Das Abendblatt stellt die Kandidaten für den Gesundheitspreis 2011 vor. Heute: zwei Herzsportgruppen

Ahrensburg/Bargteheide. Wenn sie in der Turnhalle oder im Freien Sport treiben, ist immer ein Arzt dabei. Auch die kleinen Metallkoffer mit Defibrillator und Notfallausrüstung stehen stets griffbereit in der Nähe. Zwischendurch ist immer wieder Pulsmessen angesagt. Die Mitglieder der Herzsportgruppen in Ahrensburg und Bargteheide, beide Bewerber für den Gesundheitspreis 2011 des Ärztenetzes Ahrensburg und der Bürgerstiftung Region Ahrensburg, machen Leibesübungen unter besonderen Bedingungen.

Ein Herzinfarkt oder eine Herzoperation haben die Teilnehmer in der Regel hierher geführt. Längst sind Herzprobleme kein Symptom des hohen Alters mehr. Die jüngste Teilnehmerin in Bargteheide war gerade 31 Jahre alt. "Unsere jüngeren Mitglieder sind häufig Frauen", sagt Beate Osygus-Willner, Abteilungsleiterin der Herzsportgruppen beim Turn- und Sportverein Bargteheide von 1968.

"Das ist wohl der Preis der Emanzipation. Die heute übliche Doppelbelastung von Beruf und Familie, dazu noch Haus und Hof, vielleicht noch die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger fordern ihren Tribut", sagt die Diplom-Sportlehrerin für Rehabilitation und Behindertensport. Unregelmäßige Ernährung, Hektik, Zigaretten- und Kaffeekonsum kämen erschwerend hinzu. "Manche haben bereits vor ihrem 50. Lebensjahr mehrere Herzoperationen hinter sich", sagt die 49-Jährige. 77 Mitglieder im Alter zwischen 40 und 80 Jahren zählen die von ihr betreuten Herzsportgruppen derzeit.

2007 übernahm Osygus-Willner die Abteilung, die in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen feiert. Die eigene Handlungsunfähigkeit, als sie 1984 den Herzinfarkt ihres Vaters miterlebte, habe sie als Sportstudentin dazu bewogen, sich dieser Fachrichtung zu widmen. Ihre Klientel hat spezielle Anforderungen. "Bei den Übungen darf es keine Pressatmung, kein statisches Krafttraining, keine Schnelligkeit geben", so Osygus-Willner. "Spitzenwerte beim Blutdruck und kardial gefährliche Situationen sind zu vermeiden, damit es nicht zu Gefäßrupturen kommt."

Der Rehabilitationssport muss ärztlich verordnet und von der Krankenkasse genehmigt werden. Er umfasst in der Regel 90 Übungseinheiten binnen zwei Jahren. Bei den Übungen seien der Vielfalt keine Grenzen gesetzt, sagt Osygus-Willner. In Bargteheide trainiert sie drei nach Leistungen differenzierte Gruppen. Von jenen, die gerade einen Infarkt oder eine Operation hinter sich haben, bis zu Mitgliedern, die eine lebenslange Sportmöglichkeit trotz Herzbeschwerden suchen.

"Nichts geht nach einem Herzinfarkt oder nach kardiovaskulären Eingriffen so wie vorher", sagt die Expertin. "Doch die verkürzten Aufenthalte im Krankenhaus und in der stationären Rehabilitationsmaßnahme führen dazu, dass die Patienten immer weniger Informationen für ihr Verhalten im Alltag bekommen." Aufklärungsarbeit und psychologische Beratung gehörten zu ihren Aufgaben dazu.

Osygus-Willner weiß genau, was sie mit dem Geld des Gesundheitspreises anfangen würde. "Ich plane mit der Volkshochschule einen Kochkursus für herzgesunde Speisen, wo auch die Partner von Betroffenen teilnehmen können. Wünschenswert wäre auch ein Entspannungskursus für Herzpatienten. Eine Stunde Sport pro Woche führt nicht bei allen zu einer Änderung des Lebensstils." Ebenso sei die Ausbildung eines weiteren Übungsleiters nötig, um das Training auch während der Schulferien zu ermöglich. Und für die kontrollierte Belastungssteuerung würde sie gern Pulsuhren anschaffen.

Edzard Tammena, Abteilungsleiter der Herzsportgruppen beim Ahrensburger Turn- und Sportverein (ATSV) von 1874, will mit dem Preisgeld Mitgliedern mit schmalem Budget und ohne ärztliche Verordnung den monatlichen Beitrag von 19 Euro finanzieren. "Und wir möchten Betroffene mit Migrationshintergrund ansprechen, die das Sportangebot nicht kennen, ihnen den Beitrag schenken oder bezuschussen", sagt der 65-Jährige, der als Herzpatient seit vier Jahren die Abteilung beim ATSV ehrenamtlich betreut.

Von derzeit 120 Mitgliedern seien 84 länger als zwei Jahre dabei, 59 davon sogar mehr als fünf Jahre. Das älteste Mitglied werde im August 90 Jahre alt, das jüngste sei 45, so Tammena. Noch seien es viel mehr Männer als Frauen. Vier Gruppen trainieren unter ärztlicher Aufsicht in der Schlossstadt, eine weitere mit herzsportzertifizierter Physiotherapeutin. Ziel sei, die eigenverantwortliche Haltung zur Gesundheit zu fördern. Tammena: "Wichtig ist, die Mentalität zu ändern: vom Kranksein inklusive Sterbensangst zum Gefühl, gesund und sportlich zu sein."