Die Hunde aus Rehhorst können mehr als kuscheln und bellen. Sie arbeiten beim Film und in Seniorenheimen

Rehhorst. Würden sich die beiden Hunde gegen Elke Schwaiger auflehnen, inspiriert durch George Orwells Buch "Farm der Tiere" vielleicht, hätte sie kaum eine Chance. Denn Ylvi und Navy wiegen zusammen 120 Kilo, das ist schon ohne Putschversuch eine Menge. Und Elke Schwaiger ist, grob gemessen, kaum größer als ihre Hunde, stünden diese auf den Hinterbeinen. Aber: "Hunde leben in einer Hierarchie, nicht in einer Demokratie", sagt Schwaiger. Und in dieser hier ist sie der Chef.

Gut, dass die Hündinnen keine Zeit haben, diese Rangordnung zu überdenken. Der Bernhardiner-Berner-Sennen-Mischling und der reinrassige Bernhardiner arbeiten in Seniorenheimen, Kindergärten, Schulen, mit behinderten Menschen und in Schwaigers Hundeschule. Nebenbei spielen sie in Filmen mit oder werden für Werbekampagnen fotografiert. Die Aufträge vermittelt Nicole Degner von der Filmtierzentrale. Sie hat selbst zwei Border Collies, Joey und Hanni.

Besonders von Joey können Elke Schwaigers Hunde viel lernen. Auf Kommando pinkeln zum Beispiel, oder anschleichen. Denn Joey ist Profi, er war schon im "Großstadtrevier" zu sehen und hat mit Dieter Bohlen Werbung gemacht. Auch Ylvi und Navy werden regelmäßig gebucht. "Das macht ihnen Spaß, Beschäftigung ist wichtig. Aber wann sie Feierabend haben, wissen sie genau", sagt Schwaiger. Sie selbst arbeitet manchmal trotz Urlaubs, wenn jemand mit einem Problem zu ihr kommt. Fünfeinhalb Stunden sei gerade ein Besitzer mit seinem Welpen da gewesen, der immer die Möbel ankaute.

Früher hatte sie einen Job mit geregelten Arbeitszeiten, als Assistentin der Geschäftsleitung. "Ich habe eines Tages im Büro gesessen, es war Sommer und ich dachte: Ich will raus", sagt Schwaiger. Sekretärin sei ohnehin nie ihr Wunschberuf gewesen, eher der Traum ihres Vaters, der dann vorübergehend in Erfüllung ging. Eigentlich hat Elke Schwaiger Pferdewirtin gelernt, nach einer Operation musste sie den Beruf aufgeben und wurde Assistentin. "Nebenbei habe ich immer Freunde unterstützt, wenn sie Hundeprobleme hatten."

Nun arbeitet sie seit 13 Jahren hauptberuflich mit den Tieren. "Für die habe ich mich schon als Kind interessiert. Mein Freund sagt, ich habe den schwarzen Gürtel in Biologie." Ihre erste Hundeschule war in Bayern, da kommt sie her, das hört man auch. Vor sechs Jahren ist sie nach Stormarn gezogen, der Liebe wegen. Neue Kunden für die Hundeschule zu finden, sei kein Problem gewesen. Schwaiger: "Am Anfang habe ich Werbung gemacht, dann haben meine Kunden mich empfohlen."

Nun kommen die Menschen, damit ihre Welpen lernen, wie sie an der Leine laufen sollen und dass sie nicht auf Teppiche pinkeln dürfen. Aber sie arbeitet auch mit Hunden, die zum Problem geworden sind. Verstörte und Vernachlässigte, die im Tierheim leben zum Beispiel. Oder Hunde, die ihre Besitzer anknurren, wenn diese sich ihrem Napf nähern. Nicole Degner hat schon mal zurück geknurrt. "Joey wollte mich nicht an den Napf lassen. Da habe ich geknurrt und ihn auf den Rücken gelegt. Das ist wie beim Wolf: Der Boss darf als erstes fressen." Das habe wunderbar funktioniert. "Man muss das Alphatier sein", sagt auch Schwaiger. "Viele Leute glauben, dass der Hund beleidigt ist, wenn er nicht aufs Sofa darf." Das sei Unsinn, so wie antiautoritäre Hundeerziehung an sich eben Unsinn sei. "Das ist in unserer Gesellschaft so, alles wird pädagogisch tot geredet. Aber einem Hund kann man keine Demokratie beibringen." Sie bräuchten Grenzen, so wie auch Kinder Grenzen brauchen. "Das Prinzip ist ähnlich. Wenn ich ein Kind erziehen kann, kann ich auch einen Hund erziehen." Einmal sei sie bei einer Familie gewesen, die vier Kinder hätten durchgehend gestritten, sich beschimpft und ein Glas umgeworfen, ohne dass die Mutter reagierte. "Ich bin gegangen. Wenn sie nicht mal ihre Kinder erzieht, wird das auch mit dem Hund nichts", sagt Schwaiger.

Auch wenn sie mit Ylvi und Navy in Kindergärten geht, sind Benimmregeln wichtig - für beide Seiten. Die Kinder dürfen nicht an Hundeschwänzen ziehen, dafür dürfen die Hunde nicht stürmisch Leckerli aus den Kinderhänden nehmen. Denn in Navys Maul passt theoretisch zum Leckerli die ganze Hand. Deswegen nimmt sich die Bernhardinerhündin die Snacks mit Präzision, da bleibt nicht mal Sabber am Finger. Denn Angst sollen die Kinder vor den Hunden nicht haben, sondern der Sinn der Besuche ist, dass sie den richtigen Umgang mit ihnen lernen.

Im Seniorenheim besuchen Ylvi und Navy Demenzkranke. Hier kuscheln sie sich einmal durch die Gruppe und sind Thema für Gespräche. "Die Leute überlegen, was Navy gemacht hat beim vorherigen Besuch, sie bringen Fotos ihrer ehemaligen Hunde mit und leben richtig auf", sagt Schwaiger.

In der Hundeschule arbeiten die zwei als Vorzeigehunde. Das können die beiden, denn vorbildlich verhalten sie sich ja auch bei ihren anderen Jobs. Von ihnen sollen die noch nicht so vorbildlichen Hunde sich abgucken, dass man nicht an der Leine zieht, an jedem Menschen hochspringt und vor allem, dass man hört, wenn der Besitzer ruft, das Hierarchieprinzip eben.

Das klingt nun, als hätten Ylvi und Navy Arbeitswochen wie Investment-Banker. Dieser Eindruck ist aber falsch, denn Elke Schwaiger achtet darauf, dass die beiden ausreichend Freizeit haben. Und außerdem ist die Arbeit der Hunde ja recht angenehm: sich streicheln lassen und sich gut benehmen, vor der Kamera machen, was sie vorher gelernt haben: Verbeugungen und sich im Kreis drehen und hinlegen und so. Wenn man es genau betrachtet, liegt das Nicht-Infrage-Stellen der Rangordnung im Hause Schwaiger vielleicht doch nicht daran, dass Ylvi und Navy zu beschäftigt sind, um darüber nachzudenken. Vielleicht sind sie auch einfach zufrieden. Also kein George Orwell in Rehhorst.