Gottfried Weinert hat seinen Infarkt nicht erkannt, obwohl er eine Ausbildung zum Rettungssanitäter hat. Herzstillstand schnell überwunden.

Travenbrück. Kalter Schweiß, ein betäubter linker Arm, ein brennender Schmerz in der Brustmitte - das sind die typischen Symptome des Herzinfarkts. Nicht davon hat Gottfried Weinert aus Travenbrück an jenem 11. August gespürt - am Tag seines Infarkts. Nur weil sein Hausarzt die Symptome richtig deutete, fuhr der ausgebildete Rettungssanitäter ins Oldesloer Krankenhaus. Die Diagnose stand schnell fest: Weinert hatte einen "stummen Herzinfarkt" erlitten.

Und der ist gar nicht so selten. Ungefähr jeder vierte Infarkt wird von den Betroffenen nicht bemerkt. Dennoch ist das Herz beschädigt. Noch Jahre später ist das per EKG-Untersuchung feststellbar. "Jeder Infarkt hinterlässt eine Narbe in der Herzkammer", sagt Oberarzt Dr. Kurt Schwabe, Leiter des Herzkatheterlabors in der Asklepios Klinik Bad Oldesloe. Und fügt hinzu: "Viele Patienten erinnern sich an einen Tag, an dem sie besonders schwach oder krank waren, aber nicht zum Arzt gegangen sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dann ein stummer Infarkt eingetreten ist."

Die Symptome sind durchaus unterschiedlich. "Statt eines Brustschmerzes haben viele Patienten Schmerzen im Hals, im Rücken oder im Oberbauch", sagt Schwabe. Es sind bleibende Schmerzen. Schwabe: "Normale Rückenprobleme können durch eine andere Körperhaltung gelindert werden. Beim stummen Herzinfarkt ist das aber nicht so. Egal wie man sich bewegt, der Schmerz bleibt. Man sollte dann unbedingt zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen."

Gottfried Weinert aus Travenbrück ist an jenem 11. August mit dem Auto unterwegs, als er plötzlichen Schulterschmerzen bekommt. "Ich dachte, ich hätte einen Luftzug bekommen. Innerhalb von ein paar Stunden hat sich der Schmerz dann aber auf den ganzen Rücken ausgebreitet", sagt er. Außerdem sei er zunehmend kurzatmiger geworden. Weinert: "Es hat sich angefühlt, als wenn sich alles zuschnüren würde." Zunächst habe er überlegt, ob es ein Herzinfarkt sein könne, doch habe er diesen Gedanken schnell wieder fallen gelassen. "Ich habe in meiner Ausbildung zum Rettungssanitäter gelernt, dass ein Herzinfarkt immer mit kaltem Schweiß kommt. Aber ich hatte keinen Schweiß."

Als Weinert nach Hause kommt und sich immer noch nicht besser fühlt, ruft seine Frau den Hausarzt an. Der schickt den 59-jährigen in die Asklepios Klinik. Dort wird ihm sofort Nitrospray unter die Zunge gesprüht, damit sich die Blutgefäße weiten. Nachdem er weitere Medikamente erhält, wird ein EKG gemacht. Ergebnis: ein stummer Herzinfarkt. "Das war schon sehr entmutigend, ich habe eine große Ohnmacht gespürt", sagt Weinert heute.

Besonders niederschmetternd für ihn: Im Jahr 2002 hatte er einen Schlaganfall erlitten und war seitdem jedes Quartal untersucht worden. "Der Arzt hat nie etwas festgestellt. Ich war gesund. Deswegen bin ich besonders negativ überrascht gewesen, dass ich nun einen Herzinfarkt hatte", sagt er. Seine Herzwerte seien immer in Ordnung gewesen.

Allerdings ist Weinert seit seinem Schlaganfall Diabetiker. Für Mediziner Schwabe ein besonderer Risikofaktor: "Diabetiker haben einen veränderten Stoffwechsel. Bei ihnen werden häufig die Wände der Herzkranzgefäße angegriffen. So kann es leicht zur Arteriosklerose und schließlich zum Herzinfarkt kommen." Da bei Diabetikern auch das Nervensystem geschädigt sei, würden sie Schmerzen oft gar nicht bemerken. Deswegen komme der stummer Herzinfarkt besonders häufig bei Diabetikern vor.

Gottfried Weinert muss nach seinem Infarkt zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Nach zwei Tagen erleidet er einen Herzstillstand. Ärzte retten ihn. "Mitbekommen habe ich davon kaum etwas. Erst hinterher hat man mir erzählt, was los war", sagt Weinert. Für Kurt Schwabe ist der Stillstand einfach zu erklären: "Das war eine Funktionsstörung des vegetativen Nervensystems. Das bedeutet, dass das Nervensystem irritiert ist und deswegen dafür gesorgt hat, dass das Herz langsamer schlägt oder sogar ganz aufhört zu schlagen." Bei etwa fünf Prozent aller Herzinfarktpatienten komme es ein paar Tage später zu einem Herzstillstand. Umso gefährlicher sei es deswegen, wenn Herzinfarkte nicht entdeckt würden. Beim nachfolgenden Herzstillstand komme ärztliche Hilfe dann oft zu spät.

Weinert hat seinen Stillstand schnell überwunden, eine Woche danach wird er entlassen. "Ich habe noch im Krankenhaus mit meinem eigenen Reha-Programm angefangen und bin Treppen gestiegen, was am Anfang extrem anstrengend war", sagt er. Nach seiner Entlassung ist er zur Reha nach Malente gefahren. Kardiologe Kurt Schwabe erklärt, worum es dabei geht: "Den Patienten soll zum Beispiel dabei geholfen werden zu erkennen, was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist und was man an seiner Lebensweise ändern muss."

Menschen, bei denen der Infarkt nicht bemerkt worden ist, leben mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko. "Ein Infarkt ist auch bei vorher gesunden Menschen das erste Kapitel einer Herzkrankheit. Wenn er nicht innerhalb der ersten sechs Stunden behandelt wird, dann können bleibende Schäden entstehen", sagt der Oldesloer Kardiologe. Nach diesem Zeitraum sei die Muskulatur in dem Bereich des Herzkranzgefäßes, das bei einem Infarkt nicht durchblutet wird, abgestorben. Die Folge sei zwar nicht immer der Tod, aber zumindest eine bleibende Herzschwäche. Zudem sei ein Infarkt, bei dem sich ein Herzkranzgefäß verschließt, ein deutlicher Indikator dafür, dass auch die anderen beiden Kranzgefäße erkrankt seien.

Generell ständen aber die Chancen gut, nach einem Infarkt ein beschwerdefreies Leben zu führen. Schwabe: "Wichtig sind eine ausgeglichene Ernährung und viel Bewegung. Aber dennoch gilt: Einen Herzinfarkt kann jeder haben."