Eine Reinfelderin wird seit einer Woche vermisst. Polizei vermutet das Mädchen in den Fängen eines Zuhälters, der sie im Internet lockte.

Reinfeld. Sie suchen die große Liebe und finden die Hölle auf Erden. So beschreibt Nadine Greve das Schicksal zahlreicher Mädchen, die in die Fänge sogenannter Loverboys geraten und zur Prostitution gezwungen werden. "Die Zuhälter versprechen den jungen Frauen ein besseres Leben, machen sie sogar mit Alkohol und Drogen gefügig", sagt die Fachjournalistin für Frauenhandel und Zwangsprostitution.

Auch die 15 Jahre alte Sabrina (Name geändert) aus Reinfeld ist offenbar Opfer der perfiden Masche geworden. Das Mädchen war Mitte April weggelaufen. Vor rund einer Woche befreiten sie Ermittler aus einem Bordell in Hannover. Kurz nachdem die Mutter das Kind aus der niedersächsischen Landeshauptstadt abgeholt hatte, flüchtete das Mädchen erneut. Seither fehlt von dem Kind jede Spur.

"Die Mutter und das Mädchen haben ein sehr gestörtes Verhältnis zueinander", sagt Greve, die sich in den vergangenen Wochen intensiv mit dem Fall beschäftigt hat. Mitte Mai kam es zwischen Mutter und Tochter offenbar zum Streit. Sabrina musste ins Oldesloer Kinderheim ziehen. Nach zwei Tagen, am 17. Mai, war das Mädchen verschwunden. Schnell war klar, dass das Kind offenbar ins Rotlichtmilieu geflüchtet ist. "Die Mutter hat in Sabrinas Kinderzimmer Zettel gefunden, auf denen aufgelistet war, was sie für bestimmte Liebesdienste bekäme. Außerdem war darauf auch eine Handynummer notiert, die eines Loverboys", sagt Nadine Greve. Denn diese soll einem 25-jährigen Pakistani aus Peine gehören, der polizeilich bekannt ist und im Rotlichtmilieu einen Namen hat.

"Offenbar hat der junge Mann dem Mädchen erzählt, dass sie als Prostituierte viel Geld verdienen könne", sagt Greve, die die Briefe und auch die handschriftliche Preisliste für sexuelle Dienste gelesen hat. "Die Preise waren völlig utopisch", sagt die Rotlichtexpertin. Neben diesen Unterlagen fand die Mutter auch Notizen über Bahnverbindungen von Lübeck nach Hannover und Liebesbriefe. Anscheinend hat der junge Mann ihr die große Liebe vorgespielt. Greve spricht in solch einem Fall von einem Loverboy, den Sabrina offenbar im Internet kennen gelernt hatte.

"Früher fuhren solche Männer mit ihren teuren Autos zu Dorfdiskotheken aufs Land und suchten sich die unsicheren, schüchternen Mädchen aus, um sie zu hofieren. Heute nutzen sie das Internet. Sie gucken sich die Bilder an, die die Mädchen ins Netz stellen und machen ihnen Komplimente", sagt Greve. Dann fragen sie die Mädchen aus, ob sie mit den Eltern Probleme haben und geben ihnen das Gefühl, der Retter in der Not zu sein. So wurde mutmaßlich auch Sabrina nach Peine gelockt.

Die Oldesloer Kriminalpolizei, die kurz nach Sabrinas Verschwinden die Ermittlungen übernommen hatte, konnte das Handy des Kindes in den darauffolgenden Wochen in der Umgebung Braunschweig, Hannover und Hildesheim orten. "Allerdings war es sehr schwer, das Mädchen zu finden. Sie wusste offenbar, dass sie gesucht wird und schaltete immer wieder ihr Telefon aus", sagt Stormarns Kripo-Chef Wolfgang Böhrs. Auch Befragungen in der Familie und von Zeugen in Niedersachsen führten nicht zu Sabrina.

Ihre Mutter wandte sich deswegen fünf Wochen nach ihrem Verschwinden an die Stiftung "Stop Loverboys". Nadine Greve unterstützt diese Organisation und hat sofort mit ihrer Recherche begonnen. Wochenlang durchforstete sie Internetseiten, auf denen junge Mädchen angeboten werden. Am Dienstag, 2. August, fand sie ein Bild von Sabrina. "Dort stand, sie sei 18 Jahre alt. Ich habe dann ermittelt, dass Sabrina in einer sogenannten Modellwohnung ihre Dienste anbietet", sagt Greve. Das sind angemietete Wohnungen, quasi private Bordelle. Freier buchen die Mädchen via Internet.

Am nächsten Tag alarmierte die Milieuexpertin die Beamten in Hannover. Innerhalb weniger Stunden befreiten die Polizisten die Minderjährige aus der Wohnung in der Nähe des Hauptbahnhofes in Hannover. Sabrina wollte nicht erzählen, wo und mit wem sie die vergangenen zweieinhalb Monate verbracht hatte. Die Mutter brachte das Kind in die Kinder- und Jugendpsychiatrie nach Lübeck. Wenige Stunden später flüchtete das Mädchen aus der Klinik und ist seitdem erneut verschwunden. Deswegen beschäftigt sich nun die Lübecker Polizei mit dem Fall und bearbeitet die Vermisstenanzeige.

Die Kriminalpolizei in Hannover hat indes die Ermittlungen gegen einen 46 Jahre alten Strohmann aufgenommen. Er ist der Eigentümer der Wohnung, in der Sabrina gefunden wurde. Er muss sich wegen Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger und der Ausbeutung von Prostituierten verantworten. Gegen den Loverboy wird nach Aussagen der Polizei nicht ermittelt.