Die Großhansdorferin Nina Ponath hat in einer französischen Gastfamilie Unangenehmes erlebt. Wie andere auch. Daraus hat sie ein Buch gemacht

Großhansdorf. Wenn Nina Ponath über "Au-pair" spricht, dann weiß sie, wovon sie redet. "Ich habe selbst fünf Monate in Frankreich als Au-pair gearbeitet. Viele Au-pairs, die ich kenne, hatten ähnlich skurrile Erlebnisse. Diese Geschichten musste einfach jemand erzählen." 33 Geschichten aus dem Leben verschiedener Au-pair-Mädchen hat sie aufgeschrieben, jetzt erscheint das Buch.

Zunächst sei es ihr gar nicht darum gegangen, zu schreiben. Sondern zu sprechen, nämlich Französisch. Deswegen heuerte sie als Au-pair-Mädchen in Paris an. Die Familie, bei der sie unterkommt, scheint zunächst sympathisch zu sein. "Ich kümmerte mich um zwei Jungs, acht und zehn Jahre alt. Der Vater war Diplomat, die Mutter sehr intelligent und nett. Aber leider hatte sie auch Depressionen und war schizophren." Von der Krankheit habe sie erst nach und nach erfahren. So habe die Mutter immer von Freunden erzählt, die gar nicht existierten. "Die hat sich das einfach vorgestellt. Für die Kinder war das keine leichte Situation", sagt die 23 Jahre alte Großhansdorferin.

In ihrem Buch beschreibt sie, wie sie in den ersten Wochen die üblichen Au-pair-Aufgaben übernimmt: die Kinder zur Schule bringen, einkaufen und kochen. "Die Mutter kam da nur selten mit. Sie hatte Angst, dass sie ausspioniert wird", sagt Ponath. Deswegen hätten die Kinder auch keinen Besuch haben dürfen. Langsam beobachtet sie, wie die Familie an der Krankheit der Mutter zerbricht. "Manchmal hörte ich Geschichten von Nachbarn, wie der Vater über die Familie geredet habe und dabei in Tränen ausgebrochen sei", erinnert sie sich und sagt: "Er soll erzählt haben, dass seine Frau verrückt sei."

Es ist eine unangenehme Situation für Nina Ponath, die um das Wohl der Kinder, aber auch um ihr eigenes fürchtet. Denn die Gastmutter ist unberechenbar. Immer wieder habe sie sich mit ihrer eigenen Mutter beraten, die in der psychologischen Beratung arbeitet. Ihr Urteil: "Ich soll mir keine Sorgen machen. Menschen, die schizophren sind, seien nicht gefährlich für andere. Doch so richtig beruhigend war das nicht", sagt Ponath.

Nach drei Monaten ist die Situation nicht mehr auszuhalten. "Als ich einmal von einem Ausflug nach Hause kam, sagte die Mutter mir, dass sie nicht glaube, dass ich zufällig da sei. Sie glaube, dass ich ein Spion sei", sagt Ponath. So hatte sie sich ihren Aufenthalt in Frankreich nicht vorgestellt. Fluchtartig verließ sie das Haus der Familie. "Ich habe alles liegengelassen, bin zu Freunden gegangen und musste mich erst mal ausheulen. Erst später bin ich mit einem Freund zurückgefahren und habe meine Sachen geholt." Danach habe sie den Kontakt zur Familie abgebrochen.

Auf Au-pair hatte sie keine Lust mehr, sie kehrte nach Deutschland zurück. Heute sagt sie: "Ich habe den Aufenthalt nicht bereut. Immerhin habe ich etwas erlebt, das ich niemals vergessen werde. Und die Liebe zur französischen Sprache habe ich auch entdeckt." Deswegen hat sie ein Lehramtsstudium in Kiel begonnen, das sie ab Oktober in Hamburg fortsetzen wird.

