Glinder Abc-Schützen verteilen Äpfel und Zitronen an Autofahrer. Polizei bittet um mehr Rücksicht, “bevor noch etwas schreckliches passiert.“

Glinde. Es ist kurz vor halb neun, als die Schüler der 1 b der Grundschule Wiesenfeld in Glinde Händchen haltend zu der Fußgängerampel am Holstenkamp marschieren. Schüchtern umringen sie Patrick Moser, der, bemützt und mit schwarzer Regenjacke ausgestattet, mit seinen Kolleginnen ein Lasergeschwindigkeitsmessgerät am Straßenrand aufgestellt hat. "POLIZEI" steht groß auf den Jacken der Beamten.

Müde warten die knapp über einen Meter großen Schulanfänger darauf, was gleich kommt. Nur einer ist schon ganz wach: der kleine Bennet. Der Sechsjährige stellt sich mit erhobenen Arm schnipsend vor den Schutzmann - der sich Präventionsbeamter nennt -, als dieser fragt: "Wisst ihr denn, was wir hier jetzt machen? Wir wollen zusammen mit euch messen, wie schnell die Autos hier vorbeifahren und gucken, ob sie zu schnell sind. Und, wisst ihr auch, was wir gleich verteilen wollen?"

Bennet weiß es ganz genau: Äpfel für die vorbildlichen Fahrer und Zitronen für Verkehrsünder. "Süßes und Saures", sagt er kichernd und steht schon wieder schnipsend da. "Der Sven hat auch so ein Auto, der ist auch Polizist", verrät er seine ganz privaten Verbindungen zu den Ordnungshütern und schaut dabei fast ein wenig verschwörerisch durch seine runden Brillengläser. Den Sven aber habe er nie bei der Arbeit begleitet. Um so mehr freut er sich auf die Aktion "Äpfel und Zitronen".

Mit dem Einsatz will die Polizei zusammen mit den Schülern Autofahrer in Glinde daran erinnern, dass nun wieder Abc-Schützen unterwegs sind und Autofahrer aufmerksamer an Schulen vorbeifahren und sich an Tempo 30 halten sollen.

Lucas ist der erste, der mit der Polizistin Annett Zimmer durch das Lasergerät gucken und "schießen" darf. Mit dem roten Punkt im Sucher visiert der Siebenjährige einen schwarzen Kombi an. Drückt auf den Abzug. Das Gerät piept. Volltreffer. Der Mann am Steuer fährt zu schnell und wird auch prompt angehalten.

Es ist Carsten Walczok, Glindes Stadtarchivar. "Das ist ja mal ein richtiger Promi hier", sagt Polizist Patrick Moser lachend und legt nach einem Räuspern eine erste Miene auf. "Sie sind zu schnell gefahren", sagt er streng.

36 Kilometer pro Stunde, das beweist Lucas' Messung. Und schon streckt ihm der sechsjährige Vladimir eine Zitrone durchs heruntergefahrene Fenster ins Auto. Peinlich, denn Walczok war selbst einmal Polizist. "Das ist aber schon ein bisschen her", sagt er. Das solle aber keine Entschuldigung sein. Auch nicht, dass er es eilig habe, pünktlich zur Arbeit zu kommen, sagt er und gelobt Besserung.

Kurz darauf erwischt es Bärbel Michael. 44 Kilometer pro Stunde ist sie in der Tempo-30-Zone gefahren. "Das hätte sie jetzt 25 Euro gekostet", sagt Patrick Moser mahnend und lässt die sechsjährige Mia ans Autofenster - mit einer Zitrone in der Hand. "Vergangenes Jahr habe ich noch einen Apfel bekommen", sagt die Mutter, deren Kinder selbst in die Wiesenfeld-Grundschule gehen. "Warum bist du so schnell gefahren?", will Mia wissen. "Ich habe einfach nicht darauf geachtet. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit und habe es eilig", sagt Bärbel Michael und verspricht, künftig aufmerksamer zu sein.

Patrick Moser sagt: "Es zeigt sich immer wieder, dass Autofahrer unvorsichtig fahren, in verkehrsberuhigten Straßen oder 30er-Zonen zu schnell unterwegs sind." Häufig sei es Gedankenlosigkeit. "Es wird oft gehetzt, Leute telefonieren, sind abgelenkt. Das Nachdenken setzt häufig erst ein, wenn etwas Schlimmes passiert ist", sagt er.

In Stormarn sind im vergangenen Jahr 17 Kinder verletzt worden, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs waren. Ein Kind kam im Sommer 2010 bei Grande ums Leben gekommen, weil es mit dem Rad ins Straucheln kam und dann von einem Auto erfasst wurde. Und auch in diesem Jahr zeige die Statistik der Polizei: Sieben Kinder, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs waren, sind bis September in Verkehrsunfälle verwickelt gewesen. Gerade bei ganz kleinen Kindern, aber auch bei den etwa Zehnjährigen, die vermehrt mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen, sei erhöhte Vorsicht geboten. Vor allem in der Nähe von Schulen.

Die Aktion mit Äpfel und Zitronen sei eine gute Sache, wirke eher nach als ein Schreiben, das erst Wochen später im Briefkasten lande, nachdem ein Fahrer geblitzt wurde. "Vor allem, wenn dann noch die mahnenden Worte aus Kindermündern kommen", sagt Moser. Die Aktion, die es bereits zum dritten Mal in Stormarn gab, soll 2012 weitergehen. Auch dann gibt's wieder Zitronen und natürlich auch Äpfel - wie für den 51 Jahre alten Busfahrer Hubert Knoblauch. Vorbildliche 26 Stundenkilometer ist er gefahren. Vanessa sagt: "Dafür schenke ich dir einen Apfel."