Unser Dorf: Das Abendblatt auf Tour in Rehhorst. Dort werden die Gänse mit Shampoo hübsch gemacht, dort genießen die Bewohner die Idylle mit Natur und Tieren

Lautes, aufgeregtes Geschnatter tönt über die leere Wiese. Wenige Sekunden später tauchen hinter dem Stall 34 strahlend weiße Gänse auf. Die Tiere laufen auf Klaus Gerritzen zu und stürzen sich auf die Mohrrüben, die der Gärtner vor sich auf den Boden geschmissen hat. "Das ist mein Hobby", sagt der 50-Jährige. "Andere gehen in die Kneipe, um Bier zu trinken, und ich gehe halt zu meinen Tieren."

Angefangen hat alles vor 15 Jahren. Damals ließ Gerritzen auf seinem Grundstück im Rehhorster Ortsteil Pöhls einen Teich ausheben und überlegte, wie er den Rasen an der schrägen Uferfläche mähen sollte. "Irgendwann kam mir die Idee, einfach ein paar Gänse zu züchten und dort weiden zu lassen", sagt er und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: "Eigentlich wollte ich sie nur zum Schlachten haben." Doch Klaus Gerritzen beginnt, die Tiere in sein Herz zu schließen, und Ausstellungen mit ihnen zu besuchen. Inzwischen ist er mit seinen Gänsen mehrmals Landesmeister geworden. "Vor den Ausstellungen wasche ich die Tiere in einer Badewanne mit lauwarmen Wasser und Babyshampoo", sagt er. "Das finden sie richtig klasse. Hinterher glänzen sie."

Klaus Gerritzen lebt von Geburt an in Pöhls. 1978 schloss sich das Dorf nordwestlich von Zarpen mit Rehhorst und Willendorf zu einer Gemeinde zusammen. Seine Frau Birgit ist seit 2008 Bürgermeisterin des Ortes. "Ich bin nie auf die Idee gekommen, von hier wegzuziehen", sagt die 49-Jährige, die seit ihrem zweiten Lebensjahr in Rehhorst lebt. "Wir kennen uns alle und es ist immer jemand zum Klönen da." Außerdem genieße sie die Ruhe, wenn sie morgens mit ihrem Hund spazieren gehe und den Sonnenaufgang bewundere.

Doch im Winter könne das Leben auf dem Land auch Nachteile haben, insbesondere wenn es so viel schneie wie in den vergangenen beiden Jahren. Mehrmals war Rehhorst damals aufgrund der Schneemassen von der Außenwelt abgeschnitten. Und auch die Straße zwischen den Ortsteilen Willendorf und Pöhls habe öfter mal eine Woche lang gesperrt bleiben müssen. In solchen Situationen sei die Dorfgemeinschaft besonders gefragt. Gerritzen: "Die Landwirte nutzen dann ihre Fahrzeuge, um die Wege freizuschaufeln oder sie helfen, wenn sich ein Autofahrer festgefahren hat. Das ist klasse."

Diesen Zusammenhalt der Bürger schätzt auch Christa Wunsch. "Bei uns wäscht eine Hand die andere. Das gibt es in der Stadt so nicht", sagt die 62-Jährige, die in Rehhorst geboren wurde, aber auch schon mal mehrere Jahre in Lübeck gewohnt hat. Auch ihr Sohn Christian kehrte wieder in seine Heimat zurück, nachdem er zwischenzeitlich drei Jahre in Bad Oldesloe gelebt hatte. "Das Leben hier ist einfacher", sagt der 28-Jährige. "wenn ich etwas brauche, zum Beispiel irgendein Werkzeug, dann kann ich zu einem anderen Dorfbewohner gehen und bekomme den Gegenstand von ihm."

Direkt am Wald, in der Siedlung Voßkaten, ist Rudolf Stapelfeldt zu Hause. Sein Hof ist bereits seit 1823 in Familienbesitz. Stapelfeldts Großeltern führten zudem eine Gastwirtschaft. "Viele Reinfelder sind früher nach Voßkaten gewandert und bei uns eingekehrt. Es war immer einiges los", erinnert sich der 70-Jährige. Inzwischen ist die Gaststätte allerdings seit mehr als 30 Jahren geschlossen. Dennoch kämen weiterhin viele Reinfelder nach Voßkaten, um dort ihre Autos abzustellen und anschließend durch den Wald zu laufen.

Grüne, braune, rote, weiße und orangefarbene Wände erwarten die Menschen, wenn sie den ehemaligen Kaufmannsladen in Rehhorst betreten. Die Räume sind seit zwei Jahren fest in der Hand der Jugendlichen. Sie bauten ihn zu einem Jugendtreff um. Montags und freitags treffen sich die Zehn- bis 17-Jährigen dort, um gemeinsam Billard oder Kicker zu spielen, zu basteln oder zu kochen. Montags werden sie dabei von Hinrich Wildfang vom Kreisjugendring betreut, freitags liegt die Verantwortung bei drei Jugendgruppenleitern aus der Gemeinde.

