Nach dem Papstbesuch sind sich Stormarner Katholiken und Protestanten einig: Miteinander funktioniert im Kleinen besser.

Ahrensburg. Eine Umarmung. Die Köpfe nah zusammengesteckt. Fast so, als würde ein Freundschaftsbund besiegelt, bei dem ausgetauscht wird, was nicht jeder hören muss. Gesehen hat es die ganze Welt. Und das war kein Zufall. Papst Benedikt XVI., das Oberhaupt der katholischen Kirche, und Nikolaus Schneider, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche, trafen sich im Erfurter Augustinerkloster und machten einen Schritt aufeinander zu - einen realen auf klösterlichem Boden und einen symbolischen auf ökumenischem Terrain.

Welchen Eindruck hat das in Stormarn hinterlassen? 73 850 Mitglieder der evangelischen Kirche leben hier gemeinsam mit 17 200 Katholiken. Rücken sie nach dem Papstbesuch näher zusammen? Schon in der Einschätzung darüber wird eine Kluft sichtbar. Was jedoch eint, ist die alltägliche Glaubenspraxis, die Mitglieder beider Konfessionen in Stormarn schon jetzt pflegen.

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"Die Begegnung der obersten Vertreter unserer Kirchen in Erfurt wird mir als Bild in Erinnerung bleiben. Das war ein gutes Zeichen", sagt Jan Roßmanek, Pastor der evangelischen Kirche Bargteheide. Aber das sei zu wenig. Den Taten hätten Worte folgen müssen. Roßmanek: "Der Papst hätte mehr Dialogbereitschaft zeigen müssen. Die Menschen haben Sehnsucht nach Gemeinschaft und wollen das Abendmahl zusammen feiern. Da interessieren theoretische Spitzfindigkeiten nicht."

Die katholische Kirche erlaube jedoch nicht, dass Andersgläubige an ihrem Abendmahl teilnähmen. Roßmanek: "Es ist nicht schön, dass Menschen ausgeschlossen werden. Bei den Gottesdiensten gehen dann einige nach vorn, andere bleiben sitzen." Der Bargteheider kennt die Situation aus eigener Erfahrung: "Meine Frau ist Katholikin. Ich bin also Experte in gelebter Ökumene." Ein Problem sei auch das Thema Scheidung und zweite Ehe. Roßmanek: "Da sind wir ganz weit auseinander. Das merke ich auch vor Ort immer wieder."

Der 19 Jahre alte Jan Wiltschek sieht das vollkommen anders. Er ist Katholik, will Pfarrer werden und war mit dem Besuch "seines" Papstes hoch zufrieden. "Benedikt hat uns Impulse dafür gegeben, dass wir Gott vertrauen können", sagt der junge Mann, der gerade sein Freiwilliges Soziales Jahr in der Reinbeker Kirchengemeinde Herz-Jesu macht. "Wir wollten die Botschaft hören: Wo Gott ist, ist die Zukunft. Und diese Botschaft hat er übermittelt", sagt der 19-Jährige, der mit seinem Jugendverband im Berliner Olympiastadion war, als der Papst vor mehr als 60 000 Menschen die Messe las. "Er hat unsere Fahne gesegnet. Und ich habe einen Blick erhascht. Der Papst hat mir in die Augen geschaut", sagt Jan Wiltschek ganz euphorisch.

Der Papstbesuch habe ihm daher genau das gebracht, was er erwartet habe. Jan Wiltschek: "So ein Besuch ist jedenfalls nicht dafür bestimmt, dass theologische Zukunftsfragen wie die Ökumene geklärt werden. Dafür hätte er nicht nach Deutschland kommen müssen. Das kann er auch in Rom erledigen." Der Sprecher des Erzbistums Hamburg, Manfred Nielen, drückt es so aus: "Mehr zu erwarten, war nicht realistisch. Wichtige Themen müssen theologisch vorbereitet werden." Der Schritt aufeinander zu in Erfurt sei schon ein wichtiges Zeichen gewesen. Aber theologische Schritte zu überspringen, das gehe nicht.

