Lienaus Restaurant spiegelt die Geschichte von Elmenhorst wider. Wo einst Kutscher Pause machten, gibt es selbst gebackenen Kuchen und Porzellan

Elmenhorst. Er legt an und schaut dem Hasen in die Augen. Da trifft es den Jäger. Der Blick des Langohren geht ihm durch und durch. Der Gewehrlauf zeigt nach unten. Der Hase ist gerettet und bewacht nun zum Dank den Waidmann, der mit Schlapphut über den Augen den Schlaf des Gerechten schläft.

Die handgemalten Kacheln auf dem alten Schanktresen erzählen ein Märchen. Überall im Haus begegnen dem Besucher Geschichten. Die Mauern, die Dielen, die Bilder, sie alle erzählen von früher, als Postkutschen vor der Tür hielten und die Pferde getränkt wurden, während drinnen Bier floss. In Lienaus Restaurant begegnet der Besucher der Geschichte Elmenhorsts. 1907 wurde das Haus gebaut. Und doch ist es ein lebendiger Ort, der nicht nur täglich frisch gebackenen Kuchen, sondern exquisites Kunstdesign zu bieten hat.

Von Warhol entworfener Pop-Art-Teller und eine Service im Bauhaus-Stil

Wer bei Esther Marx in der Gaststube auf dem Biedermeiersofa Platz nimmt, hat möglicherweise Blumen in einer Vase des italienischen Designers Morandini vor sich stehen. Und wenn nicht hier, dann in der großen Tenne gleich nebenan, die sich alljährlich in eine Galerie verwandelt. "Da lagerten früher Kartoffeln", sagt Esther Marx. Jetzt glänzen hier von Andy Warhol entworfene Pop-Art-Teller, ein Service im Bauhaus-Stil, das auch längst einen Platz im Museum of Modern Art in New York gefunden hat, mit Silberrand veredelte Kristallschalen und feinstes Porzellan aus dem französischen Haus Gienmit handgezeichneten Jagdhunden.

Ein paar Schritte weiter im Nachbarraum, der einst Pferdestall war, wartet ein Klassiker auf die Ausstellungsbesucher: ein gelb-blaues Service, handgemalt und nach einem Entwurf von Claude Monet hergestellt. "Der Maler hatte das Design für seine Küche in Giverny entworfen", sagt Esther Marx, geht auf dem historischen Boden ein paar Schritte weiter ins ehemalige Gästezimmer und holt einen Weihnachtsteller aus einer Glasvitrine. "Von Ginori, aus Italien", sagt die Elmenhorsterin, die mit leidenschaftlichem Ernst durch ihre Porzellan-Welt schreitet. "Schauen Sie, diese rote Farbe und die kleinen Hirsche - das ist ein Traum."

Vor zehn Jahren kam die Stormarnerin zurück aus Straßburg. Kurz darauf starb ihr Vater Gerhard Marx. Erst jetzt, so schien es, konnte er loslassen. Die Tochter war zurück, der Fortbestand des Geschäfts gesichert. Es lag ihm viel dran. 1946 hatte er es eröffnet und zusammen mit seiner Frau Minna aufgebaut. Esther Marx: "Mein Vater hat das Geschäft geführt. Meine Mutter war die Seele des Restaurants." Es waren harte Jahre. Um Ware zu holen, fuhr der Elmenhorster bei Wind und Wetter mit dem Rad nach Bargteheide und organisierte etwas für seine Kundschaft. "Nach dem Krieg gab es ja nichts. Töpfe aus Stahlhelmen, damit ging es los", sagt Esther Marx. Vieles hat sich geändert. Aber auch sie setzt auf den direkten Kontakt und fährt zu Messen in Frankfurt und Paris. "Übers Internet funktioniert das nicht. Man muss das Porzellan fühlen. Wie liegt es in der Hand? Wie sehen die Farben aus." Schließlich genießt das Geschäft ein hohes Ansehen bei den Kunden. Esther Marx: "Sonst hätten wir uns kaum 65 Jahre am Ort gehalten."

Wer ins Café möchte, kann einfach an der Tür klingeln

Lienaus Gasthof war schon in den 20er-Jahren eine angesagte Adresse. Hamburger Kaufleute ließen sich und ihre Damen mit Autos nach Elmenhorst kutschieren. Ein Bediensteter der Familie in Drillich-Zeug, aber mit weißen Handschuhen ausgestattet, sprang herbei und kümmerte sich um die Herrschaften und ihre Limousinen. "Das Restaurant meiner Großmutter und der Kaffeegarten waren berühmt", sagt Esther Marx, die neben dem Porzellan-Geschäft auch diese Tradition fortgeführt hat. "Ich habe drei Berufe: Dolmetscherin für Englisch und Französisch. Bei meinem Vater bin ich in die Porzellan-Lehre gegangen. Und ich bin gelernte Hotelfachfrau."

Seit zwei Jahren bietet Esther Marx keine warme Küche mehr an. Das Café im historischen Ambiente und in der 1924 angebauten Veranda betreibt sie nach wie vor. Geöffnet ist täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr - auch am Wochenende. Einfach klingeln und in eine andere Welt eintauchen.

Jetzt gibt es doppelten Genuss: Kuchen und Kunst. Die Jahresausstellung mit mehreren Hundert Exponaten wird morgen eröffnet. Eine Dekorateurin aus Hildesheim kam angereist, um alles ins rechte Licht zu rücken. Zu den Jubiläums-Exponaten fürs Auge gibt es feine ländliche Genüsse. "Während der Ausstellung bewirte ich meine Gäste mit Kaffee und selbst gebackenem Kuchen", sagt Esther Marx. Schönes Geschirr, um stilvoll zu servieren, hat sie mehr als genug.