Soziale Einrichtungen haben kaum Bewerber für Bundesfreiwilligendienst. Teure Hilfskräfte müssen die Zivildienstleistenden ersetzen.

Reinbek. Vereine und Verbände im Kreis Stormarn üben scharfe Kritik an der Organisation des Bundesfreiwilligendienstes (BFD). Viele stehen durch den Wegfall der 180 Zivildienstleistenden vor organisatorischen Problemen und müssen nun tiefer in die Tasche greifen. Denn für den BFD, von dem sich die Bundesregierung großen Zuspruch versprochen hatte, haben sich in Stormarn kaum Freiwillige gemeldet.

Bei den sozialen Diensten, Vereinen, Verbänden und Kliniken in Stormarn reißt das Ende des Zivildienstes damit eine erhebliche Lücke. Manche konnten diese zwar mit ehrenamtlichen Helfern oder Bewerbern für ein Freiwilliges Soziales (FSJ) füllen, doch die meisten müssen ihre personellen Engpässe nun mit fest angestellten Hilfskräften überbrücken und stehen nun vor teils erheblichen Mehrkosten.

Allein das St. Adolf-Stift in Reinbek rechnet mit Zusatzkosten in Höhe von 400 000 Euro jährlich. Die Klinik beschäftigte mit 24 Zivi-Stellen die meisten jungen Männer im Kreis, die sich gegen den Wehrdienst entschieden hatten. 15 feste Hilfskräfte musste sie nun einstellen. Die letzten 21 Zivis verabschiedete sie zum ersten und letzten Mal mit einer Feierstunde. "Damit geht eine Ära zu Ende", sagte der kaufmännische Direktor Lothar Obst.

Ingo Loeding vom Deutschen Kinderschutzbund rügt vor allem, dass noch immer der rechtliche Rahmen des BFD unklar sei. Noch immer sei beispielsweise nicht entschieden, ob die Freiwilligen weiterhin Kindergeld bezahlt bekämen oder Freibeträge der Eltern geltend gemacht werden können. Erst im November will die Bundesregierung darüber entscheiden. "Ist das nicht der Fall, sind viele finanziell schlechter gestellt als zuvor beim Zivildienst", so Loeding. Er schätzt, dass es für die Freiwilligen rund 200 Euro weniger im Monat sein werden - und das bei einem ohnehin niedrigen Verdienst.

Der Kinderschutzbund, der in Stormarn sieben Zivildienstleistende beschäftigte, habe für den Bundesfreiwilligendienst zuvor die Werbetrommel gerührt. "Es haben sich auch viele Menschen bei uns dafür interessiert. Junge und auch Ältere. Aber der Bundesfreiwilligendienst ist nicht zu Ende gedacht worden", kritisiert Loeding. Die sieben Stellen seien nun durch sechs FSJler aufgefangen. Dafür habe es durch die Umstellung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre großes Interesse gegeben. "Dadurch wird es auch im kommenden Jahr noch viele unversorgte Schüler geben, die nach ihrem Abschluss eine Alternative suchen", so Loeding. Danach jedoch, ist sich Loeding sicher, werde das System vollkommen zusammenbrechen. Um das Defizit aufzufangen, würden viele Einrichtungen dann nicht herumkommen, mehr reguläre Stellen zu schaffen. Und dies bedeute "unabwendbare Mehrkosten".

Auch der Kreis Stormarn beschäftigte zuletzt vier Zivildienstleistenden in dem Förderzentrum Woldenhorn-Schule in Ahrensburg. Sie werden nun durch nach Tarif bezahlte Hilfskräfte ersetzt, so der Fachdienstleiter für Jugend, Schule und Kultur, Wilhelm Hegermann. Er rechnet mit um rund ein Drittel höheren Kosten.

Im Pflegedienst der Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit (SVS) in Reinbek müssen sich die Pflegekräfte durch die fehlenden fünf Zivis indes auf zusätzliche Arbeit einstellen. "Die Mitarbeiter werden nun erheblich mehr Aufgaben übernehmen müssen. Und dafür geht Zeit drauf, die sie ohnehin schon kaum haben", sagt Pflegedienstleiter Björn-Ole Wollschläger. Das komme zum ohnehin großen Fachkräftemangel in der Pflegebranche dazu. "Was hier stattfindet, ist einfach nicht nachvollziehbar", sagt Wollschläger. Auch der SVS werde Mitarbeiter auf 400-Euro-Basis einstellen müssen. Denn: "Dass sich noch Freiwillige melden, erwarten wir nicht." Ähnlich sieht dies auch Karin Heino, Leiterin der DRK-Sozialstationen in Ahrensburg, Ammersbek und Großhansdorf. Dort habe man bereits viele Leistungen einschränken müssen. "Spontane Besorgungen und Transporte sind jetzt nicht mehr möglich. Alles muss nun Tage vorher geplant werden", so Heino.

"Der Schnellschuss hat einen Trümmerhaufen zurückgelassen", urteilt Uwe Schneider, Vorsitzender des Vereins Jordsand, der zuletzt elf Zivildienstleistende beschäftigte. Er habe zwar eine Menge Bewerber für den Bundesfreiwilligendienst gehabt - 30 bis 40, schätzt er. "Aber dadurch, dass noch immer nicht klar ist, welche Zuschüsse es gibt, wussten wir nicht, was für uns gilt - gültige Verträge konnten wir nicht machen." Auch die Regelungen der Sozialabgaben seien nicht eindeutig geklärt. "Das ganze ist einfach vollkommen unausgegoren."

Wie viele Freiwillige sich in Stormarn oder in Schleswig-Holstein bereits gemeldet haben, konnte das Bundesamt für Familie und zivile Aufgaben auf Anfrage nicht mitteilen. Anfang Juni seien rund 1000 Verträge bundesweit geschlossen worden. "Wir erwarten, dass es am 1. Juli keinen großen Unterschied zwischen der Zahl der Freiwilligen und der Zivis gibt", schrieb das Amt.