"Es wäre naiv zu denken, dass so ein Besuch alles ändert", sagt auch Christoph Schroeder, Pastor bei der evangelischen Kirchengemeinde Großhansdorf-Schmalenbek, "das ist nicht wie bei Politikern, die etwas aushandeln." In Großhansdorf gebe es im Übrigen bereits ein sehr gutes Miteinander von Katholiken, Mitgliedern der Freikirchlichen Gemeinde und von Protestanten. "Wir feiern drei- bis viermal im Jahr gemeinsame Gottesdienste, zum Beispiel an Pfingsten oder zur Einschulung", sagt Schroeder. "Das geht immer reibungslos. An der Basis funktioniert die Ökumene schon sehr gut."

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Sein Bargteheider Kollege bestätigt das. Jan Roßmanek: "Wir haben einen ökumenischen Kreis, der gemeinsame Veranstaltungen plant." Zudem würde er mit dem Ahrensburger Pfarrer Michael Grodecki regelmäßig ökumenische Trauungen vornehmen. "Wir machen schon viel in der Ökumene. Das wäre vor ein paar Jahren nicht denkbar gewesen. Das darf man nicht vergessen", ergänzt der Ahrensburger Kaplan Jan Stefanowski.

Die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche sei gut, sagt auch Rolf Kemper, Pastor der Kirchengemeinde Reinbek-Mitte. Bis noch mehr gemeinsam passiere, brauche es jedoch noch viel Zeit. Kemper: "Die Unterschiede sind zu groß, zum Beispiel, was das Amt der Pastoren oder das Sakramentsverständnis betrifft. Es wird dauern, bis wir die Unterschiede aus dem Weg geräumt haben, wenn es überhaupt passiert."

Auch einigen Katholiken geht es zu langsam. Ungeduld spricht aus den Worten von Hubert Fischer, Pfarrer an der Katholischen Kirchengemeinde St. Vicelin in Bad Oldesloe. "Ich hätte mir doch ein Signal gewünscht, dass evangelische Partner in konfessionell gemischten Ehen an der Kommunion teilnehmen dürfen", sagt der Pfarrer. Und noch eins hat der Katholik erwartet: den Ausblick auf eine gemeinsame Feier zum Reformationsjubiläum. Luthers Thesenanschlag jährt sich am 31. Oktober 2017 zum 500. Mal.

Diethelm Schark, Pastor der evangelischen Peter-Paul-Kirche, hat den Besuch des Papstes nicht verfolgt. Er glaubt jedoch, dass die Gemeinden bei der Annäherung schon sehr weit sind. Schark: "Bei uns wird die Ökumene gelebt." Der Papst sei für eine weitere Annäherung nicht förderlich, denn er stehe für kirchliche Hierarchie. Der Oldesloer bezweifelt, dass der Besuch des katholischen Oberhauptes entscheidende Impulse setzen werde. Schark: "Der Papst wird ohnehin überschätzt."

Für den jungen Katholiken Jan Wiltschek ist der Papst hingegen ein Leitbild und die katholische Kirche seine zukünftige Heimat. "Nächstes Jahr fange ich mein Theologiestudium an", sagt der 19-Jährige, der fest im Glauben steht. Auch der Missbrauchsskandal hat ihn nicht erschüttern können. Wiltschek: "Das ist schlimm. Aber mein Vertrauen hat nicht gelitten. Menschen, die sich an Kindern vergreifen, sind psychisch krank. Und die gibt es nicht nur in der Kirche." Was ihn persönlich mehr beschäftigt hat, war der Zölibat. Aber bei der Ministrantenwallfahrt im vergangenen Jahr in Rom hat er sich gesagt: "Mensch Jan, das schaffst du. Mit Gottes Hilfe."