Nach dem Fall in Glinde schreibt Bundesverband einen offenen Brief an den RTL-Chef

Glinde. Der Auftritt der Super Nanny in Glinde, der vor drei Wochen für große Empörung gesorgt hat, zieht immer weitere Kreise. Der Bundesverband des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) fordert den RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel nun in einem offenen Brief "eindringlich auf, die Sendung aus dem Programm zu nehmen und den Dreh weiterer Folgen zu unterlassen".

In der Folge vom 14. September, in der eine dreifache Mutter aus Glinde gezeigt wird, wie sie die Kontrolle verliert, ihre Kinder anschreit, schlägt und tritt (wir berichteten), ist es nach Ansicht des Kinderschutzbundes zu einer deutlichen Verletzung des Kindeswohls gekommen. "Wir halten die Ausstrahlung einer derartigen Folge für unverantwortlich. Frau Saalfrank und das RTL-Filmteam haben den massiven und länger andauernden Übergriff der Mutter nicht beendet, sondern weitergefilmt", kritisiert Christian Zainhofer, Mitglied des DKSB-Bundesvorstandes.

Der Bundesverband schließt sich damit der Kritik des DKSB in Stormarn an. Dessen Geschäftsführer Ingo Loeding hatte sich bereits für das Aus der Sendung ausgesprochen. "Ich würde mir wünschen, dass das Format nicht weiter gesendet wird", sagte er gegenüber dem Abendblatt. "Szenen, wie sie in dem Sendeformat gezeigt werden, bekommen Betreuer in der Realität nie mit. Durch die Fernsehaufnahmen entsteht eine Eigendynamik. Und man kann nicht ausschließen, dass die Gewalt, die gezeigt wird, größer ist als in der Realität. Die Menschen neigen dazu, ihre Probleme stärker darzustellen, wenn ein Fernsehteam dreht."

TV-Pädagogin Katia Saalfrank hält an Kritik an Stormarner Jugendamt fest

Mit der TV-Pädagogin Katia Saalfrank werde kein Vorbild gezeigt, zudem würde sie Erwartungen schüren, die nicht gehalten werden können. "Man kann in zehn Tagen keine Probleme lösen, die sich über Jahre hinweg entwickelt haben." Familien mit solchen Problemen sei nicht geholfen, ihre Situation in die Öffentlichkeit zu tragen. Durch die Zurschaustellung würden die Probleme eher verstärkt.

Dass Saalfrank in der vergangenen Woche öffentlich das Stormarner Jugendamt kritisiert hat, stuft DKSB-Bundesvorstand Zainhofer als besonders zynisch ein: "Durch eigenes Eingreifen hätte sie Schläge und weitere Demütigungen verhindern können."

Die Vorwürfe weist RTL zurück. Saalfrank habe sofort eingegriffen und das Jugendamt verständigt. Außerdem würden alle Folgen seit Kurzem dem Verein Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen vorgelegt, der nichts zu beanstanden gehabt habe. "Die Sendung wird seit Jahren vom Kinderschutzbund kritisiert. Die Familien werden psychologisch betreut", sagt Saalfrank, die zudem an der Kritik an den Stormarner Behörden festhält: "Der Jugendamtsmitarbeiter aus Glinde hat mir persönlich gesagt, dass er weitaus schlimmere Fälle gehabt habe und das, was bei dieser Familie zu beobachten gewesen sei, nicht ausreiche, um tätig zu werden."

Der Kinderschutzbund kündigt an, weiterhin auf das Ende der Sendung zu drängen.