Unser Dorf: Dieses Mal waren wir zu Besuch in Meddewade. Vieles spielt sich rund um die ehemalige Bildungsanstalt ab, die von den Bewohnern selbst restauriert wurde

Im Wohnzimmer von Bürgermeisterin Marleen Wulf saßen die Meddewader zusammen, kramten in ihren Gedächtnissen und recherchierten Daten, die Hunderte von Jahren zurückliegen. 578 Jahre Geschichte kamen so ans Tageslicht, aufgeschrieben wurde alles von Doris und Eckhard Moßner in einer großen Chronik."Das war eines meiner Highlights in der Dorfgeschichte", sagt Marleen Wulf. "Alle Vereine waren eingebunden, wir saßen Stunden und Tage bei mir zu Hause zusammen."

Die Gemeindevertretung setzt sich aus zwei Parteien zusammen: Die Wählergruppe Meddewade, die im kommenden Jahr 50-jähriges Bestehen feiert, und die 1997 gegründete Partei TEAM. Der Name stehe für "tolerante, engagierte, aktive Meddewader", erklärt die Bürgermeisterin, die der Partei angehört. Seit 1998 ist die 57-Jährige im Amt. Seitdem hat sich vieles verändert, sagen die Meddewader. "Mein stetiges Ziel ist es, die Gemeinschaft im Dorf zu stärken und alle Vereine und Organisationen zu unterstützen", sagt sie. Dass die Bürger dabei mitziehen, sei ihr besonders wichtig. "Nur so funktioniert eine Gemeinschaft." Marleen Wulf ist gebürtige Meddewaderin. "Und das mit Leib und Seele", betont sie.

1889 wurde die Freiwillige Feuerwehr gegründet. Heute hat der Verein 37 aktive und elf Ehrenmitglieder. "Der Zusammenhalt ist alles. Wenn ein Kamerad Hilfe braucht, sind wir für ihn da", sagt Wehrführer Jörg Barkmann. Der älteste Verein ist neben der Feuerwehr der im Jahr 1912 gegründete Sparklub "Edelweiß". "Jedes Jahr im November organisieren wir unser großes Auszahlungsfest", sagt der Vorsitzende Wolfgang Kopplow. 1992 sei dann der zum Sparklub gehörige Kulturverein gegründet worden. "Das war der Anfang des Kulturlebens in Meddewade", sagt Wolfgang Kopplow.

Beste Erinnerungen haben alle Dorfbewohner an den Umbau der "Alten Schule". Das historische Gebäude von 1858 wurde zuletzt kaum noch genutzt. Gemeinsam sanierten alle Meddewader in Eigenregie das Haus. Acht Jahre dauerte die Fertigstellung der drei Bauabschnitte, am 26. April 2008 feierte die Dorfgemeinschaft die Einweihung. Insgesamt 620 000 Euro kostete der Umbau, 301 000 Euro brachte die Gemeinde in Eigenleistung auf, der Rest wurde durch Fördermittel finanziert. "Jeder hat mitangepackt, jedes Wochenende haben wir auf der Baustelle gemeinsam gearbeitet", erinnert sich Marleen Wulf. Angeleitet wurden die Bürger dabei von Architekt Michael Stropeit. "Er hat auch das Material besorgt", sagt Jürgen Voß, Vorsitzender des Fördervereins "Alte Schule Meddewade". Insgesamt 43 000 Euro hat der Verein während der Bauphase von 2001 bis 2008 an die Gemeinde überwiesen.

Die Alte Schule wird heute als Gemeindezentrum genutzt. Die Vereine des Dorfes treffen sich dort, außerdem kann man das Haus für private Veranstaltungen mieten. "Dafür muss man sich aber mindestens ein Jahr vorher anmelden", sagt Jürgen Voß. "So viel ist bei uns immer los." Marleen Wulf ist glücklich über die gelungene Aktion. "Die Alte Schule ist so wertvoll für uns. Ohne die unglaubliche Hilfe aller Bürger hätte das Projekt niemals realisiert werden können."

"Der Umbau der Alten Schule hat unser Dorf zusammengeschweißt", sagt Wolfgang Kopplow. Ausgangspunkt der Idee vom Umbau war die Schließung der alten Brotfabrik. 1959 hatte sich das Unternehmen Paech-Brot in Meddewade angesiedelt. Ein Drittel des Ortskern nahm die 5,5 Hektar große Fabrik ein. Mehrfach wechselte das Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten den Besitzer, erinnern sich die Dorfbewohner. Zuletzt kamen nur noch sechs der Mitarbeiter aus Meddewade. 2006 zog die Brotfabrik dann nach Mecklenburg um. "Damit begann für uns zunächst das Elend", erinnert sich die Bürgermeisterin. Man habe nicht gewusst, was mit der riesigen Ruine mitten im Ort geschehen solle. "Außerdem hatten wir zuletzt schon beinahe eine Rattenplage", sagt Wulf.

