Oststeinbeks Bürgermeisterin Martina Denecke zieht im Abendblatt-Interview ein Fazit ihrer ersten 100 Tage im Amt

Oststeinbek. Martina Denecke ist seit Mai Bürgermeisterin von Oststeinbek. Sie übernahm das Amt von Karl-Heinz Mentzel. Der hatte die 8611-Einwohner-Gemeinde zwölf Jahre lang geführt und ihr durch drei Neubaugebiete einen Bevölkerungszuwachs und damit die Selbstständigkeit gesichert.

Hamburger Abendblatt:

Frau Denecke, Sie sind seit genau 100 Tagen Bürgermeisterin. Was ist anders als bei ihrem früheren Job bei der Deutschen Rentenversicherung?

Martina Denecke:

Die Struktur ist gleich: Wenn eine Anfrage hereinkommt, wird immer geguckt, was kann ich nach der Rechtslage machen und was nicht. Die Arbeit in den Ausschüssen ist aber schon anders als die Fachschaftsarbeit, die ich kenne. Hier geht es um das Vorbereiten von politischen Entscheidungen. Ich kann Ideen einbringen, die Verwaltung ist aber letztlich ausführendes Organ.

Haben Sie ihren Wechsel schon einmal bereut?

Denecke:

Nein, es ist ganz toll, gerade die Vielfältigkeit hatte ich mir ja gewünscht.

An welches Ereignis denken Sie besonders gern zurück?

Denecke:

Das sind ganz viele. Besonders die Begegnungen mit älteren Jubilaren, die noch mitten im Leben stehen und voller Energie und Ideen sind, haben mich sehr beeindruckt.

Sie wohnen in Reinbek und arbeiten in Oststeinbek. Wie gefällt Ihnen ihre neue Heimat Stormarn?

Denecke:

Viel freie Zeit, um Stormarn besser kennenzulernen, hatte ich bisher noch nicht. Ich bin meist bis 21 Uhr im Rathaus. Am Wochenende renoviere ich weiter in meiner neuen Wohnung, da gibt es noch einiges zu tun. Ich war mit Freunden aber schon auf Radtour in der Umgebung.

Sie sind Stormarns einzige weibliche Bürgermeisterin. Wie ist die Zusammenarbeit mit den Kollegen?

Denecke:

Es begegnen mir alle offen und freundlich. Mit Barsbüttel und Glinde gibt es aktuell ein gemeinsames Projekt: die Beteiligung am e-Werk Sachsenwald.

Oststeinbek ist als Firmenstandort begehrt, der Media-Markt und Lidl im Gewerbegebiet wollen im November eröffnen. Die Planungen begannen aber schon zur Zeit ihres Vorgängers. Was tun Sie, um die Wirtschaftskraft zu stärken?

Denecke:

Auch bei mir haben Lebensmitteldiscounter angefragt, doch eine Erweiterung des Gewerbegebietes wird derzeit nicht diskutiert. Wir wollen die vorhandenen Betriebe stärken und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Da passiert vieles im Kleinen, im täglichen Geschäft. Ich setze mich zum Beispiel dafür ein, dass die Internetpräsenz der Oststeinbeker Betriebe und Institutionen größer wird.

Was wird aus dem ehemals für die Allianz vorgesehenen Gelände?

Denecke:

Dort sieht der Bebauungsplan ein Wohngebiet vor. Das jetzt zu verwirklichen, wäre aber nicht klug. Wir müssen erst dem steigenden Bedarf an Kinderbetreuung aus den drei vorhandenen Neubaugebieten gerecht werden.

Viele neue Einwohner fordern mehr Hort- und Krippenplätze. Eines der drängendsten Probleme ist jetzt gelöst. Die neue Hortgruppe in der Gerberstraße hat den Betrieb aufgenommen. Hat Oststeinbek hier zu spät reagiert?

Denecke:

Oststeinbek befriedigt derzeit 100 Prozent des Bedarfs an Kinderbetreuungsplätzen. Wir können das schlecht im Voraus planen, weil wir nicht wissen, wie viele Eltern in welchem Alter ihrer Kinder berufstätig sein werden. Mit diesem Thema werden sich die Politiker nach der Sommerpause weiter beschäftigen. Und wir dürfen auch die Senioren nicht vergessen. Eine Seniorenwohnanlage in Havighorst fände ich durchaus eine gute Idee, denn auch das Kursana Domizil in Oststeinbek ist voll belegt. Es gibt aber noch weitere Interessenten für das Baugebiet in Havighorst, und die Entscheidung liegt bei der Politik.

Die Gemeinde möchte eine Kita in Havighorst ausbauen. Doch die Mieter wollen nicht ausziehen.

Denecke:

Ein Auszug ist immer noch nicht in Sicht. Hier sprechen weiter die Anwälte miteinander.

Einwohner äußern ihren Unmut über zu wenig Bürgerbeteiligung, die Vorsitzende des Kultur-, Sozial- und Jugendausschusses, Silke Fillies von der SPD, trat wegen des Vorwurfes, sie übe ihr Amt zu bürgernah aus, gar zurück. Muss Oststeinbek seine Bürger mehr beteiligen?

Denecke:

Die vier Fraktionen CDU, SPD, OWG und FDP wollen die Zukunft Oststeinbeks als gemeinsames Projekt angehen. Über die Vorgehensweise und die Beteiligung der Einwohner wollen sie nach der Sommerpause beraten. Ich kann den Bürgern nur empfehlen, mit ihren Wünschen zu den Politikern zu gehen. Das tun aber nur wenige, weil die Hemmschwelle hoch ist. Viele kommen mit ihren Anliegen lieber ins Rathaus, doch wir sind nur die Mittler. Ich fände es deshalb gut, wenn die Politik die Bürger in wiederkehrenden öffentlichen Gesprächsrunden beteiligen würde. Das habe ich auch angeregt.

Hätte etwa die Diskussion über die Hundewiese anders laufen können, wenn vorher mit Bürgern geredet worden wäre?

Denecke:

Ja, aber es müsste sich auch die Erwartungshaltung der Bürger an die Verwaltung ändern. Die sagen "macht ihr mal", aber ohne Eigeninitiative der Bürger kann es nicht gehen. Wenn die Betroffenen sich zum Beispiel in einem Verein zusammengetan hätten, hätte dieser die Wiese für sehr wenig Geld pachten können.

Oststeinbek muss weiter in die Kinderbetreuung investieren, welche Auswirkungen wird das auf den Haushalt haben?

Denecke:

Oststeinbek leistet sich viel für seine Bürger. Wir geben sehr viel Geld aus für wohltätige Zwecke oder Vereine und nehmen kein Geld für die Straßensanierung. Auch die Grundsteuer wurde seit 40 Jahren nicht angefasst. Andererseits schreiben wir dieses Jahr rund 2,3 Millionen Euro Miese, dürfen aber laut Vorgabe des Landes grundsätzlich keine Schulden machen. Um Oststeinbek vor einer Schuldenfalle zu schützen, ist eine Auseinandersetzung der Fraktionen mit dem Kieler Kriterienkatalog zur Haushaltskonsolidierung notwendig. Auch in Bezug auf Fördergelder und Zuschüsse .

Sie sind als parteiunabhängige Kandidatin angetreten. Von CDU und SPD gibt es nun ein unterschiedliches Echo. Sebastian Bigdon von der CDU meint, Sie machen einen guten Job und attestiert Ihnen eine hohe Transparenz im Handeln der Verwaltung. Die SPD Fraktionschefin Irene Kastner sagt dagegen, es sei "kein gutes Arbeiten miteinander" und wirft Ihnen eine "Bunkermentalität" vor. Die Parteien hätten keinen direkten Zugang zu den Verwaltungsmitarbeitern mehr.

Denecke:

Das finde ich schade, ich pflege mit allen den gleichen Kontakt. Es wird nichts gebunkert, ich bin unparteiisch und habe für jeden ein offenes Ohr. Ein Beispiel: Wenn eine Fraktion Fragen einreicht zu einem Thema, von dem ich weiß, dass es alle beschäftigen wird, dann schicke ich die Antwort an alle Fraktionen - damit jede von ihnen gleich gut vorbereitet ist. Dabei beziehe ich auch die Junge Union mit ein, weil die Jüngeren die künftigen Gemeindevertreter sein werden. Die SPD ist übrigens die Fraktion, die am meisten Informationen abfordert. Mit Frau Kastner und Herrn Lorenz bin ich permanent im Gespräch, beide sind auch oft hier im Haus. Auch die neue Fachbereichsleiterrunde alle zwei Wochen im Rathaus dient der größeren Transparenz. Dass alle Anfragen von außen über mich laufen, liegt daran, dass bei mir alle Informationen zusammenfließen. Gleichzeitig möchte ich meine Mitarbeiter auch vor unnötiger Arbeit schützen.

Frau Denecke, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.