Mit einer Veranstaltungsreihe will der Pianist Gottfried Böttger dem Jazz in Ahrensburg eine Heimat geben. Am 8. Oktober gibt's einen Mix mit Gipsy

Ahrensburg. Er spielt jeden Tag. Schon vor dem Zähneputzen. Kaum aufgewacht, geht er an die Tasten. Tonleitern, Akkorde. Übungen. Das ganze Programm zum Warmwerden. Erst dann gibt's Frühstück: Gottfried Böttger. Mit Musik steht er auf. Mit Musik im Ohr geht er zu Bett. Das wird oft sehr spät. Denn dann sitzt der Pianomann nicht Zuhause am Klavier, sondern in einem Studio, einem Konzertsaal, auf der Bühne der Hamburger Fabrik oder bei einer Session auf einem Straßenfest. "150 bis 200 Konzerte sind es im Jahr", sagt Gottfried Böttger, der nun am 8. Oktober eine Session auf der Bühne des Ahrensburger Marstalls durchziehen wird - mit langjährigen, musikalischen Wegbegleitern.

"Gottfried und Freunde" heißt es daher ab 20 Uhr. Mit von der Partie ist die Crème der Swing- und Gipsy-Jazzszene. Dave Bowler wird spielen, Benny Alvers, der Sinti-Gitarrist Manusch Weiss und Kohe Reinhardt - kein Geringerer als der Großneffe des legendären Gitarristen Django Reinhardt. "Er war ein Jahrhundertmusiker. Ein Ausnahmetalent", sagt Marstall-Manager Armin Diedrichsen, der sich schon auf Gottfried und seine Freunde freut.

Dieses Motto gilt gleich für eine ganze Veranstaltungsreihe, die Gottfried Böttger in der Schlossstadt etablieren will. Genug Kraft und Ideen hat er dafür. Mit seinen 61 Jahren ist er fit. Wieder fit. Er hat eine schwere Krankheit hinter sich, und seine Frau hat ihn verlassen.

Der Künstler spricht offen darüber: "Ich hatte Blasenkrebs. Das Lustige war, dass im Krankenhaus ein Klavier stand. Ich habe natürlich drauf gespielt. Und dann konnte nicht operiert werden, weil sie alle zum Zuhören kamen." Warum ihn seine Frau verlassen hat, wisse er bis heute nicht. Aber es gibt eine neue Liebe. "Absolut", sagt Böttger, "sie ist die Frau, der ich 1963 den ersten Liebesbrief geschrieben habe."

Die Leidenschaft aus den wilden Siebzigern, als er mit Udo Lindenberg das Panikorchester gründete und mit langen Haaren frech in der Hamburger Rentnerband loslegte, ist noch immer da. "Aus der Zeit stammt auch mein Spitzname "Balno", den mir meine Gipsy-Freunde verpasst haben. Das ist Sinti und heißt: der Haarige", sagt Böttger. Der Jazz ist ihm eine Herzensangelegenheit. Er möchte ihm eine Heimat geben, so wie er selbst vor knapp einem Jahr Hamburg-Pöseldorf den Rücken gekehrt und in Ahrensburg eine neue Heimat gefunden hat. Die neue Veranstaltungsreihe soll dabei helfen. "Und das ist bitter nötig", sagt Armin Diedrichsen. "Der Jazz braucht ein Zuhause. Selbst in der Hochburg New York sterben immer mehr Jazz-Clubs. Abseits der Festivals hat er es schwer. Deswegen ist diese Initiative so wichtig", sagt Diedrichsen. Der Frühschoppen mit Dixie ist beliebt. "Aber schon beim Bebop hört es auf. Dabei ist der so avantgardistisch nun wirklich nicht, mit seinen 70 Jahren."

Der Pilot-Abend im März war ein voller Erfolg. Böttger: "Um viertel nach Zehn sollte eigentlich Schluss sein." Um halb Zwölf waren Gottfried und seine Freunde immer noch auf der Bühne. Auch für den 8. Oktober hofft der Musiker auf ein volles Haus und eine Super-Stimmung. Und es geht weiter. Diedrichsen: "Für das nächste Jahr sind drei Konzert geplant. Das erste gleich im Januar. Dann kommt eins im April." Das Konzept auch hier: Gottfried kennt sie alle, die anderen Künstler lernen sich kennen, improvisieren, haben Spaß und sollen das Publikum mit ihrer Freude anstecken. "Ich bin sozusagen die Klammer und halte alles zusammen", sagt der Neu-Ahrensburger und legt beim Fototermin gleich richtig los, erst mit wippendem Fuß, dann auf Samtpfoten, ganz leise. "So kann man Jazz auch spielen", sagt der Pianist und vergisst fast, dass noch gar kein Publikum da ist.

Das dritte Konzert wird etwas abweichen. Am 1. September müsste es eigentlich "Gottfried und Freund" heißen, denn dann ist Christian Willisohn der einzige Gast - und Klassik trifft auf Blues. "Das haben wir uns gewünscht. Und das bekommen wir jetzt", sagt Diedrichsen. Er und vor allem die Zuhörer bekommen aber noch mehr.

Böttger möchte die Jugend begeistern und sie für den Jazz gewinnen: "Wir wollen einen Wettbewerb starten und dafür mit den Stormarner Musikschulen zusammenarbeiten." Die Nachwuchstalente sind aufgefordert, über ein Thema zu improvisieren und sich für einen Vorentscheid qualifizieren. Böttger: "Es wird vier oder fünf Konzerte im Pianohaus Zechlin geben, mit Jury und Publikum. Die Finalisten spielen dann im Marstall."