Das Thema Au-pair hat sie aber nie losgelassen. Nach ihrer Rückkehr hört sie im Freundeskreis von Geschichten, die ihrer eigenen nicht unähnlich sind. Viele ihrer Kommilitoninnen seien auch im Ausland gewesen und hätten ihren Aufenthalt abbrechen müssen, weil sie es nicht mehr ertragen hätten. "Eine Freundin wurde in den USA von einen Tag auf den anderen vor die Tür gesetzt, weil sie nicht jeden Abend mit der Familie zusammensitzen, sondern auch mal ihre Freunde treffen wollte", beschreibt Nina Ponath einen Fall, der auch in ihrem Buch vorkommt.

Die Idee, ein Buch über Au-pair-Erlebnisse zu schreiben, sei erst geboren worden, als sie ein Praktikum bei einer Berliner Literaturagentur machte. "Da habe ich die Profile vieler Verlage kennengelernt und einfach eine Kurzgeschichte an einen geschickt, der mir gefallen hat." Schon bald folgt die Antwort. Ein Berliner Verlag will die Geschichte. Besser gesagt: 33 Geschichten, um ein ganzes Buch zu füllen. Für Ponath ganz überraschend: "Ich war doch Studentin, und nun wollten die ein Buch. Ich war wie in Trance und dachte, dass ich mir das alles einbilde."

Dass es sich aber um die Realität handelt, merkt Nina Ponath, als sie sich hinsetzt, um zu schreiben. Es sind ihre eigenen Erfahrungen und die aus dem Bekanntenkreis. "Ich habe sehr viele Interviews mit Au-pairs und Leuten, die Au-pairs hatten, geführt. Manchmal konnte ich gar nicht glauben, was man mir so erzählt hat", sagt sie. Ein Mädchen habe eine Affäre mit ihrem Gastvater angefangen. Ein anderes habe sich mit übergewichtigen Kindern mit einem Hang zur Erpressung auseinandersetzen müssen. In einer weiteren Geschichte geht es um Marta (Name geändert) aus Lettland. "Nachdem sie in Deutschland angekommen war, schloss sie sich erst mal drei Wochen in ihrem Zimmer ein. Als sie sich dann endlich mal am Familienleben beteiligte, lieh sie sich erst mal alle DVDs der Familie aus." Aus den DVDs seien schnell auch Wertgegenstände geworden, und mit leihen habe das Au-pair wohl "nicht zurückgeben" verwechselt. Schließlich habe sie gehen müssen.

"Die meisten Geschichten sind aber nicht so ernst", sagt Ponath. Sie sollen vor allem unterhaltsam sein. Drei Monate habe sie jeden Tag an ihrem Buch gearbeitet. Nebenher sei ihr die Arbeit an der Bachelor-Prüfung wichtig gewesen. "Das war eigentlich schwieriger als die Arbeit am Buch", sagt sie. "Bei meinen Geschichten hatte ich mehr Freiraum, mich auszudrücken."

Lehrerin will sie dennoch werden. "Ich gehe gerne in die Schule und unterrichte, wie ich es schon bei einigen Praktika gemacht habe", sagt sie. Schreiben wird sie aber auch weiterhin. "Ich arbeite schon an einem neuen Buch. Worum es da genau geht, mag ich noch nicht verraten. " Sie warte nun erst mal ab, wie sich ihr Buch auf dem umkämpften Literaturmarkt schlage. Das sei wie bei der alten Frage, ob es ein Geräusch gibt, wenn im Wald ein Baum umfällt, aber keiner da ist, um es zu hören. "Gibt es ein Buch wirklich, wenn keiner es liest? Erst wenn ich Leser habe, werde ich glauben können, dass ich wirklich ein Buch geschrieben habe."

Das Buch "Au-pair: 33 wahre Geschichten über skurrile Gastfamilien, verrückte Kleinkinder und das große Abenteuer Ausland" erscheint am 15. September im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf.