Noch 830 Stellen sind unbesetzt. Aufgrund des demografischen Wandels gibt es immer weniger Bewerber. Vor wenigen Jahre war es umgekehrt.

Ahrensburg. Stormarner Schulabsolventen haben die Wahl: Immer noch sind zahlreiche Lehrstellen im Kreis frei. Noch vor wenigen Jahren waren Ausbildungsplätze Mangelware. Jetzt gibt es mehr Plätze als Bewerber. "830 Stellen sind im Agenturbezirk noch unbesetzt", sagt Regina Wittkamp, Teamleiterin im Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe, die die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg umfasst. Die Zahl der unversorgten Bewerber liegt bei 690. Schon im Vorjahr gab es erstmalig mehr Stellen als Bewerber. "Aber in diesem Jahr ist die Lage extrem", sagt Regina Wittkamp.

Auch der Bargteheider Bäckermeister Hartmut Kock sucht noch einen Lehrling, der im August anfangen könnte. "Eigentlich suche ich sogar drei Azubis, aber bisher kam nur eine einzige Bewerbung rein", sagt Kock. Viele junge Leute ziehe es in die Computerbranche, Handwerk sei nicht mehr so modern.

Vor allem in den Bereichen Handel, Gastronomie und Handwerk mangelt es an Nachwuchs. Regina Wittkamp rät Schulabsolventen, sich nicht nur auf ihren Traumberuf zu fixieren. "Es ist wichtig, über den Tellerrand zu gucken und auch für andere Bereiche offen zu sein", so Wittkamp.

Als Hauptgrund für die Veränderungen am Ausbildungsmarkt sieht die Industrie- und Handelskammer (IHK) den demografischen Wandel. "Die Welle der geburtenschwächeren Jahrgänge erreicht jetzt die Lehrstellen", sagt IHK-Sprecher Can Özren. Es gebe immer weniger Schulabsolventen. In den Vorjahren kamen viele Bewerber aus Mecklenburg-Vorpommern. Auch das hat sich geändert. Özren: "Vergangenes Jahr gab es dort im Vergleich zu 2008 50 Prozent weniger Schulabgänger."

Auf der anderen Seite bieten Unternehmen wieder mehr Stellen. "Die Arbeitgeber erkennen zunehmend, wie wichtig es ist, Fachkräfte für den eigenen Betrieb auszubilden", sagt Regina Wittkamp. Firmen könnten es sich aber nicht mehr leisten, zu selektieren. Die Arbeitgeber sollten sich nicht ausschließlich auf die Noten fokussieren, sondern auch vermeintlich schwächeren Bewerbern eine Chance geben. Wittkamp: "Oft sind die Bewerber sehr jung, sie entwickeln sich noch weiter."

Ähnliche Erfahrungen hat auch die IHK gemacht. Sprecher Özren sagt: "Die Unternehmen bilden mittlerweile vorausschauend aus, um dem durch den demografischen Wandel bedingten Fachkräftemangel entgegenzuwirken." Matthias Schulz-Kleinfeldt, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck, ergänzt: "Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist schon früh im Jahr hoch gewesen."

Für Schüler mit Lernproblemen bietet die Arbeitsagentur eine Einstiegsqualifizierung an. Dabei absolviert der Bewerber ein sechs bis zwölfmonatiges Praktikum im Betrieb. Bei einer erfolgreichen Zusammenarbeit stellt das Unternehmen den Bewerber ein und die Praktikumszeit wird auf die Lehrzeit angerechnet.

Für den Bargteheider Hartmut Kock arbeiten sechs Gesellen. Vier davon haben bei ihm gelernt. "Wir suchen immer Fachkräfte für den eigenen Bedarf", sagt er. Der Meister schickt seine Lehrlinge gern zu Förderprogrammen der IHK ins Ausland. "Die Fortbildungsprogramme werden in Spanien, Frankreich und Dänemark angeboten", sagt der 50-Jährige. Schon seit mehreren Jahren ist es für den Bäckermeister schwierig, geeignete Bewerber zu finden. "Vielen macht das frühe Aufstehen zu schaffen", vermutet Hartmut Kock. Um vier Uhr morgens beginnt der Arbeitstag. Später fangen die Azubis teilweise schon um ein Uhr an zu arbeiten. "Anfangs fällt das Aufstehen schwer, aber man gewöhnt sich schnell daran", sagt Azubi Ignacio Mallspina. Der 20-Jährige kommt ins dritte Lehrjahr. Für die Nachtschicht zahlt Hartmut Kock im dritten Ausbildungsjahr auch Zuschläge. "Das sind noch mal 300 bis 400 Euro mehr netto."

Einen guten Hauptschul- oder Realschulabschluss sollten Bewerber mitbringen. Den einfachen Dreisatz müsse man beherrschen. "Darauf bauen alle Rechnungen in der Backstube auf", sagt Hartmut Kock. Sandra Thränert beendet gerade ihr zweites Ausbildungsjahr. "Mir gefällt es, Produkte zuzubereiten, die anderen Leuten schmecken", sagt die 21-Jährige aus Bargfeld-Stegen. "Man sollte offen sein und natürlich flexibel wegen der Arbeitszeiten."

Die Aussichten auf Weiterbildung sind laut Kock gut. "Qualität wird immer gesucht. Wenn jemand gut ist, spricht sich das herum." Vor allem junge Backstubenleiter würden gesucht. Kock: "Viele Lehrlinge studieren nach der Ausbildung, werden Lebensmitteltechniker oder machen ihren Meister."

Auch Sandra Thränert hat schon Pläne. Sie sagt: "Ich möchte noch Ernährungswissenschaften studieren."

Immer noch suchen Firmen Lehrlinge zum 1. August. Regina Wittkamp: "Bis zum 1. Oktober ist es noch möglich, in den Unterricht einzusteigen."