Liebe Kinder, die ihr jetzt in die Schule kommt! Bald ist euer großer Tag: der erste Schultag. Seid ihr schon aufgeregt?

Als ich in die Schule kam, da war ich richtig nervös. Das weiß ich noch, als wäre es gestern gewesen. Und etwas ängstlich war ich auch. Ob ich das wohl alles schaffen würde? Lesen, schreiben, rechnen.

Aber als die Schule dann endlich anfing, war es richtig toll. Bald kannst du selber lesen und schreiben wie die Großen. Lernen macht Spaß. Ich wünsche euch, dass ihr gerne in die Schule geht! Und wenn ihr - genau wie ich - vielleicht doch noch ein bisschen Angst vor allem Neuen habt, das auf euch zukommt, dann möchte ich euch eine Geschichte erzählen:

Ein chinesischer Kaiser hörte von einem großen Künstler, der unheimlich schön mit Tusche zeichnen konnte. So beschloss der Kaiser, den Künstler zu besuchen und bei ihm eine Zeichnung in Auftrag zu geben. Er stand von seinem Thron auf und besuchte mit seinem ganzen Gefolge den Künstler in seinem Haus. "Zeichne mir einen Hahn - ja, genau: Kikeriki! Einen Hahn sollst du mir zeichnen, denn ich mag Hähne sehr gern." Das versprach der Künstler, und der Kaiser kehrte zurück auf seinen Thron.

Ein Jahr ging ins Land, dann noch eines - und als schließlich drei Jahre vergangen waren, hatte der Kaiser immer noch nichts von dem Künstler gehört. Da stand der Kaiser wieder von seinem Thron auf und besuchte mit seinem ganzen Gefolge den Künstler ein zweites Mal. Er wollte ihn zur Rechenschaft ziehen, denn er war inzwischen etwas zornig geworden über den Künstler.

"Wo ist die Tuschezeichnung, die ich bei dir in Auftrag gab? Einen Hahn solltest du mir zeichnen. Und? Hast du ihn mir gezeichnet?"

"Hmm, nun ja... dein Hahn...", erwiderte der Künstler. Hatte er den kaiserlichen Auftrag etwa vergessen? Oje! Aber der Künstler nahm nun ein großes Blatt zur Hand und zeichnete vor den Augen des Kaisers mit wenigen Tuschestrichen einen wunderschönen Hahn aufs Papier, eine Zeichnung, so schön, wie sie der Kaiser in seinem ganzen Leben noch nie gesehen hatte. Der Kaiser war zufrieden.

Aber als er den Künstler fragte, was die Zeichnung denn kosten solle, da bekam er einen ordentlichen Schreck, denn der Künstler verlangte einen unverschämt hohen Preis dafür. "Was", rief da der Kaiser, "in wenigen Augenblicken wirfst du mir diesen Hahn aufs Papier und willst dafür so viel Geld haben wie andere Leute nicht in einem ganzen Jahr verdienen?"

Der Künstler aber nahm den Kaiser nun still an die Hand und führte ihn durch sein Haus. In allen Zimmern lagen große Papierstöße mit Zeichnungen - und auf allen Blättern waren - Hähne!

"Siehst du", sagte der Künstler zum Kaiser, der hohe Preis ist gerecht, denn für die Zeichnung, die dir so mühelos und einfach erscheint, habe ich drei Jahre lang geübt. Drei Jahre habe ich gebraucht, um dir in wenigen Augenblicken diesen Hahn zu zeichnen."

Das verstand der Kaiser. Und nun freute er sich auch, dass er eine so schöne Tuschezeichnung hatte.

Also, denkt an den großen Künstler: Ihr müsst nicht alles sofort können und begreifen. Die richtig guten Sachen brauchen ihre Zeit! Und irgendwann weißt du, was du gut kannst. Vielleicht baust du später mal Flugzeuge oder pflegst kranke Menschen, wirst Försterin oder Bundeskanzler, kannst Häuser renovieren oder Autos reparieren, malst Bilder oder spielst im Orchester, backst Brote oder fährst zur See. Unter den Tausenden Möglichkeiten gibt es etwas, was du, nur du, besonders gut kannst.

Eine Aufgabe, die Gott, der jeden Menschen ins Leben gerufen hat, dir gegeben hat. Was es ist, das kannst du in der Schule herausfinden. Und wenn du es herausgefunden hast, dann machst du es. Aber bis dahin hast du noch viel Zeit zum Lernen und zum Spielen und zum Ausprobieren. Viel Spaß in der Schule wünsche ich dir! Aber vor allem wünsche ich dir Gottes Segen! Gott weiß, was du kannst. Er kennt dich und liebt dich so, wie du bist.