250 Menschen haben sich im Ahrensburger Wohngebiet Wilde Rosen den Traum vom Zusammenleben erfüllt

Ahrensburg. Die Häuser sind mit Holz verkleidet, zwei Geschosse hoch, und die Rollläden leuchten alle im selben Rot. Links und rechts des Weges wächst und rankt es in sorgfältig angepflanzten Beeten. Stimmen schwirren durch die Luft, überall laufen und spielen Kinder. Seit eineinhalb Jahren leben rund 250 Menschen im Wohngebiet Wilde Rosen in Wulfsdorf bei Ahrensburg. Getrennt durch den Bornkampsweg, gibt es einen nördlichen und einen südlichen Bereich. Den Namen gab eine ehemalige Wildrosenzucht des Max-Planck-Instituts, auf deren Gelände die Häuser errichtet wurden.

Nirgends sind Hecken oder Sichtschutzwände zu sehen. Das Neubaugebiet unterscheidet sich von anderen. "Jeder kennt jeden", sagt Kirsten Krebs-Lawall, Bewohnerin des südlichen Teils, "mir war es eine Herzensangelegenheit, in einer Gemeinschaft zu leben." Wie eine große Familie seien die Wilden Rosen. So nennen sich die Bewohner selbst. "Der Wohnbereich ist Eigentum, auf der Terrasse habe ich ein Sondernutzungsrecht, und der Rest gehört allen", sagt Krebs-Lawall.

Das Leben in der Gemeinschaft war die Grundidee der Gruppe von Menschen, die sich vor vier Jahren zusammenschlossen. Nach dem Vorbild des an derselben Straße gelegenen Dorfprojekts Allmende planten sie eine eigene Wohnanlage.

Unterstützung fanden sie bei einer Beratungsgesellschaft für gemeinschaftliche Wohn- und Bauprojekte. Dennoch blieb viel zu tun, da jeder Schritt diskutiert und gemeinsam entschieden wurde. Selbst über die Form der Türklinken hat die Gruppe abgestimmt. Christina Maiwald: "Es war mühsam. Wir mussten uns in die Themen einarbeiten." Auch darüber, wer bei der Dorfgemeinschaft dabei sein durfte, wurde beraten. Krebs-Lawall: "Es dauert eben manches ein bisschen länger. Aber das Leben in der Gemeinschaft ist die Wohnform der Zukunft."

Bei den Wilden Rosen bedeutet Gemeinschaft, zu geben und zu nehmen. Jeder Erwachsene muss pro Monat fünf Stunden auf dem Gelände arbeiten, beispielsweise die Beete pflegen. Im Gegenzug wird zusammen gelebt und gefeiert, aber auch gemeinsam getrauert. "Es ist viel intensiver als in einer normalen Wohnung", so Christina Maiwald, "zusammen haben wir Höhen und Tiefen erlebt." Kirsten Krebs-Lawall fügt hinzu: "Es ist absolut bereichernd, weil das soziale Leben bunt und lebendig ist." Häufig würde es an der Tür klingeln. Viele Freundschaften seien entstanden, und es gibt sogar eine eigene Währung, den Rosentaler. Damit können sich die Bewohner gegenseitige kleine Leistungen kaufen, beispielsweise eine Massage oder das Kürzen von Hosenbeinen.

Doch das enge Zusammenleben und die gemeinsame Entscheidungsfindung bergen auch Schwierigkeiten. Momentan sind die Wilden Rosen aber noch euphorisch. Derzeit steht die Dorfgemeinschaft vor einem wichtigen Schritt, der Loslösung von der Projektentwicklungsgesellschaft. "Wir fangen an, auf eigenen Beinen zu stehen und übernehmen jetzt viele Aufgaben selbst", sagt Krebs-Lawall. Dazu gehöre auch, dass sich die Gemeinschaft dafür einsetze, dass der Bornkampsweg eine Tempo-30-Zone bleibt - damit die Kinder sicher vom nördlichen in den südlichen Teil laufen können.

Auch der Bau weiterer Gebäude steht bevor. Inmitten des Wohnprojekts plant die Benno und Inge Behrens Stiftung zwei Häuser mit Kleinwohnungen für geistig und mehrfach behinderte junge Menschen. Das Projekt entstand aus einer Initiative des Vereins "Die Robben", einem 2005 gegründeten Zusammenschluss von Eltern behinderter Kinder. "Menschen mit Handicap zu integrieren, gehört zu meinem Menschenbild. Ich bin total begeistert, dass wir eine solche Möglichkeit hier bieten werden", sagt Christina Maiwald, "wir haben extra barrierefrei gebaut."

Neben einer vom Robben-Verein geplanten Küchenwerkstatt und einem geplanten Café können die Bewohner mit Behinderungen in einer Textilwerkstatt im benachbarten Dorfprojekt Allmende eine Beschäftigung finden. Seit September 2009 wird dort gewebt und gefilzt. "Wir wünschten uns, dass unsere Kinder an einem Ort leben und arbeiten können, der nicht abgeschlossen, sondern eingebettet in das soziale Leben ist", sagt Gabriela Grimmelmann. Sie gehört zum Vorstand des Robben-Vereins und hat selbst eine behinderte Tochter, die in der nach anthroposophischen Werten geführten Werkstatt eine Beschäftigung gefunden hat.

Julian Volk ist einer der sieben jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 21 Jahren, die in der Werkstatt arbeiten. Er sitzt an einem hölzernen Webstuhl und schaut konzentriert auf das Webschiffchen in seiner Hand. Langsam wandert es durch die aufgespannten Fäden und zieht einen schmalen roten Stoffstreifen nach sich. "Das wird ein Teppich", sagt der 20-Jährige, "mir macht die Arbeit Spaß."

Julian Volk hat in der Werkstatt eine neue Perspektive gefunden, so wie es sich die Eltern für ihre Kinder gewünscht hatten. Anke Brammen, Leiterin der Hermann-Jülich-Werkgemeinschaft, dem Träger der Werkstatt, formuliert den Erfolg des Projekts so: "Das Tempo des Zueinanderfindens hier auf Allmende ist genau richtig für die Behinderten." Gabriela Grimmelmann fügt hinzu: "Die gefertigten Produkte verkaufen wir auf Märkten in Hamburg und Schleswig-Holstein." Das Auftragsbuch sei gut gefüllt. Brammen: "Wir sind sehr daran interessiert, dass die Gruppe wächst. Wir haben noch freie Plätze." Sie zu besetzen, scheitere derzeit vor allem daran, dass die Wohnhäuser für die Behinderten im südlichen Wilde-Rosen-Gebiet noch nicht gebaut sind. "Wir warten jeden Tag auf den Bescheid der Investitionsbank Schleswig-Holstein", so Brammen. Sobald dem Förderantrag der Stiftung stattgegeben werde, könne der erste Spatenstich erfolgen. Im Spätsommer 2012 seien die Häuser voraussichtlich bezugsfertig. Dann wächst die Dorfgemeinschaft um weitere Wilde Rosen.