Über eine Ausschreibung habe man dann einen Investor gefunden. Rudolf Schönwald aus Bargteheide übernahm das Gebiet. "Dort entstand unser Neubaugebiet mit 40 Bauplätzen", sagt die Bürgermeisterin. "Wir sind sehr glücklich über die neue Nutzung der Fläche. Einige Plätze sind noch frei."

Mit der Brotfabrik verschwand auch die dazugehörige Gastwirtschaft "Unter den Linden". Am 18. Oktober1971 hatten Edith und Manfred Hopp die Gaststätte gepachtet. Nachdem ihr Mann verstorben war, führte Edith Hopp die Gaststätte noch jahrelang alleine weiter. Am 29. Mai 1999 zapfte die heute 73-Jährige das letzte Bier in der Gaststätte. "Das war ein furchtbar trauriger Tag", erinnert sich Edith Hopp. Alleine wurde der Meddewaderin die Arbeit zu viel, das alte Gebäude hätte saniert werden müssen. "Und dafür fehlte einfach das Geld." Mit Reisebussen kamen die Gäste, Hochzeiten und das traditionelle Kindervogelschießen wurde "auf dem Saal", wie die Meddewader sagen, veranstaltet. "Oh Gott, was haben wir gefeiert", sagt Edith Hopp und muss bei der Erinnerung lachen. "Morgens um acht sind wir singend durch die Straßen ins Nachbardorf gezogen und nachts waren wir alle noch baden", erzählt die Gastwirtin. "Langweilig war mein Leben nie."

Kräftig gefeiert haben die Meddewader auch beim Amtsfeuerwehrfest im Jahr 2001. Im Dorf erinnert sich jeder Bürger gerne. "1000 Leute waren da, ich habe 140 Flaschen Sekt ausgeschenkt", sagt Edith Hopp. Eigentlich sei sie zu dem Zeitpunkt ja schon gar keine Barfrau mehr gewesen. "Aber dann stand ich doch wieder die ganze Nacht hinterm Tresen", sagt die 73-Jährige.

Als Edith Hopp die Gaststätte schließen musste, fehlten den Bürgern die Räume für Vereinsfeiern und private Treffen. Auch der Sportverein vergrößerte sich. So entstand die Idee, die Alte Schule zu renovieren. "Das haben wir alles nur Marleen zu verdanken", sagt Edith Hopp. Die Bürgermeisterin sei "voller Elan" bei der Arbeit gewesen. "Sie hat alle mitgezogen."

In dem heutigen Haus von Edith Hopp wohnte früher der international bekannte Mode-Designer Michael Michalski mit seinen Eltern. Mit 19 Jahren verließ er 1987 sein Heimatdorf und ging an eine Modeschule in London. "Mit elf Jahren hatte Michael schon eine Nähmaschine und schneiderte Hemden und Blusen", erzählt Marleen Wulf.

Stolz ist die Gemeinde heute auch auf ihre beiden Sportlerinnen. "Eisprinzessin" Malu Chayenne Heß trainiert dreimal pro Woche, Sonnabends sogar nachts. "Mein Wunsch ist es, später bei Holiday on Ice mitzuwirken", sagt die 13-Jährige. Die Fußballerin Gaitana Lippert hat mit sechs Jahren angefangen, im Meddewader Sportverein Fußball zu spielen. "Noch heute trainiere ich manchmal mit den Jungs auf dem Sportplatz im Ort", erzählt die 27-Jährige, die 2010 als "Fußballerin des Jahres" ausgezeichnet wurde.

Im Moment bauen die schwangere Gaitana und ihr Freund im Meddewader Neubaugebiet. Ihre Eltern leben im Ort, Mutter Regine Lippert ist die Postbotin der Gemeinde, "die zweitwichtigste Frau im Dorf", wie Marleen Wulf sagt. Vater Thomas Lippert ist der Vorsitzende des Sportvereines. "Wir haben 300 Mitglieder und seit neuestem eine Kinderkrabbelgruppe im Programm."

Für die Kinderbetreuung der Drei- bis Sechsjährigen im Ort ist Stefanie Hellwig, Leiterin des Meddewader Kindergartens, zuständig. "Das Tolle an der Arbeit im Dorf ist, dass wir Zeit haben, auf jedes Kind einzeln intensivst einzugehen", sagt die 48-Jährige. "Wir freuen uns, wenn unsere Kinder im Ort bleiben", ergänzt Marleen Wulf. Aber auch um das Wohl der Älteren kümmert sich die Bürgermeisterin. Oskar Reichert ist mit neunzig Jahren der ältester Bürger Meddewades. "Jedes Jahr kommt Frau Wulf ab jetzt zu meinem Geburtstag", sagt Oskar Reichert. "Wenn wir unsere gute Bürgermeisterin nicht hätten, wäre vieles im Ort anders." Bis zu Oskar Reicherts nächstem Geburtstag finden die Meddewader aber sicher noch zahlreiche andere Gelegenheit, wie früher "auf dem Saal" zu feiern. Aber diesmal in ihrer neuen Alten Schule.