartes zu bringen. Einzelne haben über eine Vielzahl von Geldtransfers insgesamt 20 000 Euro verloren. Viele haben kleinere Beträge überwiesen. Stefan Jung vom Landeskriminalamt (LKA) Schleswig-Holstein sagt: "Wir warnen schon seit Jahren, aber im Moment ballen sich die Fälle." Allein in der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein kommen deshalb pro Monat etwa 240 Menschen zur Beratung.

Die Täter agieren aus dem Ausland, etwa aus der Türkei, versprechen ein Auto oder Geld und sagen dann, dass zunächst Kosten entstehen, für einen Notar oder die Überführung des Autos. "Besonders perfide: Manche geben sich als Rechtsanwalt aus und gaukeln dadurch Sicherheit vor", sagt Jung. Um zu verschleiern, dass die "Kanzlei", also das Callcenter der Kriminellen, gar nicht in Deutschland ist, wird eine deutsche Festnetznummer angegeben, über die der Anruf ins Ausland weitergeleitet wird. Dieses erschwert die Strafverfolgung. "Einige Geschädigte sagen, es sei ihnen im Nachhinein schon komisch vorgekommen, dass bei dem Telefonat mit dem vermeintlichen Anwalt Callcenter-Geräusche zu hören waren, aber misstrauisch sind sie dennoch nicht geworden." Er vermutet, dass die Warnglocken durch die Freude einfach ausgeschaltet werden.

Häufig werden gezielt ältere Menschen angerufen, manche haben nur wenig soziale Kontakte und lassen sich deshalb auf ein Gespräch ein. Oder sie haben schon jahrelang Kreuzworträtsel gelöst, an Gewinnspielen teilgenommen, und werden bei dem ersehnten Gewinn deshalb nicht misstrauisch. "Aber natürlich sind auch Jüngere betroffen", sagt Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.

André Lenz, 37, aus Büdelsdorf zum Beispiel, der sich nicht erinnern konnte, einen Vertrag abgeschlossen zu haben und der eines Tages eine Rechnung über knapp 100 Euro bekam. Als Beweis für den Vertragsabschluss dient ein Mitschnitt des Telefongesprächs, diesen kann man sich noch anhören. Wer selbiges tut wird stark an den Musiker Scatman John erinnert, dessen größter Hit sich unter anderem so anhört: Ski-Ba-Bop-Ba-Dop-Bop. Scatman John konnte sehr schnell reden, die Trickbetrüger können das auch. So schnell, dass man auch nach mehrmaligem Anhören des Mitschnitts nicht weiß, wozu André Lenz eigentlich Ja gesagt hat. Irgendwas mit "bequemüberdietelefonrechnungabgerechnet" ist verständlich, auch wenn die Rechnung dann doch extra kam. Und: "Bei dem Mitschnitt fehlt der Anfang", sagt Lenz. "Da gibt der Anrufer sich als Mitarbeiter des Otto Versands aus. Dort bestelle ich manchmal, sonst hätte ich direkt aufgelegt."

Das schnelle Sprechen sei Methode, sagt Verbraucherschützer Boris Wita. "Man kann das Gesagte so schnell gar nicht aufnehmen." Zudem seien die Anrufer psychologisch geschult. Der Kontakt laufe oft über Wochen. "Denn wenn einmal gezahlt wurde, erfinden die Betrüger immer neue Ausreden, weshalb weiter gezahlt werden muss", sagt Stefan Jung vom LKA. "Die meisten zahlen, weil sie die Hoffnung nicht aufgeben. Oder weil sie unter Druck gesetzt werden." Etwa mit Inkassounternehmen oder dem Gerichtsvollzieher, so wie André Lenz. Nach dem jüngsten Anruf fühlte sich seine Frau bedroht, nun hat er Polizei, Verbraucherschutz und Anwalt eingeschaltet. Der hat in der vergangenen Woche einen Brief an die Betrüger geschickt. "Seitdem ist Ruhe."