Vereine haben Nachwuchssorgen. Kosten für Umzüge steigen, Rückhalt in der Bevölkerung sinkt

Reinfeld/Barsbüttel. Wenn Alfons Rosenke seine Fotobox auf den Wohnzimmertisch stellt und in alten Bildern wühlt, wird er immer ein wenig traurig. Sein Blick fällt auf Fotos, die Feiernde in Festzelten, mit Fahnen geschmückte Häuser, winkende Menschen am Straßenrand, Schützen in Uniformen und Musikkapellen zeigen. Alfons Rosenke ist der zweite Vorsitzende des Schützenvereins Reinfeld und Umgebung. Doch das, was den Verein einst ausmachte, was Rosenke so sehr schätzt - ein alljährliches Schützenfest mit einem großen Umzug durch die Stadt - gibt es in Reinfeld nicht mehr. Auch in Barsbüttel ist gerade das für den 27. August geplante Schützenfest überraschend abgesagt worden. Vor allem aus Kostengründen.

Ein zunehmender Trend, wie Margit Kunde, Sprecherin des Norddeutschen Schützenverbands Schleswig-Holstein, weiß. "Viele Schützenvereine können nur noch von Jahr zu Jahr denken und wissen nicht, ob es noch lohnt, an den Festen und Umzügen festzuhalten", sagt Kunde, die auch Jugendwartin im Schützenverein Redderschmiede bei Bad Oldesloe ist. Einige Vereine wie ihr eigener, aber auch Bargteheide, Trittau oder Klein Wesenberg hätten noch nicht so große Probleme, doch insgesamt gingen Schützenfeste im Land zurück. Manche verkürzten von drei Tagen auf einen Tag, andere sparten am Festprogramm. Und manche verzichten eben mittlerweile ganz auf die großen Volksfeste mit Sonntagsumzügen.

Dass es nun auch Barsbüttel getroffen habe, mache sie traurig. Schon vor zwei Jahren habe der Schützenverein Pölitz eine solche Entscheidung getroffen. Und im vergangenen Jahr entschieden der Schützenverein Reinfeld und die Bürgerschützengilde Bad Oldesloe, ihr bereits gemeinsam veranstaltetes Schützenfest auszusetzen.

Die mittlerweile zu hohen Kosten für kleinere Vereine seien einer der Gründe, so Kunde. Mitgliederzahlen gingen in einigen Vereinen zurück, Kosten für Munition, Waffen und Startgelder stiegen. Sponsoren zu finden, werde schwieriger. Womit aber alle Vereine gleichermaßen zu kämpfen hätten, sei, dass jüngere Schützen weniger Wert auf Traditionen legten. "Für sie steht der Schießsport im Vordergrund. Das ist auch gut so. Aber das Gesellschaftliche, die Feiern, die Umzüge, das Tragen der Uniformen ist für sie nicht wichtig", sagt Kunde. Und die Generation, der es noch wichtig sei, sterbe langsam weg.

"Für die Älteren sind die Umzüge auch zu beschwerlich. Nicht alle Vereine können sich eine Kutsche für ältere Mitglieder leisten, die es ihnen möglich macht, noch am Umzug teilzunehmen", weiß Alfons Rosenke und blättert weiter in den Fotos. Einige zeigen die Feste der vergangenen Jahre, als Reinfeld und Bad Oldesloe gemeinsam feierten. Um Kosten und Mühen zu sparen, war aus zwei Festen eines geworden. In einem Jahr wurde in Reinfeld, im anderen in Bad Oldesloe gefeiert. Nach dem Motto: gemeinsam ist man stark. Doch auch zusammen waren sie irgendwann zu schwach. "Reinfeld und Bad Oldesloe waren mal die Hochburgen der Schützenfeste in Stormarn", sagt Rosenke. "Aber es wurde einfach zu teuer. Und die Bevölkerung hat immer weniger Notiz davon genommen."

Die teuren Festzelte seien von Jahr zu Jahr leerer geworden. "Es gab mal eine Zeit, da musste man sehr früh hineingehen, um überhaupt einen Platz zu bekommen", sagt er und schaut auf ein Foto mit einem überfüllten rot-weiß-grün geschmückten Zeltsaal. Menschen sitzen an den langen Tischen, lachen, trinken. Andere tanzen ausgelassen. Jung und Alt, bunt durchmischt. "Das ist heute doch anders. Die Generationen sind weiter auseinander. Und das Interesse für die Tradition hat nachgelassen." Die jungen Leute könne man heute nur noch mit lauter Discomusik locken. Feste mit Eventcharakter. "Aber man will sich doch auch unterhalten", so Rosenke. Und nicht nur die Zelte seien leerer geworden. Die Zuschauerreihen bei den Umzügen hätten immer größere Lücken bekommen, und auch die Karusselle drehten immer häufiger mit freien Gondeln ihre Runden.

So sei es auch in Barsbüttel in den vergangenen Jahren gewesen. "Die Vereine sterben nicht aus, die Mitgliederzahlen sind noch gut. Aber die Tradition stirbt", sagt die Vorstandsvorsitzende Silvia Heger. "Die Jungen nehmen daran nicht mehr teil. Sie mögen keine Uniformen, keine Umzüge, feiern nicht gerne im Zelt", sagt Heger, traurig darüber, dass es in Barsbüttel in diesem Jahr kein Schützenfest geben wird. "Das Zelt, die Musik. Es ist einfach alles zu teuer für den Verein", sagt sie. Hinzu komme, dass die Barsbütteler immer mehr das Interesse verlören. Die Leute beschwerten sich sogar, wenn es beim Fest zu laut werde, fügt ihr Mann Friedrich Heger hinzu. Das hätte es früher nicht gegeben. "Da haben alle mitgefeiert. Das Schützenfest war ein Ereignis, dem auch viele in der Bevölkerung entgegengefiebert haben. Heute stört es."

"Die aktive Generation stirbt", sagt auch Rolf-Peter Fröhlich, Vorsitzender des Kreisschützenverbands Stormarn und des Schützenvereins Bargteheide und Umgegend. Das Fest in Bargteheide sei zwar gut besucht gewesen, aber auch dort müsse man sich Gedanken machen, wie genügend Besucher angelockt werden können.

"Das größte Problem der Vereine ist die Überalterung. Damit haben alle zu kämpfen", sagt Wolfgang Twesten Vorsitzender des Schützenvereins Trittau und Umgebung, der vom 19. bis 21. August seinen 90. Geburtstag feiert. "Wir werden in diesem Jahr das größte Fest im Kreis, vielleicht sogar im Land feiern. 37 Vereine werden teilnehmen, 13 mehr als sonst", sagt Twesten.

In Trittau sei das Schützenfest noch immer ein großes Ereignis. Aber dafür habe der Verein auch eine Menge getan. Für die Jugend gibt es eine eigene Disko-Veranstaltung, für die Älteren Oldie-Musik. Um Sponsoren zu finden, habe man Geschäft um Geschäft abgeklappert. "Ein wenig liegt es auch am Management. Man muss mit der Zeit gehen, die Feste dem Publikum wieder schmackhaft machen. Und vielleicht in Kauf nehmen, mit Traditionen zu brechen", sagt Twesten. "Manchmal müssen alte Zöpfe abgeschnitten werden."