Arbeitsleistung Behinderter muss sich stärker denn je auf dem freien Markt behaupten

Ahrensburg. Jörn Petersen zerkleinert Papier, Tag für Tag. Schüttet es zunächst auf einen Sperrholztisch, schiebt es dann in eine Maschine mit Kühlschrankausmaßen, lauscht dem mahlenden Geräusch in ihrem Inneren, sieht die Schnipsel auf der anderen Seite aus dem Gerät herausflattern; ein Förderband transportiert sie in einen Container draußen vor der Tür.

Petersen, 45, ist Aktenvernichter. Großenteils streng geheime Dokumente wandern tonnenweise durch seine Hände, die dazu berufen sind, mit ihnen umzugehen. Denn der Mitarbeiter in den Stormarner Werkstätten Ahrensburg ist gewissermaßen ein Qualitäts-Aktenvernichter. Geprüft und zertifiziert wie die ganze Abteilung, in der Menschen mit geistigen Behinderungen und psychischen Erkrankungen arbeiten. Das Zertifikat hängt gerahmt an der Wand.

Aktenvernichter Petersen ist stolz, dass seine Arbeit auf diese Art und Weise Anerkennung findet. Für seinen Chef Torsten Bierbach, Produktionsleiter der Werkstätten, ist die DIN-A-3-Urkunde noch aus einem ganz anderen Grund von großer Bedeutung: "Sie belegt, dass bei uns nach den gleichen Qualitätsstandards gearbeitet wird wie bei Mitbewerbern", sagt er. Sie ist der Schlüssel zu lukrativen Aufträgen.

Die 312 Mitarbeiter in den Werkstätten an der Kurt-Fischer-Straße erwirtschaften zurzeit einen jährlichen Umsatz von etwa 850 000 Euro. Das ist ungefähr dreimal so viel wie vor zwei Jahren - und nach Einschätzung Bierbachs noch ausbaubar. Es sind Einnahmen, die helfen, die Arbeit der Behinderten, ihre Betreuung, Therapie und Rehabilitation langfristig zu sichern.

Die Aktenvernichtung ist für Torsten Bierbach ein gutes Bespiel, dass die Werkstätten dem Wettbewerb standhalten können, sofern die Preise marktgerecht seien und die Qualität stimme. In einer globalisierten Welt ist es ein internationaler Wettbewerb: Kürzlich haben die Werkstätten einen Auftrag zur Montage von Elektrokomponenten nicht bekommen. "Selbst mit spitzer Feder gerechnet bin ich in unserem Angebot auf einen Stückpreis von 43 Cent gekommen", sagt Bierbach. "Eine Firma in China hat's für 19 Cent gemacht, Transport inklusive."

Im kommenden Jahr soll die zurzeit ruhende Abteilung Holzwerkstatt in den Werkstätten neu belebt werden. Für diese Zeit hat Torsten Bierbach schon große Pläne. "Wir werden dann Eigenprodukte auf den Markt bringen", sagt er. Ideen gebe es schon. "Es wird um absolut hochwertige Artikel gehen", sagt er. "Einen handgetöpferten Aschenbecher will niemand mehr haben." Dann wird es an der Zeit sein, Vertriebswege für die Eigenprodukte zu erschließen. Zum einen biete sich das Internet an, so Bierbach. Und dann gibt es noch eine ganz konventionelle Alternative, die dem Produktionsleiter besonders gut gefällt: "Wir werden hier an den Werkstätten in Ahrensburg einen eigenen Laden eröffnen."