... begann die Geschichte der Raiffeisenbank Bargteheide. Morgen feiert das Kreditinstitut sein Jubiläum mit 850 Gästen

Bargteheide. Es muss korrekt zugehen. Besonders wenn es ums Geld geht. Fritz Hinrich Barckmann ist sich der Verantwortung bewusst. Und er ist vorbereitet. Er hat den hohen weißen Kragen zugeknöpft, die Weste und den Gehrock übergestreift, die Taschenuhr befestigt und den Bart glatt gestrichen: perfekt. Auch drinnen ist alles an seinem Platz. Der Geldschrank ist eingetroffen. Tisch und Stuhl stehen bereit. Die gute Stube kann sich jederzeit in den Kassenraum verwandeln. Die Kunden können kommen.

Wir schreiben das Jahr 1911. Im Hause Barckmann in der Straße Langereihe 8 in Jersbek ereignet sich Historisches: Die Spar- und Darlehenskasse wird aus der Taufe gehoben. Es geht "um kleine Summen", wie in der Chronik später zu lesen sein wird. Der Hausherr höchstpersönlich ist jener korrekte Kassenleiter. Und dass er sich im Gründungsjahr 1911 ausgerechnet um elf Mitglieder kümmert, ist einer dieser merkwürdigen Zufälle der Geschichte, die schon 100 Jahre währt.

Die weißen steifen Krägen sind mittlerweile verschwunden. Statt des Gehrocks trägt man leichte Sakkos. Und nach oben gezwirbelte Bärte sind schon lange passé. Auch der Sitz und der Name des Geldinstituts haben sich verändert - die Bank gibt es 100 Jahre und einige Fusionen später aber immer noch. Raiffeisenbank (Raiba) Bargteheide heißt das Unternehmen jetzt, das der korrekte Herr Barckmann in seinem privaten Kundenzentrum einst als Ein-Mann-Firma managte.

Heute wäre er als Einzelkämpfer überfordert. "Wir haben 2348 Mitglieder in unserer Genossenschaftsbank", sagt Vorstand Matthias Behr. Die Zahl der Kunden ist auf 8500 gestiegen. Und die kleinen Summen haben sich in Millionenbeträge verwandelt. Behr: "Das Kreditgeschäft umfasste im vergangenen Jahr 92,47 Millionen Euro und beträgt jetzt 97,06 Millionen Euro. Das ist ein gewaltiger Sprung. Wir waren allerdings auch viel in der Landwirtschaft unterwegs."

Was die Jersbeker Bauern damals brauchten und was ein hoch technisierter landwirtschaftlicher Betrieb des 21. Jahrhunderts benötigt, lässt sich kaum miteinander vergleichen. Damals mag es um Säcke mit Saatgut gegangen sein. Heute investieren die Landwirte in hoch komplizierte Mähmaschinen - und in Sonnenkollektoren. Herr Barckmann und seine Familie kannten nicht einmal das Wort.

"Die Solarenergie boomt. Die Spitze wurde 2009/2010 erreicht", sagt Raiba-Vorstand Matthias Behr. Aber auch jetzt noch werde in die ökologische Technologie investiert, auch jetzt noch sei der Kreditbedarf hoch.

Ginge Herr Barckmann heute durch Bargteheide und die umliegenden Ortschaften, würde er sich nicht nur über die komischen flachen Dinger auf den Dächer wundern. Die sollen die Sonnenkraft einfangen können? Er würde vermutlich auch die Augen aufreißen beim Blick in die "heiligen Hallen" in der Rathausstraße und den Kopf darüber schütteln, was sich aus der guten Stube und seinem kleinen Kassenraum entwickelt hat: eine Geschäftsstelle, die im vergangenen Jahr noch einmal erweitert wurde, auf jetzt 720 Quadratmeter.

Ohne Herrn Barckmann posthum zu nahe treten zu wollen: Dass die Damenwelt in die Bankwelt Einzug gehalten hat, könnte ihm bei seinem Rundgang 100 Jahre nach Gründung der Spar- und Darlehenskasse vielleicht doch ein Stirnrunzeln entlocken. Damen im Kassenraum! Und dann in einer solchen Aufmachung, mit kurzen Röcken. Zu seiner Zeit war Sittsamkeit angesagt. Die Chronik zeigt es: lange Röcke, hochgeschlossene Blusen. Und die Damen waren für den Haushalt zuständig, doch nicht für die Kasse!

"Wir haben 35 Mitarbeiter. Nein stimmt nicht. Gerade hat bei uns eine neue Auszubildende angefangen. Also sind wir 36", sagt Matthias Behr, der zusammen mit Vorstand Stefan Lohmeier als männliches Duo die Geschicke der Raiba leitet. Das dürfte Herrn Barckmann wiederum gefallen. Genauso wie die Tatsache, dass es nach wie vor auch einen ehrenamtlichen Vorstand gibt. Damals waren es drei. Die Namen sind noch bekannt: Friedrich Ammermann, Paul Lafrenz und Hermann Buck.

Die Raiba Bargteheide hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. 1963 erfolgte die Fusion mit Delingsdorf. 1965 kam der Umzug. Und mit dem neuen Firmensitz änderte sich auch der Name in Spar- und Darlehnskasse Bargteheide. 1972 zog sie in das jetzige Gebäude an der Rathausstraße, 1974 kam die Umfirmierung in Raiffeisenbank. Zehn Jahre später schloss sich die Spar- und Darlehnskasse Bargfeld-Stegen an. 1988 kam schließlich noch die Raiffeisenbank Mollhagen dazu.

Nun soll die 100-jährige Erfolgsgeschichte am 12. August gefeiert werden, mit einem Showprogramm, mit Bratkartoffeln, Roastbeef, Salat und Nachtisch und mit Musik und Tanz. Es ist ein Fest nur für geladene Gäste. Alle 2348 Mitglieder wurden angeschrieben, denn zuerst steht die Generalversammlung mit Geschäftsbericht auf der Tagesordnung. "Normalerweise kommen 250. Diesmal haben sich 850 angesagt. Mehr geht aber auch nicht", sagt Vorstand Matthias Behr und lacht. Die Bank hat extra das Festzelt gemietet. Ganz reicht auch das nicht. Behr: "Wir müssen noch ein bisschen anbauen."

Schön sei es, dass auch viele jüngere Mitglieder kommen wollen, die sonst bei den Generalversammlungen nicht gerade stark vertreten seien. "Dabei sind diese Versammlungen die wichtigste Institution einer Genossenschaft. Hier können sie über die wichtigen Entscheidungen mitbestimmen."

Was würde wohl Herr Barckmann anmerken, wenn er sich bei der Generalversammlung unter die Reihen mischen würde? 100 Jahre nach Gründung. Vielleicht gar nichts, weil es ihm die Sprache verschlagen hätte. Vielleicht würde er nur seinen Bart glatt streichen und vor sich hinmurmeln: "Wie kann das nur alles angehen? Wie kann das nur alles angehen..."