Meine Firma: Das Abendblatt stellt Betriebe in Stormarn vor. Heute: Der Rowohlt Verlag in Reinbek beschäftigt 140 Mitarbeiter

Reinbek. In einer ruhigen Gasse an der Hamburger Straße in Reinbek liegt der Rowohlt Verlag. Menschen laufen über die Flure des weißen Backsteingebäudes im Bauhaus-Stil, verschwinden in den Büros. Dort, wie auch im Foyer, den Konferenzräumen und Archiven leuchten dem Betrachter aus Bücherregalen bunte Buchrücken entgegen. Martin Walser, Jonathan Franzen oder Daniel Kehlmann haben bei dem mehr als 50 Jahre alten Verlagshaus ihre Werke veröffentlicht. Auch Nobelpreisträger wie Ernest Hemingway, Imre Kertész oder Elfriede Jelinek zählen zu den Autoren.

"Ich bin hier so etwas wie der Chef vom Maschinenraum", sagt Peter Kraus vom Cleff. Der kaufmännische Geschäftsführer der Rowohlt Verlags GmbH teilt sich mit Verleger Alexander Fest und dem für Marketing und Vertrieb zuständigen Lutz Kettmann die Geschäftsführung. Kraus vom Cleff kümmert sich um die Herstellung, das Rechnungswesen, Controlling, IT, die Personalführung und Unternehmensentwicklung des Hauses. Eine 50- bis 60-Stunden-Woche ist für den 43-Jährigen normal. In seiner Freizeit, meist morgens vor dem Job, entspannt Kraus vom Cleff beim Aikido oder Tennis. Zudem schafft der Diplom-Ökonom es, um die 70-80 Bücher pro Jahr zu lesen. Wie auch die anderen Mitarbeiter des Verlages sei er ein Büchermensch. Daher ist es auch ein großes Privileg für ihn, dieses Hobby mit seinem Beruf zu verbinden. Es sei zudem faszinierend, ein Buch von der ersten Projektidee bis hin zum eingeschweißten Produkt zu begleiten.

Doch so flexibel wie Handys oder Notebooks heute Informationen vermitteln, können das Bücher nicht. Schon seit Beginn seiner Tätigkeit bei Rowohlt im Jahre 2008 stellte sich der kaufmännische Geschäftsführer daher die Frage: "Wie schaffen wir es, ein 100 Jahre altes Haus ins digitale Zeitalter zu führen?" Mit der Entwicklung des "rowohlt digitalbuchs" ist das dem Verlagsteam gelungen. Seit 2009 verlegt Rowohlt als einer der ersten deutschen Verlage Bücher in digitaler Form, Ende 2011 werden es etwa 1000 lieferbare Titel sein. Sie können aus dem Internet herunter geladen werden und zum Beispiel auf einem Tablet-PC oder Smartphone gelesen werden.

Zum Redaktionsteam der digitalen Bücher gehört Uwe Naumann, Programmleiter Sachbuch und dienstältester Lektor im Verlag. Bücher nur zu digitalisieren, genügte dem 59-Jährigen aber nicht. "Mittlerweile verlegen wir Werke im Digitalbuch-Plus-Format", sagt der seit 1985 im Verlag Beschäftigte. Damit sind E-Books gemeint, die um exklusive Ton- und Bildaufnahmen erweitert sind. "Neugier und Kreativität gehören zum Berufsbild eines Lektors", erklärt der 59-Jährige, der viele Jahre freiberuflich arbeitete. "Ich war 15 Jahre fester freier Mitarbeiter im Rowohlt-Verlag, bis ich im Jahre 2000 als Angestellter die Leitung des Hardcover-Sachbuchs übernahm." An einen Verlagswechsel habe der gelernte Lehrer nie nachgedacht. "Für mich ist Rowohlt wie eine große Familie."

Genauso innovativ wie bei den E-Books agiert der promovierte Germanist auch als einer der beiden Programmleiter des Sachbuchsegments. Alle sechs Monate stellt Uwe Naumann mit seinen Lektoratskollegen das aktuelle Verlagsprogramm zusammen. Seine Intuition und eine genaue Marktbeobachtung helfen dem 59-Jährigen bei der Autoren- und Titelauswahl. "Ich reise viel, lese Zeitungen, schaue Talk-Shows", berichtet er. Dort entdeckte Naumann auch die Kommunikations-Expertin Miriam Meckel. "Mir gefiel, wie schlau sie den alten Herren über den Mund fuhr", erinnert er sich. Der Lektor überzeugte die einst jüngste Professorin Deutschlands, ein Buch für Rowohlt zu schreiben. "Brief an mein Leben" entstand. Meckels Bericht über ihre Erfahrung mit einem Burnout wurde zum Besteller. "Die Beziehung zwischen einem Lektor und seinen Autoren ist oft sehr eng, nicht selten wird daraus Freundschaft", sagt Uwe Naumann. Das gefalle ihm an seinem Job. "Als Lektor ist man wie der Pianist bei einem Konzert", sagt der 59-Jährige. "Der Autor singt vorn an der Rampe, und ich kümmere mich im Hintergrund darum, dass alles gut klingt." Durch den engen Kontakt mit vielen Autoren seien drei Wochen Urlaub am Stück für ihn schwer zu organisieren. Wenn das doch klappt, freut sich Naumann, auch mal ein Buch ohne Rotstift zu lesen. "Ich gehe in meiner Freizeit viel spazieren oder spiele mit meinen Enkeln."

"Rowohlt war schon immer auf der Suche nach Neuem, Spannendem", sagt Peter Kraus vom Cleff. Dies gilt auch für die Mitarbeiterauswahl. Dem kaufmännischen Geschäftsführer sei es wichtig, interessante Menschen ins Haus zu holen. Einer seiner Lieblingsaufgaben als Chef ist es, anderen beim Wachsen zu helfen. Derzeit sind im Lektorat vier Volontäre beschäftigt, fünf Auszubildende erlernen den Beruf Medienkaufmann/-frau Digital und Print. Eine davon ist Wilma Hüskes. Seit neun Monaten absolviert die 23-Jährige die zweijährige Lehrzeit. Dafür ist die junge Frau nach ihrem Fachabitur aus Berlin nach Hamburg gezogen.

Eingelebt hat sie sich mittlerweile. "Ich wohne in einer Vierer-Mädels-WG in Bergedorf", sagt sie. An ihrem Arbeitsplatz fühle sich Wilma Hüskes manchmal wie im Paradies. "Seit meinem vierten Lebensjahr liebe ich Bücher", sagt sie. Klar, dass sie das Angebot für Verlagsmitarbeiter, Bücher zum Sonderpreis zu erwerben, schon mehrfach in Anspruch genommen hat. "Ich habe bestimmt schon 100 Bücher bestellt, komme gar nicht mit dem Lesen hinterher."

Neben der freundlichen Arbeitsumgebung schätzt die 23-Jährige vor allem das Vertrauen, das ihr entgegen gebracht wird. "Ich wurde von Anfang an in alle Arbeitsprozesse eingebunden", sagt Hüskes. Alle drei bis sechs Wochen wechselt sie in eine andere Abteilung. "In der Buchhaltung, Presseabteilung, dem Lektorat und der Werbeabteilung war sie bereits. Nächste Station: Theorieunterricht an der Berufsschule in Frankfurt. "Ich spüre auch Leistungsdruck", sagt die 23-Jährige. Der sei jedoch positiv. Es mache ihr Freude, ihre Kollegen zu unterstützen.