Für die Kleineren gibt es rund 200 Meter weiter den Kindergarten Gänseblümchen. Er wurde vor 25 Jahren von einer Elterninitiative ins Leben gerufen und wird auch heute noch von den Müttern und Vätern organisiert. So müssen sich die Eltern zum Beispiel ums Einkaufen und das Waschen der Handtücher kümmern. Außerdem springen sie ein, wenn eine der beiden Betreuerinnen krank ist oder für einen Ausflug Fahrer gebraucht werden.

"Es ist super, einen Kindergarten im Ort zu haben", sagt Karsten Kurth-Deutschmann, der gerade seinen Sohn Dayo Mick abholt. Der Vierjährige ist einer von 16 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren, die zurzeit in der Einrichtung betreut werden. Maximal gibt es in dem Kindergarten Platz für 20 Kinder. Die pädagogische Leiterin Petra Kaukewitsch sagt: "Wir wollen den Kindern dabei helfen, so schnell wie möglich selbstständig zu werden."

Neben dem Kindergarten ist der Sportverein zu Hause, der 150 Mitglieder zählt. Es gibt eine Kegelsparte, zudem wird Fußball und Jazz-Tanz für Kinder angeboten. Willi Feddern ist seit der Gründung im Jahr 1949 Mitglied des Vereins. "Früher liefen auf dem Sportplatz wochentags noch die Kühe", erinnert er sich. "Bevor dann am Sonnabend das Fußballspiel starten konnte, mussten wir erst einmal die Fladen aufsammeln."

Die Jazz-Tanz-Gruppen werden von Carmen Bleß geleitet. "Wir studieren Tänze ein, die wir dann zum Beispiel den Senioren vorführen", sagt die 42-Jährige, die auch Erste Vorsitzende des Vereins zum Vogelschießen ist. Bei dem Fest, das jedes Jahr zwei Wochen vor Beginn der Sommerferien auf dem Sportplatz gefeiert wird, kommt fast das ganze Dorf zusammen. "Das ist einfach nur schön", sagt Carmen Bleß, die vor elf Jahren von Reinfeld nach Rehhorst gezogen ist. "Ich möchte hier nicht mehr weg", sagt sie. "Die Dorfgemeinschaft ist toll. Alles läuft bei uns Hand in Hand. Der Seniorenclub, der Sportverein und der Kindergarten unterstützen sich gegenseitig."

Die Mitglieder des Seniorenclubs haben sich im Gemeinschaftshaus nebenan versammelt. Einmal im Monat treffen sie sich entweder dort oder im Gemeinschaftshaus Pöhls, um bei Kaffee und Kuchen den neusten Klatsch aus der Gemeinde auszutauschen und anschließend Spiele wie Kniffel, Skat oder Rommé zu spielen. Etwa 40 Rehhorster sind meistens dabei. Renate Eggert, Lieselotte Feddern, Ursula Neumann und Erika Schecke haben sich an diesem Tag für Kniffel entschieden. "Ein Full House", ruft Erika Schecke begeistert, während sie den Würfelbecher hebt. "Habt ihr das gesehen?" Noch ausgelassener werde die Stimmung, wenn jemand von ihnen einen Kniffel werfe, sagt Schecke: "Dann muss derjenige eine Runde Baileys ausgeben."

Wenige Meter weiter die Straße hinauf steht der Hof der Familie Meyer. Seit 1719 sind die Meyers in Rehhorst zu Hause. Eike Meyer ist allerdings erst vor 18 Jahren nach Rehhorst zu ihrem Mann gezogen. Die 46-Jährige sagt: "Es ist schön, mit der Natur zu leben. Die Kinder haben viel Platz, um sich auszutoben." Auch sei es gut, dass die Nachbarn aufeinander Acht geben würden. Meyer: "Sie passen auf und merken, wenn irgendwo Fremde sind."

Auf dem Grundstück der Familie Behrens im Ortsteil Pöhls leben vier Generationen. Anika Behrens-Hartkopf wohnt dort mit ihrem Mann und ihrem zweijährigen Sohn Julian Tür an Tür mit ihren Eltern und ihrer Großmutter. "Ich liebe das Landleben", sagt die 32-Jährige. "Hier ist es ruhig und ich habe die Natur und die Tiere direkt vor der Tür. Das ist für mich Luxus." Anika Behrens-Hartkopf wohnt nicht nur in Pöhls, sie arbeitet auch dort. Vor acht Jahren machte sie sich mit einem eigenen Kosmetikstudio selbstständig. Sie sagt: "Ich habe auch Kunden aus Reinfeld und Lübeck, die sich auch auf die Ruhe freuen, wenn sie zu mir aufs Land kommen, um sich behandeln zu lassen."