Der Ersatz für den Zivildienst funktioniert nicht. Mark Sacharow ist einer der wenigen, die sich verpflichtet haben

Ahrensburg. Mark Sacharow ist so was wie ein vierblättriges Kleeblatt, und für seinen Arbeitgeber ist er vielleicht sogar wie ein kleiner Lotto-Gewinn. Denn der 20-Jährige aus Elmenhorst ist einer der ersten und zudem noch sehr wenigen Bundesfreiwilligen, die sich für eine Tätigkeit im sozialen Bereich in Stormarn verpflichtet haben.

Seit dem 1. August ist er bei der Senioren-Betreuungsgesellschaft Bargteheide unter Vertrag, zu dem auch die Tagespflege Ahrensburg in Gartenholz gehört. Er spielt mit den Menschen, die stundenweise in die Einrichtung kommen, "Mensch ärgere dich nicht", geht mit ihnen spazieren, fährt einmal in der Woche Essen aus oder erledigt Einkäufe für die Bewohner des Pflegeheims. Alles Tätigkeiten, die zuvor Zivildienstleistende übernommen haben. Doch die gibt es nicht mehr. Der Zivildienst ist mit dem Aussetzen der Wehrpflicht zum 1. Juli abgeschafft worden. Abhilfe sollte der Bundesfreiwilligendienst schaffen.

Aber der läuft schleppend an. Nicht nur in Stormarn, sondern landesweit. Vielen sozialen Einrichtungen bereitet dies erhebliche organisatorische Probleme. Sie suchen händeringend Freiwillige. Allerdings ohne großen Erfolg. "Es gibt so gut wie gar keine Bewerbungen", sagt Gunnar Löwe, Vorsitzender des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste in Schleswig-Holstein. "Bei vielen Jugendlichen, die die Schule verlassen, fehlt einfach die Motivation, sich für ein halbes oder sogar ganzes Jahr als Bundesfreiwillige zu melden", sagt er. Das sei auch kein Wunder, denn schließlich müssten die Jugendlichen einen Fulltimejob für ein kleines Taschengeld machen. "Als junger Mensch entscheide ich mich natürlich doch eher gleich dafür, mein Studium oder eine Ausbildung zu beginnen oder einen Job zu suchen, bei dem auch was rumkommt, als für wenig Geld unattraktive Aufgaben zu erledigen", sagt Löwe. Seiner Meinung nach sei es von der Bundesregierung blauäugig gewesen, zu glauben, dass sich viele Menschen freiwillig melden würden.

Mark Sacharow teilt diese Ansicht. Er weiß, dass sich in seinem Freundeskreis niemand für den Bundesfreiwilligendienst interessiert hat. Vielmehr sei man über seine Entscheidung verwundert gewesen. "Viele wollen lieber gleich mit dem Studium anfangen, wollen jobben oder gehen eine Zeit lang ins Ausland", sagt Sacharow, der unlängst sein Abitur an der Anne-Frank-Schule in Bargteheide gemacht hat. "Das war einfach viel zu kurzsichtig von der Bundesregierung", so Sacharow. Er glaubt, dass das Interesse höher wäre, wenn die Bezahlung besser wäre. Er bekomme nur zwischen 300 und 400 Euro pro Monat. "Ein Taschengeld", sagt er.

Für ihn selbst jedoch ist die Bezahlung nebensächlich. "Zum einen wollte ich nach dem Abi und dem vielen Lernen erst einmal etwas ganz anderes machen und nicht sofort studieren. Zum anderen will ich mich einfach sozial engagieren", erklärt Sacharow. Für seinen späteren Beruf könne er Erfahrungen im sozialen Bereich gut gebrauchen. Er will sich bei der Hamburger Polizei für den gehobenen Dienst bewerben. "Als Polizist kann es nicht schaden, soziale Kompetenzen zu haben", ist er überzeugt. Aber er lerne in der Tagespflege auch fürs Leben. "Ich lerne es einfach mal von einer ganz anderen Seite kennen. Als Jugendlicher wird man ja eher selten damit konfrontiert", sagt Sacharow, der mit zwei gehörlosen Eltern aufgewachsen ist und als Muttersprache die Gebärdensprache angibt. "Irgendwann werden wir doch alle mal alt. Wenn ich alt bin, möchte ich auch, dass sich Menschen um mich kümmern", sagt er ruhig.

Katrin Czuba, Einrichtungsleiterin, ist begeistert von der Einsatzfreude ihres ersten Bundesfreiwilligen. "Er ist zuvorkommend, unglaublich hilfsbereit und unglaublich aufmerksam", lobt sie. Das sei sehr selten bei jungen Leuten. Das habe sie schon anders erlebt.

Wie viele Bundesfreiwillige es derzeit in Schleswig-Holstein oder in Stormarn gibt, konnte das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben nicht sagen. Die Bundesfreiwilligen würden nicht nach Ländern gezählt, teilte eine Sprecherin mit. Anfang Juni seien bundesweit rund 1000 Verträge geschlossen worden, hieß es lediglich. Neue Zahlen gebe es nicht. Jedoch würde der Dienst gut anlaufen, hieß es im Bundesamt.

Infrage stellt das nicht nur Uwe Schneider, Vorsitzender des Vereins Jordsand. Der Verein habe zwar nach vielen Bemühungen zum 1. September endlich eine Bundesfreiwillige finden können, doch es sei chaotisch gewesen. "Der Schnellschuss hat einen Trümmerhaufen zurückgelassen", urteilt Schneider, der zuletzt elf Zivildienstleistende beschäftigte. Nun würden die meisten Arbeiten von jungen Leuten erledigt, die ein Freiwilliges Soziales Jahr machten. Ein großes Problem des Freiwilligendienstes sei, dass Zuschüsse wie etwa Kindergeld nicht konkret geregelt seien. "Das ganze ist einfach vollkommen unausgegoren."

Der Seniorenbeirat Barsbüttel, der sich jüngst mit sozialen Einrichtungen zusammensetzte, hat einen Brief an Familienministerin Kristina Schröder geschrieben und sich über den Schnellschuss der Regierung beschwert. Beiratsvorsitzender Werner Schlüter: "Die Antwort aber war nichts anderes als eine Ausrede. Da steht nicht wirklich drin, wie die Probleme gelöst werden."